Rosenfeld

Einserschüler, der immer für andere da ist: Land fördert Lucien Smarsly aus Bickelsberg

20.02.2024

Von Rosalinde Conzelmann

Einserschüler, der immer für andere da ist: Land fördert Lucien Smarsly aus Bickelsberg

© Privat

Lucien Smarsly wird vom Land bis zu seinem Abitur in zwei Jahren gefördert.

Jüngst hat Kultusministerin Theresa Schopper verkündet, dass das Land die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium bereits zum übernächsten Schuljahr anvisiert. Ob Lucien Smarsly Anteil daran hat, dass es nun schneller geht als gedacht? Wer weiß. Denn der 17-Jährige hat der Ministerin bei „Talent im Land“ in Stuttgart unverblümt gesagt, dass G8 die falsche Entscheidung war. Zuvor hat er mit ihr allgemein über Schule geplaudert. Wie tickt das junge Talent?

Lucien Smarsly ist einer von 56 Stipendiaten, die Baden-Württemberg im Rahmen des Bildungsprogramms Talent im Land (TiL) fördert. Die feierliche Aufnahme der Stipendiaten war im Februar im Neuen Schloss in Stuttgart. „Das war ganz schön glamourös“, schwärmt der Teenager, der von Rosenfelds Bürgermeister Thomas Miller, seiner ehemaligen Progymnasium-Lehrerin Felicitas Schoder, seinem Mathelehrer Robin Eger sowie seinem Pfadi-Kameraden Michael Klinger begleitet wurde.

Einserschüler, der immer für andere da ist: Land fördert Lucien Smarsly aus Bickelsberg

© Privat

Die Festveranstaltung in Stuttgart mit allen geförderten Talenten war ein feierlicher Akt (von links): Rosenfelds Bürgermeister Thomas Miller, Kultusministerin Theresa Schopper, Lucien Smarsly, seine ehemalige Englisch- und Geschichtslehrerin Felicitas Schober und sein aktueller Mathelehrer Robin Eger.

Es war ihm wichtig, dass seine Lehrer dabei sind, denn er hat es Felicitas Schoder zu verdanken, dass er den Weg zum Abitur nun unbeschwerter gehen kann. Von ihr hat der Schüler den Flyer zur Talentförderung bekommen. Da war es kurz vor knapp, am selben Tag noch sollte die Rückmeldung erfolgen. „Es war ein Mittwoch und ich hätte nach den Pfadis noch lernen sollen“, erzählt der Einser-Schüler. Er bekam nach einem Anruf beim TiL-Zuständigen Andreas German Aufschub, hat seinen handschriftlichen Lebenslauf und eine persönliche Beschreibung abgeschickt und erst einmal gewartet.

Er ist ein Perfektionist

Für die restlichen Unterlagen, die noch benötigt wurden, hat der Schüler die ganze Nacht durchgearbeitet. Er hat unzählige Entwürfe gefertigt und wieder verworfen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Das Resultat: Er ist tags darauf in der Mathestunde eingeschlafen. Diese Episode offenbart eine Eigenschaft des Teenagers, die ihn so weit gebracht hat: Lucien ist ein Perfektionist.

Zeit war schnell um

Der Linkshänder, der seine Handschrift als nahezu unleserlich bezeichnet, hat beim Auswahltag in Stuttgart im Juni die anderen Talente, die es in die engere Auswahl geschafft hatten, kennengelernt. Beim Einzelgespräch mit den Jurymitgliedern ist er über die erste Frage nicht hinausgekommen. Diese lautete: Was machst Du? Als der Gymnasiast, der gerne programmiert und aus Elektronikteilen Neues zusammenbastelt, mit der Antwort fertig war, war die Zeit um.

Erleichterung ist groß

„Du bist dabei – Du hast ein Stipendium bekommen.“ Als Lucien Smartly diese Nachricht am 12. Juli erreicht hat, hat er sie erst am nächsten Tag begriffen, erzählt er. Dass er es unter 500 Bewerbern geschafft hat und zu den 56 Auserwählten gehört, hat er im ersten Moment nicht fassen können. Neben der Freude und der großen Dankbarkeit habe er eine große Erleichterung gespürt.

Einserschüler, der immer für andere da ist: Land fördert Lucien Smarsly aus Bickelsberg

© Privat

Lucien ist ein leidenschaftlicher Pfadfinder (hier bei einer Reise nach Schweden). Nur einer seiner vielen ehrenamtlichen Posten.

Denn die Frage Laptop oder Führerschein habe sich damit erledigt. Lucien, der als Sohn einer alleinerziehenden Mama, früher nicht einfach so in den Europapark konnte und nie so viel Geld wie seine Alterskameraden hatte, wird nun den Führerschein machen und bis zum Abitur von der BW-Stiftung unterstützt. Sei es für Lernmaterial wie den schicken neuen Laptop oder eine Klassenfahrt.

Er muss nicht viel lernen

„Ich muss für meine guten Noten nicht viel tun, bin aber sehr ehrgeizig“, sagt der 17-Jährige, der seit 2020 in Bickelsberg lebt. Er hat erst in Rosenfeld das Progymnasium besucht und ist nun in der IT-Klasse der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Balingen und bereitet sich auf sein Abitur im Jahr 2026 vor.

Er ist ein Einserschüler

Im letzten Zeugnis hatte er einen Notenschnitt von 1,1. Es kommt ihm zugute, dass er in der Schule konzentriert mitarbeitet und sich nicht ablenken lässt. Mehr Zeit zum Lernen hätte er gar nicht, denn der 17-Jährige ist nach der Schule eigentlich ständig on Tour. Er ist Gruppenleiter bei den Rosenfelder Pfadfindern und engagiert sich auch auf Landesebene. Im Übrigen seine größte Leidenschaft. „Pfadis, es gibt nichts Besseres“, meint der Wuschelkopf lachend.

Pfadis sind das Größte

Doch auch bei der Feuerwehr, erst bei der Jugend, seit kurzem bei den Aktiven, ist Lucien zuhause. Ebenso wie beim DRK, „meine Familie“, wie er sagt. Sein digitaler Terminkalender ist durchgetaktet: Lucien gibt noch Nachhilfeunterricht und ist in der neuen Schule Klassensprecher.

Sein außergewöhnliches Engagement ist neben den guten Noten der Grund, warum Lucien Smarsly in das Bildungsprogramm aufgenommen wurde. „Wenn ich helfen kann, ist es einfach ein gutes Gefühl“, nennt er die Motivation für seine vielfältigen Aktivitäten.


Alles besondere Talente

Mit der Aufnahme in das Programm hat der Bickelsberger viele tolle Menschen kennengelernt. Die Stipendiaten tauschen sich regelmäßig aus. Die Vernetzung ist bestens. Auch persönliche Treffen stehen an. „Jeder hat oder kann etwas Besonderes“, erzählt der Computerfreak. Einer habe sich selbst das Klavierspielen beigebracht.

Mehr Mitbestimmung in der Politik

Lucien Smarslys Tag ist mehr als ausgefüllt. Trotzdem bleibt ihm noch Zeit, um sich über das Welt- und Politgeschehen zu informieren. Er ist sehr spontan und ein guter Beobachter, der das Erlebte reflektiert. So hat er Ministerin Schopper beim persönlichen Gespräch offen und ehrlich erlebt. „Auf der Bühne war sie aber ganz Politikerin“, sagt er. Eigentlich hatte auch Bundesminister Cem Özdemir zum Festakt zugesagt, sich dann aber entschuldigt. Lucien wird ihm nun schreiben: „Ich will ihn fragen, ob er mich mal nach Berlin mitnimmt.“ Auch für Wirtschaftsminister Habeck hat der clevere Teenager einen Rat: „Lass Dich nicht unterkriegen.“ Er würde sich in der Politik mehr Mitbestimmung wünschen: „So wie in der Schweiz.“

Die Zeit am Progymnasium war für den Vorzeigeschüler prägend. Er schwärmt von der menschlichen Atmosphäre an der Schule und hat noch immer Kontakt zu seinen ehemaligen Lehrern, die das Potenzial, das in ihm steckt, gesehen und gefördert haben. „Ich bin allen dankbar“, betont er erneut.

Er will Notarzt werden

Lucien Smarsly hat klare Vorstellungen, wie es mit seinem Leben weitergehen wird. Er will weiterhin Menschen helfen und für sie da sein und deshalb Notarzt werden. Ebenso möchte er in Rosenfeld bleiben und sich weiter dort einbringen. Auch, weil er dort viele Freunde hat. Die Talentförderung unterstützt ihn bei diesem Weg und macht es ihm leichter, weil er nicht auf jeden Cent schauen muss und seiner Familie nicht auf der Tasche liegt. Diese Selbstständigkeit ist ihm wichtig – und ein Pfeiler seines bisherigen Erfolgs.

Seit 20 Jahren Talentförderung

Das von der Baden-Württemberg Stiftung und der Josef Wund Stiftung getragene Stipendienprogramm Talent im Land (TiL) fördert begabte Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg, die auf dem Weg zum Abitur Hürden zu überwinden haben. Die 56 Stipendiatinnen und Stipendiaten sind eine vielfältige Gruppe. Nur ein knappes Drittel ist in Deutschland geboren. Die Altersspanne reicht von 13 bis 21 Jahre, über die Hälfte ist zwischen 16 und 17 Jahre alt.

Das Programm besteht seit 20 Jahren. In dieser Zeit wurden über 1000 Jugendliche, darunter zwei Drittel Mädchen, gefördert. Das Gesamtbudget pro Kalenderjahr beträgt jeweils rund eine Million Euro.

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