Erinnern ist heute wichtiger denn je: Prominente Referentinnen im Lautlinger Stauffenbergschloss
23.07.2019
Am Montag besuchte die Landtagspräsidentin Muhterem Aras im Rahmen ihrer jährlichen Gedenkstättenreise die Stauffenberg-Gedenkstätte im Lautlinger Schloss. Der Vortrag der Professorin Dr. Angela Borgstedt widmete sich dem Thema „Mut bewiesen. Widerstand gegen den Nationalsozialismus und Widerstand heute“.
Die Stadt Albstadt, die Landeszentrale für politische Bildung und der Landtag Baden-Württemberg luden gemeinsam mit den Museen am Abend zum Vortrag „Mut bewiesen. Widerstand gegen den Nationalsozialismus und Widerstand heute“ der Mannheimer Professorin Dr. Angela Borgstedt ein.
„Wer Mut zeigt, macht Mut“
Die zahlreichen Gäste wurden von Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und Landtagspräsidentin Muhterem Aras begrüßt. Ihr Grußwort stellte Aras unter das Motto „Wer Mut zeigt, macht Mut“ (Adolf Kolping).
Sie erinnerte an Matthias Erzberger, das erste prominente Opfer des aufkommenden rechtsradikalen Regimes. Und sie erinnerte an Heinrich Herrmann, der sich als Hausvater der Taubstummenanstalt in Wilhelmsdorf weigerte, seine Schutzbefohlenen der sogenannten Euthanasie auszuliefern. Er war einer der wenigen, die Widerstand leisteten.
Unter den Besuchern war auch Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg. Er ist der dritte Sohn von Claus Schenk Graf von Stauffenberg – der berühmte Hitler-Attentäter. Dem Widerstandskämpfer ist im Lautlinger Stauffenbergschloss, dem einstigen Familiensitz der Stauffenbergs, eine Gedenkstätte gewidmet.
Was kann jeder einzelne tun?
Die Historikerin Prof. Dr. Angela Borgstedt ist Geschäftsführerin der Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten am Historischen Seminar der Universität Mannheim. Sie begann ihren Vortrag mit der Frage „Was kann der Einzelne tun, wenn eine Diktatur etabliert ist?“
Für die heutige dritte Nachkriegsgeneration ist kaum nachvollziehbar, was zwischen 1933 und 1945 geschah. Die Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte gestaltete sich dabei in jeder Generation anders. Lange war der Widerstandsbegriff nur auf den militärischen Widerstand bezogen und anderen Widerstandsformen wurden ignoriert.
Kritische Auseinandersetzung fehlte
Heldenlegenden und Mythenbildung verhinderten zudem anfänglich eine kritische Auseinandersetzung mit den „Widerständlern“. Auch die Diskussion darüber, was „Widerstand“ genau bedeutet, wird heute noch durchaus kontrovers geführt.
Angela Borgstedt erklärte an mehreren persönlichen Schicksalen verschiedene Formen des Widerstands. Dazu gehören die wenigen „widerständigen“ Pfarrer der evangelischen und der katholischen Kirche. Beide christliche Kirchen fanden mit dem aufkommenden Nationalsozialismus Gemeinsamkeiten, vor allem in den antimodernistischen und antibolschewistischen Tendenzen.
Zeugen Jehovas verweigerten Kriegsdienst
Ausnahmen bildeten z.B. der Donaueschinger Pfarrer Heinrich Feuerstein, der gegen den Polenfeldzug und die Euthanasie predigte. Er bezahlte dies mit seinem Leben, 1942 starb er im KZ Dachau an den Folgen seiner Haft. Auch die Zeugen Jehovas leisteten Widerstand, indem sie konsequent den Kriegsdienst verweigerten.
Seit einigen Jahren wird der sogenannte Rettungswiderstand erforscht, dazu gehören beispielsweise ein Netzwerk von Personen, die Juden zur Flucht in die Schweiz halfen, oder die 60 evangelischen Pfarrhäuser, die dem verfolgten jüdischen Ehepaar Max und Ines Krakauer Unterschlupf boten und damit deren Leben retteten.
Die Motive des Widerstandes
Die Motive der Widerständler waren unterschiedlich: Wahrung ethischer Maßstäbe, Selbstbehauptung, Unterstützung Verfolgter. Die Männer des 20. Juli wollten v.a. das Unrechtsregime beseitigen. Und sie wagten den großen Schritt durch das Attentat.
Zum Schluss ihres Vortrages betonte Borgstedt nochmals die Wichtigkeit des Erinnerns an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Rezeption. Das Erinnern klärt auf, wie schnell der Umbau eines Rechtsstaates erfolgen kann, wie schnell Grundrechte abgeschafft werden können.
Widerstand im Grundgesetz
Nicht vergessen werden darf, dass der Widerstand konstitutiv für unsere heutige Gesellschaft ist. So gestattet das Grundgesetz in Paragraf 20 ausdrücklich den Widerstand, wenn gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung der Bundesrepublik verstoßen wird.
Gerade in der heutigen Zeit, in der der Populismus um sich greift, das sogenannte Dritte Reich auf ein kleines Kapitel der deutschen Geschichte reduziert wird und eine Auseinandersetzung mit der Ideologie und der Politik dieser Zeit unerwünscht ist, ist das Erinnern an den Kampf der Widerständigen gegen das Regime wichtiger denn je. Auch heute sind Mut, Zivilcourage und der aufrechte Gang notwendig für die Verteidigung der freiheitlichen Rechte.
Im Anschluss an den Vortrag zeigten Schülerinnen des Gymnasiums Ebingen ihren Film mit dem Titel „Mut – Zivilcourage – Tapferkeit – Heldentum.