Balingen

Gepackt vom „Virus Drehorgel“: Auf der Gartenschau erklingen Melodien und Moritaten

15.08.2023

Von Dennis Breisinger

Gepackt vom „Virus Drehorgel“: Auf der Gartenschau erklingen Melodien und Moritaten

© Dennis Breisinger

Zahlreiche Drehorgeln in allen Ausführungen waren am Wochenende auf der Balinger Gartenschau zu sehen und zu hören.

Drehorgelmelodien und Moritaten waren am Wochenende überall auf dem Gelände der Balinger Gartenschau zu hören. Zu Beginn, am Samstagvomittag, fand die offizielle Begrüßung durch die technische Geschäftsführerin der Schau, Annette Stiehle, und die Rangendinger Organisatoren Thomas und Jacqueline Haug statt und es gab in diesem Rahmen auch die ersten Darbietungen.

Gleich zu Beginn wurde gemeinsam musiziert und gesungen, Thomas und Jacqueline Haug stellten dabei anhand einer Schautafel die Moritate „Der Müller von der Alb“ vor. Am Samstagnachmittag bekamen alle Teilnehmer zudem die Gelegenheit, auf der Plazabühne ein Stück zu spielen.

„Moritate sind gesungene Geschichten, der Begriff kommt von Mord- und Totschlag, was bei den meisten das Thema ist“, erörterte Thomas Haug. „Moritate mussten reißerisch sein, weil die Leute damals noch nicht so viel Abwechslung hatten und nur dann beim Drehorgelspieler stehen geblieben sind, wenn es um so etwas ging“, meint Rosi Grögler, eine Teilnehmerin aus Renningen, die gemeinsam mit ihrem Mann Frithjof seit zehn Jahren den Drehorgeltag im Freilichtmuseum in Schwäbisch Hall-Wagershausen organisiert. Sie selbst spielt eine nach alten Vorlagen rekonstruierte Drehorgel der Firma Stüber und kommt im Jahr auf um die 50 Auftritte in Seniorenheimen, bei Veranstaltungen oder bei runden Geburtstagen.

Drehorgel als Kulturgut

„Der Virus Drehorgel ist seit 34 Jahren in mir drin und es macht jeden Tag mehr Spaß, mit Freunden zu musizieren und Volkslieder und Moritate zu singen. Gemeinsam möchten wir dieses Kulturgut fortsetzen“, geht Thomas Haug auf die Faszination Drehorgel ein. „Es macht uns und den Menschen Freude, und wir möchten an die alte Zeit erinnern, in der es noch keinen Fernseher und keinen Rundfunk gab und Musik entweder durch Chöre oder durch den Drehorgelmann statt fand“, ergänzt Frithjof Grögler.

Gepackt vom „Virus Drehorgel“: Auf der Gartenschau erklingen Melodien und Moritaten

© Dennis Breisinger

Die Drehorgelspieler nutzten die Gelegenheit zum Fachsimpeln.

„Meine ersten Berührungspunkte mit dem Drehorgelspiel hatte ich in den 1980er Jahren bei einer Veranstaltung in meiner damaligen Heimat Linz am Rhein. Aber dann hieß es schnell wieder ‚aus dem Auge – aus dem Sinn‘. 2008 erfolgte allerdings die Initialzündung bei einer Veranstaltung im Technikmuseum in Speyer und seitdem bin ich mit Feuereifer dabei, weil es einfach Spaß macht, zu musizieren und mit fremden Leuten in Kontakt zu kommen“, erzählte der Sinsheimer Teilnehmer Bruno Thomas.

Zwei Vereine und zahlreiche Stammtische

„Es gibt zwei große Drehorgelvereine in Deutschland und diverse Stammtische, viel geht über Mund-Propaganda“, führt Thomas fort. Einen festen Platz im Terminkalender eines jeden engagierten Drehorgelspielers habe das Drehorgeltreffen im Rahmen des Floh- und Antiquitätenmarkts im schweizerischen Bad Zurzach. Am ersten Juliwochenende fand auch ein großes Treffen in Berlin mit um die 150 Teilnehmern aus neun Nationen statt. Neben Deutschland gehören Österreich und vor allem die Schweiz zu den Hochburgen und auch die Niederlande, in der laut Thomas aber vorwiegend die Jahrmarktsorgeln im Einsatz seien.

„Ein Markt für Drehorgeln ist weiterhin vorhanden, aber die Hersteller werden zusehends weniger. Mittlerweile gibt es nur noch zwei und dazu der ein oder andere, der auf Bestellungen Unikate herstellt. Doch deren Kosten können schon einmal fast so hoch wie die eines Autos werden“, so Thomas.

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