Balingen

Eine Wunde im Paradies: Ostdorfer Grundstücksbesitzer hinterfragt das Regenüberlaufbecken

03.05.2019

Von Nicole Leukhardt

Eine Wunde im Paradies: Ostdorfer Grundstücksbesitzer hinterfragt das Regenüberlaufbecken

© Nicole Leukhardt

Die Idylle ist getrübt: Bagger fressen sich ins Erdreich hinterm Haus des Ostdorfers Gerhard Sieber. Dort entsteht ein Regenüberlaufbecken.

Gerhard Sieber aus Ostdorf hat seit einem halben Jahr eine große Baustelle hinterm Haus. Die Zu- und Ableitungen des neuen Regenüberlaufbeckens Kaltenbrunnen führen direkt über sein Grundstück. In seinen Augen ist der Bau überdimensioniert.

„Für uns ist es ein Fiasko“, sagt Gerhard Sieber. Jeden Tag wirft er einen Blick von seinem Balkon hinunter zum Talbach, der sich malerisch durch die Wiese unterhalb der Ostdorfer Felsenstraße schlängelt. Die paar Schafe mit ihren Lämmern, die in der Nachmittagssonne grasen, würden das Idyll perfekt machen, wären da nicht die großen Baumaschinen, die sich nebenan ins felsige Erdreich fressen.

Mitten im Grün baut die Stadt derzeit das Regenüberlaufbecken Kaltenbrunnen. Kein sichtbares Becken soll es werden, sondern ein sogenannter Stauraumkanal, der aus großen Betonrohren mit 1,80 Metern Durchmesser besteht. Der Kanal selbst befindet sich zwar nicht auf dem Grundstück von Gerhard Sieber. „Aber die Zuleitung führt quer darüber“, sagt er.

Enteignung stand im Raum

Als die Stadt vor sechs Jahren mit dem Anliegen auf das Ostdorfer Ehepaar Sieber zukam, war die Begeisterung nicht groß. „Wir haben gesagt, wir wollen das nicht, das Bauwerk ist total unnötig“, erinnert sich Gerhard Sieber. Die Stadt habe in Gesprächen dann recht schnell klar gemacht, dass die Einwände der Anlieger wenig Gewicht haben. „Uns wurde rasch mit Enteignung gedroht“, sagt der Ostdorfer Schreiner, der das Stückle am Talbach hinter seinem Haus Mitte der Siebziger Jahre gekauft hat.

Was das Paar am meisten ärgert, ist die Dimension des Bauwerks, dessen Baukosten die Stadt mit 685.000 Euro beziffert. Hochwasser führe der Talbach bei Starkregen hin und wieder, erzählt er. Dann trete der Bach über die Ufer und überschwemme die angrenzenden Wiesen. Die Wohnbebauung liege indes viel höher und sei noch nie vom Hochwasser tangiert gewesen. „Uns hat man erklärt, man wolle verhindern, dass Fäkalien in den Bach gelangen“, sagt Gerhard Sieber. Aus einem alten Rohr könnten diese austreten, wenn es stark regne, hieß es.

Für die Siebers kein nachvollziehbarer Grund: „Aus dem alten Rohr ist die letzten 30 Jahre noch nie etwas ausgetreten, wenn der Bach richtig viel Wasser führt, gibt es im Rohr eher einen Rückstau, als dass etwas rauslaufen würde“, erklärt er.

Niemand wollte den Stauraumkanal

Und Gerhard Sieber ist nicht der Einzige, der das Bauwerk in Frage stellt.

„Bei diesem Vorhaben gab mehrere Anwohner und Grundstückseigentümer, die Einwendungen hatten, insbesondere dagegen, dass der Stauraumkanal auf ihrem Grundstück errichtet wird“, sagt auch Balingens Rathaussprecher Jürgen Luppold auf ZAK-Nachfrage. Die Stadt habe daher mehrere Vorschläge für einen Standort untersucht.

„Dieses Verfahren und auch die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern zogen sich über mehrere Jahre hin“, so Luppold. Nun liege der eigentliche Kanal zwar auf städtischem Gelände. „Allerdings ist es auch bei diesem Standort unvermeidlich, dass Zu- und Ablaufleitungen des Regenüberlaubeckens über privates Gelände führen.“

Das Landratsamt Zollernalbkreis habe sein wasserrechtliches OK gegeben. Auch dagegen haben die betroffenen Grundstückseigentümer Einwände vorgebracht, die jedoch letztendlich vom Regierungspräsidium Tübingen zurückgewiesen wurden. Der Balinger Gemeinderat hat die Bauarbeiten im Oktober 2018 vergeben, die ersten Bagger sind Mitte November 2018 angerückt. „Die Arbeiten werden voraussichtlich bis Ende Juni abgeschlossen sein“, sagt Jürgen Luppold.

Eine Wunde im Paradies: Ostdorfer Grundstücksbesitzer hinterfragt das Regenüberlaufbecken

© Gerhard Sieber

Dicke Betonrohre bilden künftig das als Stauraumkanal angelegte Regenüberlaufbecken Kaltenbrunnen in Ostdorf.

Dass die Bagger sogar Sondermüll zutage gefördert hätten, weist die Stadtverwaltung indes zurück. Man habe aufgefüllten Boden mit Bauschuttresten vorgefunden, der beprobt und chemisch analysiert worden sei. „Der Aushub wurde vom Gutachter als sogenanntes Z-2-Material eingestuft und wird nun einer entsprechenden Verwertung zugeführt“, schreibt Luppold. Diese Beprobung sei Routine.

„Für uns war das eine Oase“

Für die Siebers ist das ein schwacher Trost. „Auf unserem Grundstück bleiben durch Schächte sichtbare Beeinträchtigungen zurück“, sagt Gerhard Sieber. Seine Frau schmerzt vor allem, dass zwei Tannen und ein Nussbaum gefällt werden mussten. „Für uns verliert unser Stückle an Wert, wir fürchten eine Geruchsbelästigung. Dabei war das war mal eine richtige Oase“, sagt sie.

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