Sickingen

Hauseinsturz in Sickingen: Muss sich der Baggerfahrer verantworten?

09.11.2023

Von Olga Haug

Hauseinsturz in Sickingen: Muss sich der Baggerfahrer verantworten?

© Ralf Biesinger

Das Gebiet um die Unglücksstelle in Sickingen am Donnerstagnachmittag: Es ist weiträumig umzäunt, Trümmer der eingestürzten Hausfassade liegen noch immer verstreut auf dem Boden.

Ein Mann steht im Verdacht, den Einsturz des Hauses in Sickingen am 21. Oktober durch Grabungsarbeiten verursacht zu haben. Aber bestand dabei auch Gefahr für Leib und Leben? Dieser Frage geht derzeit die Staatsanwaltschaft nach. Denn davon hängt maßgeblich ab, ob sich der Beschuldigte strafrechtlich verantworten muss.

Nachdem am späten Abend des 21. Oktober in Sickingen ein Teil der Fassade eines Wohnhauses eingestürzt ist (wir berichteten ausführlich), lag schon die Vermutung nahe, dass Grabungsarbeiten rund um das Haus die Ursache für den Einsturz sein könnten. Mittlerweile steht fest: Um das teils eingestürzte Haus sollten Abwasserleitungen verlegt werden. Aufgrund dieser Baggerarbeiten ist die Giebelwand wohl eingestürzt. Das sieht man offensichtlich auch bei der Staatsanwaltschaft so, sagt Ronny Stengel, Erster Staatsanwalt und Pressesprecher. „Ein Beschuldigter steht im Verdacht, den Einsturz durch Baggerarbeiten verursacht zu haben“, so Stengel wörtlich.

Hauseinsturz in Sickingen: Muss sich der Baggerfahrer verantworten?

© Michael Würz

Fassungslos standen die Einsatzkräfte bereits am Abend des 21. Oktober vor den Trümmern des Hauses in der Wiesenstraße.

Der Staatsanwaltschaft liegt inzwischen die polizeiliche Akte vor. Sie prüft derzeit den Sachverhalt. Die Ermittler beschäftigen sich aber weniger mit der Ursache, sondern gehen vielmehr der Frage nach: Handelt es sich um Baugefährdung? Konkret: Waren Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet? Kann Letzteres mit Ja beantwortet werden, handelt es sich um Baugefährdung gemäß Paragraph 319 des Strafgesetzbuches. Demzufolge drohen dem Verursacher dann eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.

Ermittler interessieren sich für die Frage: Bestand Gefahr für Leib und Leben?

Gefahr für Leib und Leben besteht dann, erklärt Staatsanwalt Stengel, wenn es sich beispielsweise um einen Beinaheunfall handelt. Also wenn eine oder mehrere Personen konkret gefährdet waren. Hier geht es nicht darum, mögliche Szenarien zu analysieren, getreu dem Motto „Was wäre wenn?“, also: Was wäre passiert, wenn zum Zeitpunkt des Einsturzes ein Spaziergänger vorbeigekommen wäre? Sondern vielmehr um ganz konkrete Sachverhalte, „wo es nur vom Zufall abhängt, dass nichts passiert ist“, erläutert Stengel.

Untersuchungen werden noch mehrere Wochen dauern

Und genau das ist nun Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen, die wohl noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen werden, lässt Stengel wissen. Verletzt wurde am 21. Oktober jedenfalls niemand. Unserer Zeitung liegen zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Informationen vor, dass jemand beinahe verletzt wurde. Die Hauseigentümer selbst waren zum Zeitpunkt des Einsturzes wie berichtet im Urlaub. Das Nachbarhaus hat herabfallende Ziegelsteine abbekommen, aber keine größeren Schäden davongetragen. Es gilt nicht als einsturzgefährdet und ist nach wie vor bewohnbar. Die Bewohner des Nachbarhauses konnten am Abend des Unfalls ihr Haus unverletzt verlassen. Sollte sich herausstellen, dass eine Gefährdung anderer Personen nicht bestand, wäre der Fall für die Staatsanwaltschaft somit auch erledigt, erklärt Stengel. Ein Fall für die Versicherung ist es jedoch allemal.

Ob die Versicherung zahlt, ist bislang unklar

Wer hier am Ende die Rechnung trägt und ob überhaupt eine Versicherung den Schaden übernimmt, steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest. Bleibt womöglich der Hausbesitzer auf den Kosten sitzen? Wie es scheint, handelte es sich bei den Arbeiten um einen Gefälligkeitsdienst – also kein offiziell erteilter Auftrag. Laut Schätzung der Polizei wird der Schaden auf rund 150.000 Euro beziffert.

Städtische Arbeiten nicht die Ursache

Bereits einen Tag nach dem Einsturz hatte Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn auf Nachfrage unserer Zeitung festgehalten, dass die städtischen Grabungsarbeiten, die ebenfalls in der Straße liefen und aktuell ruhen, nicht im Zusammenhang mit dem Einsturz stehen. Hahn war selbst am Abend des Einsturzes vor Ort, wo rund 70 Helfer im Einsatz waren.

Technisches Hilfswerk rückte in der Unglücksnacht mit Experten-Team an

Spezielle Fachleute des Technischen Hilfswerks aus Ofterdingen installierten in der Nacht gemeinsam mit ihren Hechinger Kameraden ein sogenanntes Einsatzsicherungssystem. Auch ein Statiker wurde am Abend noch hinzugezogen, um zu prüfen, ob der restliche Teil des Gebäudes ebenfalls einsturzgefährdet ist.

Trümmer der Hausfassade liegen noch am Unglücksort

Auch 3 Wochen später zeugen auf der Straße liegende Trümmer des Wohnhauses noch von dem gewaltigen Schrecken, der Sickingen am Abend des 21. Oktober ereilt hat.

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