Eine Standardsituation macht den Unterschied

29.10.2018

von Marcel Schlegel

Beim ambitionierten Mitaufsteiger FC 08 Homburg kassierte die TSG Balingen eine knappe 0:1-Niederlage. In Durchgang eins generierte die Volkwein-Truppe ein klares Chancenplus, blieb aber torlos.

Wie groß ist der Unterschied zwischen einem Profiverein, der in Liga drei strebt und einem Amateurklub, für den die Fußball-Regionalliga Südwest wohl das höchste der Gefühle sein dürfte? Eine Standardsituation.

Eine Standardsituation macht den Unterschied

© Eibner

Nach einer dramatischen Endphase verlor die TSG Balingen mit 0:1 in Homburg. Das Tor des Tages erzielten die Hausherren ausgerechnet nach einem Standard.

Zumindest manchmal. Und zumindest, wenn man Ralf Volkwein glaubt. Der Coach des Balinger Branchenneulings jedenfalls erklärte sich die 0:1-Pleite der Württemberger am Samstag beim FC 08 Homburg ebenso – stark verkürzt, versteht sich: Die Homburger hätten letztlich eine solche Standardchance gebraucht, um ein Aufsteigerduell zu gewinnen, das eigentlich „ein klassisches Unentschieden-Spiel“ gewesen sei, fand Volkwein.

Die Chronologie der besagten Szene: In der 49. Minute kam Homburgs Christopher Theisen im Strafraumzentrum mit dem Kopf an eine Freistoßflanke von Maurice Neubauer, der Ball zappelte im Netz, TSG-Keeper Marcel Binanzer war chancenlos.

Warum verwies Volkwein im Anschluss an die Partie im Waldstadion so vehement auf diese Szene: weil sie für ihn symbolträchtig war. Denn mit dem Kopfballtor drehte die Mannschaft von Trainer Jürgen Luginger eine Partie, in der noch in der ersten Halbzeit in Summe die Kreisstädter die besseren Chancen und auch mehr Standards gehabt hatten.

Doch in der Anfangsphase agierten die Schwaben nach Ballgewinnen zu hektisch, suchten zu schnell den Ball in die Spitze und vertändelten auf diese Weise einige aussichtsreiche Situationen. Das andere Mal verpassten es die Rot-Schwarzen, Überzahlsituationen gekonnt auszuspielen, schlossen zu früh ab oder zu unpräzise. Und auch die Standards, eigentlich eine Waffe der TSG, brachten nichts ein.

Auch hier die Abfolge: Nils Schuon schoss nach Konter über Stefan Vogler und Sascha Eisele das Leder in die zweite Reihe (13. Minute); der starke Youngster Cedric Guarino, der sein Startelfdebüt feierte, zielte aus spitzem Winkel am Homburger Lattenkreuz vorbei (20.) – und Daniel Seemann, für Patrick Lauble (noch nicht ganz fit) von Beginn an auf dem Feld, vergab später gleich zweimal: Erst parierte Nullacht-Keeper David Salfeld nach Schuon-Guarino-Kombination gegen den frei stehenden Balinger (25.), eine Minute später verzog Seemann im Strafraum nach einer Müller-Flanke (26.).

Derlei Szenen, zumeist unspektakulär im Ergebnis, hatte die TSG im ersten Durchgang noch einige. Homburg indes war nur einmal gefährlich gewesen: bei einem Drehschuss von Patrick Dulleck in der 43. Minute, der knapp drüber ging. Die Fans der Saarländer begannen also schon zu murren, als den Homburgern nach der Pause das Siegtor gelang.

Nach der Führung übernahm der Ex-Erstligist dann im eigenen Rund das Steuer, teils brannte es im Balinger Strafraum in der zweiten Hälfte lichterloh und die Truppe um Ex-Schalke-Profi Luginger schiffte ihren achten Sieg im 25. Spiel auch über die Nachspielzeit.

Die TSG ist nun in guter Gesellschaft: Vor dieser Tribüne zogen zu Homburger Erstligazeiten unter anderem der FC Bayern München (3:2) und der VfB Stuttgart (4:2) Ende der 80er-Jahre den Kürzeren. Außerdem strebt der FC 08 auch zurück in die Profiligen. Ein kleiner Trost.

TSG Balingen: Binanzer; Adrian Müller, Eisele, Schmitz, Pflumm, Schuon, Gil (81. Scherer), Pettenkofer, Guarino (72. Akkaya), Seemann (69. Lauble), Vogler.

Tor: 1:0 Theisen (49.).

Schiedsrichter: Martin Kliebe (Kassel).

Zuschauer: 870.

Eine Standardsituation macht den Unterschied

Betrübte Gesichter bei der TSG Balingen. Für Matthias Schmitz und seine Teamkollegen wären bei der 0:1-Pleite in Homburg sogar drei Punkte drin gewesen. Es mangelte aber wieder einmal an der Chancenverwertung. Foto: Eibner

„Wir hatten einen Punkt verdient“

Noch vor dem Heimspiel des FC 08 Homburg gegen die TSG Balingen hatte Homburgs Trainer Jürgen Luginger verkündigt: Wenn man in der Viertliga-Spitzengruppe bleiben wolle, müsse man den Aufsteiger von der Schwäbischen Alb schlagen. Am Ende folgte auf den Hochmut des früheren Bundesliga-Fußballers kein Fall. 1:0 gewann der Saarland-Klub. In der ersten Halbzeit indes war das 0:0 schmeichelhaft gewesen. Da hatte die TSG den Ex-Erstligisten beherrscht, die 870 Fans im Waldstadion zum Meckern gebracht. „Wir wollten die Homburger ärgern“, sagte deren Coach Ralf Volkwein. „Das ist uns gelungen. Doch leider nur phasenweise.“ Insgesamt habe seine Elf „sehr vieles richtig gemacht“, habe defensiv solide gestanden und „sehr viel Herz und Leidenschaft“ gezeigt, so Volkwein weiter. Der 45-Jährige fügt hinzu: „Wir hatten einen Punkt verdient.“ Das sah am Ende Luginger nicht anders. „Wir hätten das zweite Tor nachlegen müssen, das haben wir verpasst“, sagte der frühere Schalker, „so wurde es ein Kampfspiel, das wir eigentlich vermeiden wollten.“ Luginger räumte unumwunden ein: „Wir haben schon besser gespielt, waren teils verunsichert und müssen zulegen. Doch wichtig waren die drei Punkte.“ Und die hatte Luginger im Vorfeld gefordert. Nichts anderes. Nach dem Wie fragt ab sofort niemand mehr. Auf Hochmut folgt nicht immer der Fall. MAS

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