Winterlingen

Mehr Unterstützung für Winterlinger Schüler: Schulsozialarbeit darf nicht nur „Feuerlöscher“ sein

29.04.2024

Von Janine Lehleiter

Mehr Unterstützung für Winterlinger Schüler: Schulsozialarbeit darf nicht nur „Feuerlöscher“ sein

© Vera Bender

Wie viel Unterstützung sollen die Schülerinnen und Schüler aus Winterlingen mehr bekommen? Darüber entschied der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung. (Archivfoto)

Die Gemeinde Winterlingen hat jüngst ihre Zusammenarbeit mit dem Haus Nazareth neu konzipiert. In diesem Zug sollte gleich das Personal im Bereich Betreuung und Schulsozialarbeit aufgestockt werden. Doch welche Probleme haben Grundschulkinder denn schon? Ist es die Aufgabe der Gemeinde, die Kinder zu erziehen? Und wie wichtig ist die Offene Kinder- und Jugendarbeit? Viele Fragen standen im Raum, die vom Gemeinderat rege diskutiert wurden.

Obwohl die Tagesordnung zur Aprilsitzung des Winterlinger Gemeinderats kurz war, boten zwei der Punkte genügend Diskussionsstoff. Es wurde die Neukonzeption der Zusammenarbeit mit dem Erzbischöflichen Kinderheim Haus Nazareth sowie die Aufstockung dessen Personals im Bereich Schulsozialarbeit und Betreuung in der Grundschule Winterlingen beraten. Dafür war das Haus Nazareth mit starker „Man-“ und „Womanpower“ vertreten.

„Ein großes Vertragswirrwarr“

Momentan gebe es zwischen den beiden Parteien fünf Verträge, die zu verschiedenen Zeiten während des Jahres starten. Wie Daniel Hahn, der stellvertretende Direktor des Haus Nazareth, es bezeichnete: „Ein großes Vertragswirrwarr.“ Die bestehenden Verträge umfassen dabei die Verlässliche Grundschule (VGS) und Erweiterte Verlässliche Grundschule (EVGS) Winterlingen, die VGS Harthausen, die Schulsozialarbeit (SSA), die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA), die Ferienzeitbetreuung (FZB) sowie den „Elterntreff Kunterbunt“.

Nun soll eine Win-Win-Situation geschaffen werden. „Wir reduzieren den Verwaltungsaufwand und fassen alle in einem Grundvertrag zusammen“, so Matthias Mühr, Referatsleiter im Landkreis Zollernalb. Der neue Grundvertrag soll ab 1. September gelten, die Laufzeit beträgt je ein Jahr mit automatischer Verlängerung und schreibt beiden Seiten eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zu. Dieser Zusammenlegung stimmte der Gemeinderat einstimmig zu.

Zu wenig Personal

Während dieser erste Beschluss schnell vonstattenging, wurde über die Aufstockung des Personals rege diskutiert. Matthias Mühr erläuterte, dass das Haus Nazareth eruiert habe, wie viel Personal sowohl für die Betreuung als auch die Schulsozialarbeit in der Grundschule Winterlingen benötigt werde. Hinzugezogen habe man dabei den Personalschlüssel, den die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg festlege, aber auch die steigende Zahl in der Einzelfallhilfe sowie die Belastung der Mitarbeitenden.

Unterm Strich lautete das Fazit: Für die Betreuung seien 70 Prozent mehr an Fachpersonal nötig, für die SSA zusätzliche 15 Prozent. Das bedeute für die Gemeinde schätzungsweise Mehrkosten von 58.300 Euro jährlich, Zuschüsse und Förderungen schon miteinkalkuliert. Eine Summe, die den einen oder anderen Gemeinderat schlucken ließ.

Mehr als nur Problemlösung

Rat Hermann Linder hakte deshalb nach: „Welche Probleme haben die Kinder denn schon in der Grundschule?“ Schulsozialarbeiterin Bettina Faust klärte über ihre Arbeit auf: „Ich mache nicht nur Konfliktarbeit. Ich arbeite auch präventiv. Ich habe aber nur 9,25 Stunden dafür Zeit und da ist die Vor- und Nachbereitung mit dabei.“ Aktuell sei das Haus Nazareth jedoch beinahe nur „Feuerlöscher“, da für Präventionsarbeit kaum Zeit bleibe.

Hermann Linder stellte daraufhin infrage, ob die Gemeinde in diesem Ausmaß für die Erziehung der Kinder zuständig sei, woraufhin Bürgermeister Michael Maier zugab, das sei „ärgerlich, aber nicht mehr zu umgehen“. Angesichts des Rechtsanspruchs auf Ganztagesbetreuung, den ab 2026 sukzessive jedes Kind im Grundschulalter haben wird, gebe es auch künftig keine Aussicht auf eine Verbesserung der Situation.

Raum ohne Leistungsdruck

Rat Roland Heck warf die Idee in den Ring, einen Teil der Arbeitskraft der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, bei der oft nur wenige Kinder anwesend seien, auf die SSA umzuschichten. Davon riet Daniel Hahn vom Haus Nazareth ab: „Die Offene Kinder- und Jugendarbeit ist der einzige Raum, in dem es keinen Leistungsdruck gibt, und wo sie sich in etwas Wichtigem weiterentwickeln können: Selbstbestimmung.“ Trotzdem einigte sich das Gremium mit vier Gegenstimmen darauf, die Entscheidung zur Aufstockung der Schulsozialarbeit zu vertagen und über eine Umschichtung nachzudenken.

Bisher durch „kostenlose“ Arbeitskraft bewältigt

In Sachen Betreuung brachte Michael Maier während der Diskussion etwas Licht ins Dunkel: „Es ist nicht wirklich eine Aufstockung. Bisher wurden die 70 Prozent durch andere Mitarbeiter des Haus Nazareth geleistet.“ Damit meinte der Schultes eine Auszubildende, die für die Gemeinde nichts kostete, die jedoch im Sommer weg sei, sowie Freiwilligendienstler.

Diese Mitarbeit solle also in Fachkraftarbeit umgewandelt werden und sei nur eine Personalmehrung, wenn weiterhin zusätzlich ein FSJler oder Azubi eingesetzt werde. Den Gedanken an eine künftige Erhöhung der Elternbeiträge im Hinterkopf beschloss der Gemeinderat diese Aufstockung letztlich mit einer Enthaltung.

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