Handball

„Es bricht einiges an Erfahrung weg“: HBW 2-Trainer Micha Thiemann im großen Interview

25.05.2024

Von Larissa Bühler

„Es bricht einiges an Erfahrung weg“: HBW 2-Trainer Micha Thiemann im großen Interview

© Moschkon

HBW 2-Trainer Micha Thiemann blickt auf eine durchwachsene Saison zurück.

Seit vergangenem Sonntag ist klar: Der HBW Balingen-Weilstetten 2 spielt auch 2024/25 in der 3. Handball-Liga. Trainer Micha Thiemann zieht Bilanz – und wagt auch einen ersten Ausblick für seinen nochmals verjüngten Kader.

Herr Thiemann, mit dem Sieg gegen München machte der HBW 2 am vergangenen Wochenende den Klassenerhalt perfekt. Wie groß ist die Erleichterung?

Micha Thiemann: Natürlich sehr groß. Wir waren zwar alle überzeugt davon, dass wir das Ding auch gegen Waiblingen dann gezogen hätten. Es ist ja nicht so, dass mit einer Niederlage vergangene Woche alles vorbei gewesen wäre, auch München hat ja noch ein schweres Spiel gegen Horkheim. Nichtsdestotrotz ist es jetzt schön, auch mit der Art und Weise, wie wir es geschafft haben, zu Hause im letzten Heimspiel und im letzten Spiel von verdienten Spielern. Und wir haben es aus eigener Kraft geschafft. Das war letzte Saison schon komisch, als wir dank der Schützenhilfe von Pfullingen dringeblieben sind.

Was fehlte für den Schritt ins Mittelfeld der Rangliste?

Da kommen ein paar Dinge zusammen. Zuerst einmal müssen wir attestieren, dass ein riesiger, externer Faktor in dieser Saison HT München war. Sie haben in der Rückrunde ohne Ende gepunktet, uns das Leben richtig schwer gemacht. Denn die Punkteanzahl, die wir jetzt haben können, wenn wir noch gegen Waiblingen gewinnen, ist vergleichbar mit den vergangenen Jahren. Wir schneiden also punktemäßig nicht viel schlechter ab als zuvor. Dann kam noch der Spielplan oben drauf. Wir hatten zu Beginn wirklich sehr schwere Gegner. Außerdem haben wir es über die gesamte Saison nicht geschafft, eine konstant gute Wurfqualität hinzubekommen. Das sehe ich als unser größtes Manko an. Wir waren in vielen Spielen, auch gegen die Topteams, wirklich auf Augenhöhe. Aber am Ende hat es dann nicht gereicht und so haben wir es verpasst, endgültig ins Mittelfeld zu kommen.

Dazu kamen immer wieder Ausfälle . . .

Das war auf jeden Fall auch ein Faktor. In den jüngsten Spielen waren auf unserer linken Seite fünf von sechs Spielern verletzt. Wir wollten das nicht groß zum Thema machen, hatten schon Vertrauen auf die Spieler, die da sind. Aber zum Beispiel gegen Erlangen 2 fehlten Mischa Locher, Dennis Fuoß, Louis Mann, Lukas Pawelka und Till Wente verletzt, da blieb nur noch Lars Bänsch. Das hat uns schon hart getroffen. Elias Huber und Tim Grüner aus der ersten Mannschaft haben uns in dieser Phase dann wirklich sehr geholfen. Aber sie hatten null Trainingseinheiten mit dem HBW 2, kamen nur zum Spiel und haben da eine kurze Einweisung bekommen. So konnte man logischerweise auch taktisch in dieser Phase nichts entwickeln. Man kann kadertechnisch nicht immer mit doppeltem Boden planen. Aber die Entscheidung, dass viele Spieler aus der A-Jugend dann eben doch zum TVW gehen, war ein hohes Risiko. Spieler wie Fynn Menzel, Maik Walz oder Sem Banzhaf hätten uns in dieser Phase schon auch gut getan.

Womit sind Sie zufrieden?

Zuallererst natürlich mit dem Ergebnis. Es ist aller Ehren wert, dass wir es in den Druckphasen hintenraus geschafft haben, die entscheidenden Spiele zu ziehen. Wir hatten diese Phase, wo München samstags vorgelegt hat und wir sonntags nachziehen mussten. Da haben wir gegen Neuhausen/Filder und Leutershausen wichtige Heimsiege geholt. Trotz der jeweils schlechten Startphase zu Beginn der Saison und der Rückrunde sind wir nicht nervös geworden. Natürlich war die Stimmung nicht überragend, wir haben einige Dinge etwas härter angesprochen und auch das Team musste intern ein paar Dinge klären. Insgesamt sind wir aber ruhig und beieinander geblieben, haben uns gefangen. Das muss man erstmal hinkriegen. Ich bin auch sehr zufrieden, was die Spielanlage angeht, vor allem im Angriff. Wir haben es geschafft, einen sehr reifen Handball zu spielen. Wir haben ganz wenige unvorbereitete Würfe genommen – nur leider eben nicht qualitativ hochwertig abgeschlossen. Aber dann war unser Rückzug wirklich gut und konsequent. Und auch die Entwicklung der Einzelspieler war erfreulich.

Inwiefern?

Mischa Locher hat einen riesigen Schritt gemacht. Bennet Strobel hat innerhalb von ein paar Monaten sein erstes Drittliga-Spiel absolviert und war dann in den entscheidenden Spielen jetzt sogar Kreisläufer Nummer eins. Er macht vor allem in der Abwehr einen tollen Job. Danil Dyatlov hat in seinem ersten Drittliga-Jahr jetzt schon 115 Feldtore gemacht. So waren einige Entwicklungen dabei, die durchaus positiv waren und gerne so weitergehen dürfen.

Das Mannschaftsgefüge wird sich nun doch stark verändern. Sieben Spieler, darunter auch Kapitän Jan Bitzer, verlassen den HBW 2 . . .

Für unsere Verhältnisse ist das schon ein Umbruch. Wir hatten über zwei Jahre hinweg einen relativ konstanten Kader. Aber für eine Nachwuchsmannschaft ist es eben doch auch völlig normal, dass die nächste Generation nachrückt. Für viele Spieler wie Dennis Fuoß, Silas Wagner oder auch Louis Dück ist es jetzt genau der richtige Schritt, bei einer ersten Mannschaft eine andere Rolle einzunehmen. Aber es bricht eben auch einiges an Erfahrung weg. Die jüngeren Spieler, die den nächsten Schritt machen sollen, können jetzt nicht mehr darauf hoffen, dass ein anderer die Verantwortung übernimmt. Sie müssen das Ding jetzt an sich reißen. Jeder ist von Anfang an gefordert, dass wir auch im nächsten Jahr die Liga halten können.

Bei den Neuverpflichtungen ragt bislang Magnus Bierfreund heraus. Ihre Einschätzung?

Das ist für uns wirklich ein außergewöhnlicher Transfer. Wir haben es geschafft, einen Torhüter von uns zu überzeugen, der auch schon etwas andere Luft geschnuppert hat. Er hätte sicherlich auch woanders höherklassig spielen können. Da waren wir zum richtigen Zeitpunkt da, haben ja schon im Jahr davor gute Vorarbeit geleistet. Seit ich HBW 2-Trainer bin, habe ich noch nie so viele Rückmeldungen und Gratulationen für einen Transfer bekommen. Aber wir dürfen keine Wunderdinge erwarten. Er ist ein ganz junger Torhüter, der nachgewiesen hat, dass er auf ganz hohem Niveau funktionieren kann. Mit Magnus und Nik Hajdu haben wir ein äußerst spannendes Duo auf der Torhüterposition.

Typischer sind da die Verpflichtungen von Sem Banzhaf und Daniel Flad. Was erwarten Sie von ihnen?

Ja, das sind klassische HBW 2-Transfers, die einfach Sinn machen. Die Jungs müssen sich einbringen, aber wir erwarten nicht, dass sie von Anfang an auf ganz hohem Niveau performen. Sie werden Schritt für Schritt herangeführt. Wir trauen ihnen das absolut zu.

Sind noch weitere Verpflichtungen geplant?

Wir sind in finalen Gesprächen mit einem Kreisläufer. Mit Strobel sind wir dann am Kreis gut aufgestellt. Und da können wir ja auch aus der A-Jugend nachfüttern.

Ein Routinier, der dem jungen Team Stabilität geben könnte, war keine Überlegung?

Es darf eben nicht einfach ein erfahrener Spieler sein, den wir für viel Geld holen. Da gibt es nur einen kleinen, ausgewählten Kandidatenkreis, der überhaupt infrage kommt. Das sind auch Leute, die einspringen können, wenn es Probleme gibt. Nichtsdestotrotz waren wir kurzzeitig auch in Gesprächen mit Mario Ruminsky, ob er es sich vorstellen könnte. Aber letztendlich wollte er einfach jetzt nichts im Handball machen. Louis Mann ist also in der kommenden Saison unser ältester Spieler – mit dann 23 Jahren. Das ist schon ein Wort. Unsere erste Sieben wird einen Altersdurchschnitt von etwa 20 Jahren haben.

Allgemein zur 3. Liga: Gab es etwas, das sie überrascht hat?

Das gibt es jedes Jahr. Nicht immer sind die Mannschaften oben oder unten, die man da erwartet hatte. Ein Stück weit überrascht hat mich, dass Oppenweiler sich nicht ganz oben festgebissen hat. Aber das ist schon auch erklärbar, sie hatten Verletzungsprobleme, einen neuen Trainer, ein neues Spielsystem. Aber sie haben es ja trotzdem noch in der Hand, die Aufstiegsrelegation zu erreichen. Pfullingen ist schwach gestartet, kam dann aber umso stärker aus dem Loch raus. Bei München war die Rückrunde überraschend, wie viel sie noch gepunktet haben. Aber im Endeffekt: Unten stehen die drei Aufsteiger, dann kommen die drei Bundesliga-Perspektiven, ein breites Mittelfeld und vorne die üblichen Verdächtigen.

Wo soll 2024/25 der Weg des HBW 2 hingehen?

Durch den sehr wahrscheinlichen Abstieg des HBW 1 ist – wie vor zwei Jahren auch – die Möglichkeit schon noch mal gestiegen, dass meine Jungs oben andocken können. Viele Spieler sind jetzt in dem Alter, wo sie diesen Schritt machen können. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass mehr als ein Spieler den Sprung nach oben schafft. Ich denke da zum Beispiel an Till Wente oder Mika Schüler, auch Mischa Locher und Danil Dyatlov können in diese Bereiche vorstoßen. Bennet Strobel hat noch ein bisschen Zeit, aber es ist auch seine Perspektive. Das Gleiche gilt für Magnus Bierfreund. Der kommt nicht hier her, um dauerhaft 3. Liga zu spielen. Und wer weiß, vielleicht geht es ja beim einen oder anderen sehr schnell. Das hat man bei Patrick Volz damals gesehen, wie sich da eine Verletzung beim HBW 1 auswirken kann. Da war er dann schnell oben mit dabei. Als Mannschaft müssen wir jetzt noch enger zusammenrücken. Wir müssen noch einen Tick härter arbeiten, noch etwas mehr trainieren. Wir müssen die Erfahrung, die uns wegbricht, über andere Dinge, wie maximalen Willen und Zusammenhalt, aber auch Qualität kompensieren. Das ist nur über viel Arbeit machbar. Da freue ich mich auch auf die Zusammenarbeit mit Matthias Flohr.

Für zahlreiche Spieler steht heute (19.30 Uhr) das letzte HBW 2-Spiel an. Neben den Torhütern Teo Mestrovic (Ziel unbekannt) und Laurenz Künzel (TV Weilstetten) verlassen auch Jan Bitzer (TV Weilstetten), Dennis Fuoß (HSG Albstadt), Silas Wagner (VfL Pfullingen), Louis Dück (TSB Horkheim) und Bastian Oesterle (TuS Schutterwald) den schwäbischen Perspektivkader. Vorher soll aber nochmal ein weiterer Erfolg gelingen – beim designierten Absteiger VfL Waiblingen. Wenn sich die „Jung-Gallier“ durchsetzen, beenden sie die Runde auf dem zwölften Tabellenplatz. Ein letztendlich versöhnliches Ergebnis für die Schwaben. Neben Waiblingen müssen auch HT München und die TGS Pforzheim wieder runter. Ob ein Team den Sprung in die 2. Liga schafft, ist noch unklar. Konstanz hat den Einzug in die Aufstiegsrunde gesichert, Oppenweiler/Backnang und Würzburg spielen heute um das zweite Ticket. Gegen die Top Zwei aus Nord-West, Nord-Ost und Süd-West kämpfen sie dann um zwei Zweitliga-Plätze. „Egal wer es neben Konstanz wird: Die Mannschaften haben eine hohe Qualität. Trotzdem glaube ich, dass die Vereine aus den anderen Staffeln ein paar Möglichkeiten mehr haben. Die haben schon richtig aufgerüstet“, sieht HBW 2-Trainer Micha Thiemann die Südvertreter eher als Außenseiter.

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