Kampfsport

„Fast wie eine Liebe“: Figlus-Brüder verfolgen ehrgeizige Ziele

06.05.2023

Von Marcus Arndt

„Fast wie eine Liebe“: Figlus-Brüder verfolgen ehrgeizige Ziele

© Moschkon

Parallel zu den Einheiten in der Gruppe trainieren Olaf (links) und Nikodem Figlus (rechts) mit Vater Mariusz (mitte).

Als dritter Athlet des Albstädter Budo-Clubs ist Nikodem Figlus auf dem Sprung in die deutsche Ju-Jutsu-Nationalmannschaft. Sein jüngerer Bruder Olaf debütierte bereits bei der Jugend-EM in Lille mit dem Adler auf der Brust.

Nikodem und Olaf Figlus gehören seit Jahren in Deutschland zu den besten Athleten im Ju-Jutsu-Fighting. Die beiden Deutsch-Polen gehen für den Albstädter Budo-Club auf die Matte, trainieren in der Sportstadt.

Während Nikodem Figlus noch auf seinen Einsatz im deutschen Nationalteam wartet, kämpfte sein jüngerer Bruder im März bei den Jugend-Europameisterschaften, holte in der Altersklasse U18 die Bronzemedaille in der Gewichtsklasse bis 50 Kilogramm. Nikodem Figlus ist amtierender Deutscher Meister bei den Senioren (bis 62 Kilogramm). Wegweisend für den 18-Jährigen: die German Open im September. In Maintal will auch er den Sprung in die deutsche Nationalmannschaft schaffen. Bundestrainer Andreas Kühl hat ihn bereits auf den Zettel. „Das motiviert mich natürlich zusätzlich“, verrät Nikodem Figlus, der nicht nur sportlich auf der Schwäbischen Alb ein neues Zuhause gefunden hat.

2023 war bislang ein sehr erfolgreiches Jahr für Euch. Was waren Eure persönlichen Höhepunkte?

Nikodem Figlus: Für mich persönlich gab es keinen bestimmten Kampf oder Sieg, den ich als Höhepunkt bezeichnen würde. Vielmehr fiel mir auf, dass ich diese Saison über wesentlich entspannter auf die Matte ging als sonst. Ich war noch nie besonders flexibel, doch an manchen Tagen ist es echt schlimm und ich komme mir regelrecht vor, als wäre ich ein Brett. In diesem Punkt konnte ich große Fortschritte machen, was sich auch in meinem Auftreten widerspiegelte. Während meiner Kämpfe fühlte ich mich definitiv selbstbewusster. Ein Stück weit verdanke ich das sicher auch meinem Vater, der gemeinsam mit uns einen neuen Trainingsplan erarbeitet hat. Unsere Vorgehensweise im Kampf war bedachter und von mehr Strategie geprägt, was einem noch einmal zusätzlich Sicherheit gab.

Dein Bruder hat die Jugend-Europameisterschaften gekämpft. Olaf, wie waren Deine Erfahrung in Frankreich?

Olaf Figlus: Die Jugend-Europameisterschaft in Frankreich war für mich ein bedeutender Meilenstein, da es mein erster internationaler Wettkampf war. Der damit einhergehende Druck war entsprechend hoch, aber ich habe mich gut darauf vorbereitet und war trotz Nervosität heiß aufs Kämpfen. Ich denke, dass ich so auch die Grundstimmung in Lille beschreiben würde.

Wie verliefen Deine Kämpfe?

Olaf Figlus: In meinem ersten Kampf traf ich auf einen Athleten aus Italien und konnte gegen ihn über die Punktzahl gewinnen. In der zweiten Runde hatte ich einen Gegner aus Montenegro, gegen den ich leider verlor. Auch hier waren es wieder die Punkte, die den Ausschlag gaben. Er war ein wirklich guter Kämpfer und wurde am Ende verdienterweise auch Europameister. Nach dem Kampf mit ihm ging es für mich um den dritten Platz. Diesen konnte ich mir schließlich auch mit einem Full Ippon in nur 30 Sekunden sichern.

Nikodem, Du wurdest erneut Deutscher Meister in der Gewichtsklasse bis 62 Kilogramm. Ist mit einem Einsatz im Nationalteam zu rechnen?

Nikodem Figlus: Eine endgültige Zusage habe ich noch nicht erhalten, aber ich gehe davon aus, dass ich bis Anfang nächsten Jahres in den Nationalkader aufgenommen werde. Nach der Deutschen Meisterschaft kam Andreas Kühl, der Trainer des Bundeskaders, auf mich zu und überreichte mir die notwendigen Unterlagen für eine Kaderaufnahme. Doch um tatsächlich Teil des Nationalteams zu werden, reicht es natürlich nicht aus, einfach einen Zettel auszufüllen. Ich muss mich noch beweisen. Aus diesem Grund ist es mein nächstes Ziel, bei den German Open im September eine Medaille zu holen und mir so einen festen Platz zu sichern.

Für Olaf stehen noch die Deutschen Jugend-Meisterschaften in Bernau auf dem Terminplan. Deine Ziele?

Olaf Figlus: Mein Ziel für die Deutschen Jugend-Meisterschaften ist eindeutig der Sieg. Ich möchte mit einer starken Technik antreten, schön kämpfen und schnell gewinnen.

Vor sechs Jahren seid ihr aus dem polnischen Mystowice nach Deutschland gekommen. Was waren die größten Umstellungen?

Nikodem Figlus: Wie man sich denken kann, war es nicht leicht, alles hinter sich zu lassen und praktisch von null anzufangen. Wir kannten hier niemanden und auch die Sprache war uns vollkommen fremd. Damals konnte ich gerade einmal bis zehn zähen und meinen Namen sagen. Generell war unser erstes Jahr hier nicht leicht: Unser gewohntes Umfeld, Freunde und unser Verein waren schließlich in Polen. Mit der Zeit haben wir uns jedoch eingelebt, neue Freunde gefunden.

Und sportlich?

Nikodem Figlus: Trainingstechnisch war die Zeit nach unserem Umzug dahingehend eine Herausforderung, dass es schwierig ist, sich so ganz ohne Verein weiterzuentwickeln. Wir haben zwar wie gewohnt mit unserem Vater weitertrainiert und uns im Keller provisorisch eingerichtet, aber es ist einfach nicht dasselbe, so ganz ohne Halle, Matten und Trainingspartner. Bevor wir nach Deutschland kamen, hatten wir auf hohem Niveau gekämpft, nahmen an vielen wichtigen Wettbewerben teil und hatten zahlreiche Medaillen gewonnen. Dieses Leistungsniveau zu halten, war ein Kraftakt. Unsere Gewohnheit, hart und regelmäßig zu trainieren, half uns jedoch dabei, immerhin stehen wir, seit wir denken können auf der Matte und es ist für uns normal, täglich zu trainieren – und trotzdem ist der Sport mehr für mich also nur Routine. Er gibt mir Halt und bedeutet mir viel, fast wie eine Liebe.

Welche Ziele verfolgt ihr in den kommenden Monaten?

Nikodem Figlus: Wie ich bereits erwähnt habe, ist es mein Ziel, in den Bundeskader aufgenommen zu werden. Über diesen würde ich dann gerne an verschiedenen internationalen Wettkämpfen teilnehmen und auch bei der Europa- und Weltmeisterschaft mitmischen. Abgesehen davon habe ich das gleiche sportliche Ziel wie mein Bruder: so schnell und elegant wie möglich zu gewinnen.

Welchen Einfluss hat Euer Vater Mariusz, welcher auch parallel zu den Einheiten beim Albstädter Budo-Club trainiert?

Nikodem Figlus: Unser Vater hatte und hat einen enormen Einfluss auf uns. Ohne Ihn hätten wir den Sport so wahrscheinlich nie betrieben. Er nahm unser Training immer sehr ernst und hat sich stets gekümmert. Als wir beispielsweise nach Deutschland kamen, musste er noch für fast drei Monate in Polen bleiben, was für Ihn aber kein Grund war, unser Training schleifen zu lassen. Er erstellte Pläne für unsere täglichen Einheiten und ließ sie uns per WhatsApp zukommen. Dass mein Vater auch mein Trainer ist, hat mich aber nie wirklich gestört. Für mich war er immer Antrieb und Unterstützung. Natürlich bringt diese Konstellation einen gewissen Druck mit sich, keine Frage. So hat er uns auch an Tagen, an denen wir eigentlich keine große Lust hatten, etwas zu machen, trotzdem gepusht weiterzumachen. Das war nicht immer einfach, aber letzten Endes bin ich mir sicher, dass wir ohne ihn nicht da wären, wo wir heute stehen.

Beim Albstädter BC haben nach der Pandemie viele Athleten ihre Wettkampf-Laufbahn beendet. Ein Fehler?

Nikodem Figlus: Wir haben immer an allen Wettkämpfen teilgenommen, an denen wir konnten – das gehört für uns einfach dazu. Deshalb fand ich es schade, dass so viele nach der Pandemie mit dem Kämpfen aufgehört haben. Natürlich unterstützt uns der Verein – mit den erfahrenen Kämpfern Marcel Cech, unserem Landesmeister, und Artur Ballardt, dem letztjährigen Deutschen Meister –, aber es wäre schon schön gewesen, wenn das Fighting-Team erhalten geblieben wäre. Es ist einfach etwas anderes, wenn man als Gruppe zusammenkommt und sich gegenseitig zieht. Ich muss aber auch sagen, dass sich diese Entwicklung leider fast überall beobachten lässt. Die Wettbewerbslandschaft hat sich seit der Pandemie stark verändert. Das Niveau ist mehr oder weniger gleichgeblieben, aber die Zahl der Athleten ist zurückgegangen.

Euer Fokus gilt dem Fighting. Was gefällt Euch noch am Ju-Jutsu?

Nikodem Figlus: Es ist einfach ein toller Sport. Mir persönlich gefällt besonders die Flexibilität und Vielseitigkeit, die er bietet. Um im Ju-Jutsu gut zu sein, muss man sich breit aufstellen und neben der Technik auch Ausdauer, Beweglichkeit, Kraft und Schnelligkeit trainieren. Ich schätze auch die Möglichkeit, das Training mit anderen Sportarten zu kombinieren und immer wieder neue Dinge zu lernen. Es wird nie langweilig.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Deutschland und Polen und welche Rolle spielen in Eurer Entwicklung die Bundestrainer?

Nikodem Figlus: Es gibt schon ein paar Unterschiede zwischen unserem Verein hier in Deutschland und dem, in dem wir in Polen trainiert haben. Da wir damals in einer größeren Stadt namens Mystowice gelebt haben, hatte der polnische Verein mehr Mitglieder und somit auch mehr Gegner, gegen die man antreten konnte. Gleichzeitig kann es aber auch schwierig sein, in einer großen Gruppe zu trainieren, da nicht immer auf jeden eingegangen werden kann. Es hat seine Vor- und Nachteile. Ein weiterer Unterschied ist, dass in Polen mehr Gymnastik in das Training integriert wurde, was mir viel Spaß gemacht hat. Ich würde mir wünschen, dass wir das auch hier öfter machen würden. Am Ende spielte es allerdings keine große Rolle, wo und mit wem man trainiert. Das Wichtigste ist, dass man auf der Matte steht und am Ende etwas erreicht.

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