Balingen

Gerechtfertigte Auszeichnung? Balinger Ehrenbürger Josef Filser wurde vor 175 Jahren geboren

08.07.2022

von Dr. Yvonne Arras

Gerechtfertigte Auszeichnung? Balinger Ehrenbürger Josef Filser wurde vor 175 Jahren geboren

© Stadtarchiv Balingen

Für seine „aufopfernde Tätigkeit anlässlich des Hochwassers“ wurde Josef Filser 1897 mit der höchsten Auszeichnung der Stadt Balingen gewürdigt.

Josef Filser wäre am 8. Juli 175 Jahre alt geworden. 1897 erhielt er das Balinger Ehrenbürgerrecht für seine „aufopfernde Tätigkeit anlässlich des Hochwassers“. Die Gründe für die höchste Auszeichnung, die eine Stadt verleihen kann, sind bei dem damaligen Oberamtmann jedoch fragwürdig, wie die Recherche der Balinger Stadtarchivarin veranschaulicht.

Der Balinger Stadtrat hat in einer Sitzung am 5. Januar 1897 einer Reihe von Personen das Ehrenbürgerrecht verliehen, die sich – so verlauten die Gemeinderatsprotokolle – für ihre „aufopfernde Tätigkeit anlässlich des Hochwassers“ hervorgetan hätten. Gemeint ist das Jahrhunderthochwasser vom 5. und 6. Juni 1895.

Neben dem Stuttgarter Juristen Conrad Haußmann (1857 bis 1922), über den bereits berichtet wurde, und dem Ludwigsburger Baurat Karl Leibbrand (1839 bis 1897), gehörte Oberamtmann Josef Filser (1847 bis 1918) diesem Personenkreis an. Waren die Gründe für diese höchste Auszeichnung, die eine Stadt verleihen kann, bereits bei Haußmann intransparent, so sind sie bei der für Filser erst recht fragwürdig.

Zwar erscheint Filser bei der Behebung der Schäden durch das Hochwasser als eine sehr präsente Person – im Unterschied zu Haußmann. Indes: Frei von Tadel war er gewiss nicht.

Per Strafversetzung nach Balingen

Filser, der am 8. Juli 1847 in Rißegg, heute ein Ortsteil von Biberach, zur Welt kam, wurde Anfang 1894 vom Oberamt Heidenheim nach Balingen strafversetzt. Zwar habe sich Oberamtmann Filser „durch besondere Rührigkeit in den verschiedenen Zweigen“ der Verwaltung hervorgetan, seine Tätigkeit als Vorstand des landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbands nutzte er aber dahingehend aus, dass er „im großartigsten Maßstab“ und ohne Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel „selbständige Spekulationskäufe“ abschloss.

Die Leitung des Balinger Oberamts war damals vakant und wurde von einem sogenannten Verweser kommissarisch versehen. Am 24. April 1894 fand die Amtsübergabe statt. Das Innenministerium als übergeordnete Behörde ordnete mit der Versetzung an, Filser in finanziellen Angelegenheiten „in amtlichen und privaten Verhältnissen sorgfältig zu überwachen“. Die Vorstandschaft des landwirtschaftlichen Bezirksvereins wurde ihm gleichfalls von vornherein untersagt.

Filser war bisweilen überfordert

Die Akten, die über Filser erhalten sind, überliefern auch für seine Balinger Amtszeit disziplinarische Maßnahmen und Ermahnungen. Denn er kam seinen Amtsgeschäften mitunter nicht in gebotener Weise nach. Dies rührt offenbar daher, so geht es aus den Quellen hervor, dass Filser mit der Verwaltung des Oberamtes nach dem Hochwasser bisweilen überfordert war.

Nachdem Filser im September 1895 von der vorgesetzten Behörde zur Ordnung aufgerufen wurde, weil er Bewerbungen auf eine vakante Amtmannstelle nicht weitergereicht hatte, beklagt er in seiner Stellungnahme, dass er „derzeit in außergewöhnlicher Weise thätig zu sein“ habe. Er kämpfe nach dem Hochwasser mit – so wörtlich – „massenhaften schwierigen Arbeiten, […] vielen Verhandlungen und Sitzungen“, alles sei „von dringlicher Natur und Tag für Tag ohne Rücksicht auf den ordentlichen Dienst zu erledigen“.

Insbesondere hätten sich die Geschäfte der Hilfsaktion „von Woche zu Woche wesentlich gesteigert“. Daneben hätte sich auch das Tagesgeschäft „bedeutend vermehrt“ und verweist auf die vielen Hochbauten und die Wasserwerksanlagen. Insgesamt erweckt sein Bericht den Eindruck, dass der Oberamtmann der Aufgabenfülle nicht gewachsen war.

Nach Hochwasser befolgte er weiterhin die amtliche Ordnung nicht

Auch in den Folgejahren verging sich der Oberamtmann immer wieder in „falscher Berichterstattung“, in der Nichtbefolgung amtlicher Ordnung, in ordnungswidrigen Verfahren bei der Schuldaufnahme von Gemeinden und bei der Betreibung des Bauwesens.

Zum 31. Dezember 1909 wurde Josef Filser in den Ruhestand versetzt. Er hatte selbst darum gebeten.

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