Balingen

Hinterm Horizont geht’s weiter – OB Helmut Reitemann sagt Danke und Adieu

08.05.2023

von Nicole Leukhardt

Hinterm Horizont geht’s weiter –
OB Helmut Reitemann sagt Danke und Adieu

© Renate Deregowski

Helmut Reitemann, Oberbürgermeister Balingen. Ein letzter Schritt hinaus aus dem Rathaus, letzte Dokumente sichten und unterschreiben.

Alles langsam auslaufen lassen? Das kommt für Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann auch in den letzten Wochen seiner Amtszeit nicht infrage. „Es geht volles Rohr durch“, sagt er und lacht.

Noch lässt der Endspurt für die Gartenschau, deren Eröffnung gleichsam einen fulminanten Schlusspunkt unter sein Schaffen in Balingen setzt, ein Durchatmen gar nicht zu. Was er aber tun wird, wenn er die Tür des Balinger Rathauses ein letztes Mal hinter sich schließt? „Das weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht“, sagt Helmut Reitemann.

Vermutlich werde er in den Urlaub gehen, „aber irgendwann realisiert man vermutlich, dass das jetzt kein Urlaub ist, sondern der Ruhestand“, sinniert er. Südamerika, Namibia oder ein asiatisches Land könnten erste Ziele sein, „aber das entscheiden wir dann in aller Ruhe, konkret geplant ist noch nichts“.

Es wird nicht langweilig

Dass ihm langweilig werden könnte, davor hat er keine Angst. „Ich werde ganz sicher ehrenamtlich arbeiten, wieder mit meiner Frau tanzen gehen und natürlich steht auch das Thema Familie ganz oben“, erzählt er. Denn seine Frau und die drei Söhne hätten in den vergangenen 16 Jahren arg zurückstecken müssen. „Sie sind erwachsen geworden in meiner Balinger Zeit, der Kleinste war bei Amtsantritt gerade einmal drei Jahre alt und steckt jetzt im Abitur“, rechnet er vor.

Mehr vom Familienleben

Dass er nun wieder mehr vom Familienleben mitbekommt, darauf freue er sich. „Auch darauf, die Großen mal in Ruhe dort besuchen zu können, wo sie studieren“, fügt er an. Auch er selbst wird wieder zurück ins Familiendomizil nach Hohentengen ziehen, die Wohnung in der Balinger Innenstadt sei auf Ende Mai gekündigt, verrät er. „Ich würde mich aber sehr freuen, wenn die guten Beziehungen, die ich in Balingen geknüpft habe, bestehen bleiben“, sagt Reitemann.

Viele Wechsel in der Verwaltung habe er miterlebt, einige langjährige Weggefährten aus dem Amt verabschiedet und neue willkommen geheißen.

Besonders gut sei sein Verhältnis mit Reinhold Schäfer, dem Vorgänger von Bürgermeister Ermilio Verrengia, gewesen. Viele Jahre haben Reitemann und Schäfer eng zusammengearbeitet, sich gegenseitig geschätzt und auf die Loyalität und Zuverlässigkeit des anderen bauen können.

Gutes Netzwerk

„Als ich hier angefangen habe, war ich natürlich unsicher, musste Firmen, Gemeinderäte, Ehrenamtliche erst kennen lernen“, erinnert er sich. Es brauche Zeit, Menschen einschätzen zu können, zu wissen, wer in welchen Fragen der richtige Ansprechpartner ist. „Um ein gutes Netzwerk aufzubauen, braucht es zwei bis drei Jahre, wenn man sich intensiv einarbeitet“, sagt er. „Der Gemeinderat verändert sich im Lauf der Legislaturperioden, es dauert immer eine Weile, bis man versteht, wie er tickt“, erklärt Reitemann mit einem Schmunzeln. Gefragt nach dem höchsten Hoch und dem tiefsten Tief seiner Amtszeit, überlegt er nicht lange. „Die Gartenschau gehört sicherlich zu den schönsten Dingen, die ich in Balingen umsetzen durfte“, sagt er. Beim tiefsten Tief zögert Reitemann. „Vermutlich sind es die Begegnungen mit Menschen, die immer nur kritisieren und nörgeln, denen man nichts recht machen kann, die immer nur das Schlechte in Dingen sehen“, antwortet er nach einer Weile. Ein Phänomen, das seiner Einschätzung nach immer mehr zunehme, aber nicht nur Balingen betreffe.

Überhaupt der Gemeinderat: Um viele Entwicklungen habe man gerungen, andere hingegen seien leicht umzusetzen gewesen. Hilfreich sei die „kleine Schaltkonferenz“ gewesen, „ein kurzer Austausch mit allen Bürgermeistern im Kreis“, wie Reitemann beschreibt.

In Pandemiezeiten habe man sich hier gegenseitig über die neuesten Verordnungen beraten und ausgetauscht, diesen Austausch aber auch nach Coronazeiten beibehalten. „Diese Pandemie hat uns alle völlig unvorbereitet getroffen, niemand vor uns hat das je erlebt“, resümiert Reitemann.

Eine Zeit in seinen Balinger Dienstjahren, die er nicht vergessen wird, die prägend war. „Teilweise haben sich Verordnungen abends um 23 Uhr geändert und waren ab dem Folgetag umzusetzen, wir haben uns manchmal täglich getroffen. Die Arbeitswelt, auch die des Rathauses, stand quasi über Nacht Kopf. Doch dieses aus der Not geborene Umdenken habe auch Positives geschaffen, wie beispielsweise das mobile Arbeiten, das „erstaunlich gut und schnell umzusetzen war“, wie Reitemann rückblickend feststellt.

Ihn selbst begleite diese Arbeitsweise seit vielen Jahren, „ich habe mein privates und mein Diensthandy immer bei mir und schaue auch am Wochenende mindestens einmal am Tag in die Mails“, berichtet er. Ob er diese Gewohnheit wohl schnell ablegen kann? „Meine Frau meint, das würde mir sicher fehlen“, sagt Reitemann und lacht. „Ich glaube ja, dass ich mich ganz schnell daran gewöhnen kann“, fügt er an.

Ob er seinem Nachfolger im Amt, Dirk Abel, einen guten Rat geben würde? „Ratschläge sind eigentlich nicht mein Ding“, sagt Reitemann und lacht. Kurz hält er inne. Dann sagt er: „Ich habe von meinem Vorgänger, Dr. Edmund Merkel, übernommen, dass der persönliche Kontakt zu den Menschen immens wichtig ist. Das erwarten die Leute, das ist auch hilfreich und wertvoll.“ Denn gerade diese Menschen seien es, die Balingen liebens- und lebenswert machen.

Dank an Bürgerschaft

„Ob es Mitarbeiter waren oder der Gemeinderat, der viele Entscheidungen mitgetragen hat, auch wenn es nicht immer einfach war, ob es Schulleiter, Vereinsvorstände oder Ehrenamtliche waren – sie alle machen Balingen zu dem, was es ist. Mein Dank gebührt der Bürgerschaft und meinen langjährigen Weggefährten“, fasst Reitemann zusammen. Bei der letzten Frage, welche drei Titel er sich für einen Zapfenstreich aussuchen würde, den es zum Abschied eines Oberbürgermeisters freilich nicht gibt, lacht er. Doch die Entscheidung fällt ihm dann doch leicht: „‚Hinterm Horizont geht‘s weiter‘ von Udo Lindenberg, ‚Wo sind all die Indianer hin‘ von PUR und ‚Der Weg‘ von Grönemeyer.“

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