Balingen

Kunterbunt zusammengeschnipselt: Balinger Publikum feiert Christoph Sonntags neues Programm

03.03.2024

Von Barbara Szymanski

Kunterbunt zusammengeschnipselt: Balinger Publikum feiert Christoph Sonntags neues Programm

© Barbara Szymanski

Christoph Sonntag braucht nur wenige Requisiten.

Kabarett muss nicht schwarzweiß daherkommen. Es funktioniert auch in bunt. Wie eine Tüte Bonbons, äh … Bonmots. In dieser hohen Kunst versucht sich omnipräsent in allen Medien der Kabarettist Christoph Sonntag. Und live und in Farbe am Samstagabend in der ausverkauften Balinger Stadthalle.

Spitze Worte, flotter Rap, geigen und klampfen, AC/DC vom Band, spontanes Reimen, ein malerisches Bühnenbild und Lichtershow: „Hallo Balingen!“, ruft er seinen Fans zu. Und sie umarmen ihn mit Beifall und Frohlocken.

Aber wer ist denn das da auf mit Dreispitz, Zottelhaaren und Blumenhemd? Es ist ein Pirat: „Sonntag ist, was in deinem Kopf passiert“, sagt er – soso, aha. Aber sein Ansatz in seinem Programm mit dem bedeutungsschwangeren Titel „Ein Tritt frei“ ist komischer ausstaffiert als bei anderen, die sich gekonnter auseinandersetzen mit den sozialen, ökologischen und ökonomischen Befindlichkeiten. Über Putin zum Beispiel ist schon viel gesagt worden. Aber er zitiert lieber seine klartextsprechende, urkomische Kollegin Lizzy Aumeier aus der Oberpfalz: „Putin wünsche ich eine Hodenentzündung und zu kurze Arme, dass er sich kratzen kann.“

So würde sich unser Christoph Sonntag nie und nimmer ausdrücken und Szenen entwickeln – oder doch? Wenn er die Einstein’sche Relativitäts-Theorie erklärt, dann so: Wenn der Enkel dem Opa den Finger in den A… steckt, dann ist der Opa relativ gut dran. Jetzt aber Schluss mit lustig und Rumgezote.

Publikum muss/darf mitmachen

In der für Publikumseinbezieher wie Sonntag gefährlichen ersten Reihe sitzen Patrick und Daniela. Er steigt runter zu ihnen und führt mit ihnen einen Microzensus durch. Da müssen die beiden schon gute Miene zum frechen Spiel machen. Bekommen aber zur Versöhnung am Schluss das Buch „Und sie dreht sich noch“ überreicht. Dieses und seine anderen Elaborate preist der Bühnenkünstler vor der Pause wortreich an – halt sonntäglich als Slapstick verpackt.

Die Volkszählung 1983 freilich haben Sonntag und seine damalige WG boykottiert – fast. Gegenüber der hübschen Befragerin nämlich hat er liebestrunken alles ausgeplaudert. Themenwechsel: Dem Oppositionsführer „Frieder“ Merz traut er gar den Sturm aufs Reichstaggebäude zu, wenn dieser die Wahl verliert – mit dem Klassenstreber Philipp Amthor als Wikinger verkleidet. Eigentlich möchten wir unseren Bundeskanzler inzwischen fast schon in Schutz nehmen. Nicht seine kluge Besonnenheit wird anerkannt, sondern es wird nervtötend über seine hanseatische Zurückhaltung lamentiert. Sonntag zeigt den Kanzler gar als Pirat mit Augenklappe und mit Papagei auf der Schulter.

Bei Erdogan nimmt sich Sonntag aus der Schusslinie

Erdogan wird auch durchgenudelt. Aber da nimmt sich Christoph Sonntag aus der Schusslinie. Erdogan versteht nämlich Kabarett so gar nicht. Sonntag zitiert deshalb Spiegel-Artikel und eine Investigativ-Recherche über Erdogans Wirtschaftsstudium. Dann zückt er gar die sogenannte Länd-Klempf – eine quietschgelbe Gitarre in Form von Baden-Württemberg. Und vom Band haut dazu AC/DC mit dem Powersong Back in Black enorm rein.

Die neue Kriegsbefürworter-Partei, die Grünen, bekommen genauso ihr Fett weg wie Marie-Agnes „Flack“-Zimmermann oder Winfried Kretschmann und sein „Wäsch-Läpp“.

Das kunterbunt zusammengeschnipselte Programm des Balinger Stammgastes wird wieder einmal gebührend gefeiert.

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