Balingen

Eigenproduktion der Stadthalle Balingen: Ahmed Mnissi spielt die Hauptrolle hinter der Bühne

26.02.2020

Von Renate Deregowski

Eigenproduktion der Stadthalle Balingen: Ahmed Mnissi spielt die Hauptrolle hinter der Bühne

© Ahmed Mnissi

Ahmed Mnissi beim Frisieren der Perücke für Minerva, die Göttin der Weisheit.

In einer zeitgemäßen Überarbeitung präsentiert die Stadthalle Balingen ihre neueste Eigenproduktion: „Orpheus aus der Unterwelt“, eine Operette aus der Feder von Jacques Offenbach. Wenngleich Ahmed Mnissi nicht auf der Bühne zu sehen sein wird, so wird es seine Arbeit sein. Unsere Mitarbeiterin Renate Deregowski hat mit dem Leiter der Maske gesprochen.

Ahmed, du bist freiberuflicher Hair- und Make-Up-Artist. Erzähl doch mal ein wenig über dich.

Ahmed Mnissi: Ich komme aus der Region, genauer genommen aus Bodelshausen. In Mössingen habe ich eine Ausbildung zum Friseur absolviert, danach habe ich meinen Meister gemacht. Beim Maskenbildner bin ich Autodidakt und habe in meiner Zeit in Mössingen einiges an Erfahrungen sammeln dürfen. Unter anderem habe ich bei einer Musicalproduktionen in Triberg in der Maske mitgearbeitet und übernahm bei den Produktionen des evangelischen Firstwald-Gymnasiums Mössingen die Maske. Größere Städte haben mich aber immer gereizt.

Und so bist du nach Stuttgart gekommen?

Mnissi: Genau. Meinen Festvertrag bei einer Friseurfirma habe ich gegen einen befristeten getauscht und bin durch Glück oder – wer weiß – Schicksal bei „Tanz der Vampire“ in der Maske eingestiegen. Der damalige Maskenchef aus Triberg ist auch Maskenchef des Palladium-Theaters im SI-Centrum. Im Anschluss war ich noch für sechs Monate in Hamburg und für acht Monate in Köln auf Tour. Parallel zu Hamburg übernahm ich erstmals eine Maskenleitung – bei der Eigenproduktion der Stadthalle Balingen von „La Bohème“. Zurück in Bodelshausen machte ich mich als freiberuflicher Hair- und Makeup-Artist selbstständig und Stuttgart zu meiner neuen, alten Basis. Niemand winkte dort mit Jobs, aber ich hatte abermals Glück: Durch einen Freund aus Hechingen entstand ein Kontakt zum Festspielhaus Füssen. Dort arbeitete ich in der Maske der Musicals „Die Päpstin „ und „Ludwig 2“. Letztes Jahr durfte ich außerdem noch ein Teil einer Serienproduktion in Heilbronn sein. Sie heißt „Der Letzte Wille“ – eine neue schwäbische Serie für den SWR“. Seit Dezember unterstütze ich zusätzlich zu meiner Selbstständigkeit die Maske von „Disney’s Aladdin“ in Stuttgart.

Den Backstage-Bereich der Balinger Stadthalle kennst du inzwischen auch…

Mnissi: Stimmt. 2017 durfte ich die Maskenleitung von „La Bohème“ übernehmen. Mit dem Wechsel des Kreativteams und der neuen Regisseurin Gillian Hughes kam auch ich zur Stadthalle. Ich kenne sie von „Alice im Wunderland“ am Firstwald-Gymnasium. Sie führte dort Regie, ich durfte die Maske übernehmen. Ich denke, dass war der ausschlaggebende Punkt, der mich vom Friseur zum Maskenbild brachte.

Wie sieht deine Aufgabe bei „Orpheus“ aus?

Mnissi: Ich leite die Maske und bin froh, ein tolles Team an meiner Seite zu wissen. Susanne Retter aus Untertürkheim, die in Dresden Maskenbild studiert, und Luna Martínez Fleuchaus vom Firstwald Gymnasium, die mich auch letztes Mal schon tatkräftig unterstützt hat, werden mir assistieren. Retter und ich werden uns um die Solisten kümmern, da das Maskenbild deutlich aufwendiger sein wird, als bei „La Bohème“ – vor allem mit mehr Perücken. Im Februar fanden zwei Makeup-Workshops statt, bei denen ich Schülern aus der Region verschiedene Theater-Makeup-Techniken gezeigt habe, damit sie mich beim Ensemble unterstützen können.

Stammt das Konzept für Haare und Make-Up allein aus deiner Feder?

Mnissi: Das Konzept ist immer eine enge Zusammenarbeit mit der Regisseurin Gillian Hughes, vor allem aber auch mit Oliver Walter, der zuständig für die kreativen Ideen des Bühnenbildes und Kostümbildes ist. Im November hatten wir das erste Kick-Off treffen mit allen Abteilungen und dem Geschäftsführer der Stadthalle Balingen. Peu à peu entwickelte ich nach den Wünschen von Hughes und den Farbkonzepten von Walter die Designs. Das Schöne an dem ganzen Prozess ist, dass ich fast komplett frei in meiner Arbeit bin. Bei anderen Stücken kommen sogenannte Supervisors und geben dir ganz genau vor, wie jede Locke einer Perücke und jeder Pinselstrich eines Makeups sitzen soll, damit im Idealfall solch ein Stück auf der ganzen Welt gleich aussieht. Gleichzeitig setzt einen das natürlich etwas unter Druck.

Wie lässt du den Inhalt in deine Arbeit einfließen?

Mnissi: Viele meiner Entwürfe sind sehr modern, eher avantgardistisch und an die Capitol-Bewohner von „Tribute von Panem“ angelehnt, die auf ihre eigene Art und Weise perverse Gegensätze in ihren Bezirken verkörpern. In manchen Distrikten gibt es kaum genug zu essen und die Capitol Bewohner mit ihren schicken Kleidern, pompösen Frisuren und auffallenden Makeups feiern wilde Feste der Völlerei. Der Gegensatz, den Jaques Offenbach in seiner Operette kreiert, entsteht bei uns durch das prunkvolle und pompöse Äußere der Charaktere und wie die Rollen angelegt sind.

Gibt es eine Rolle bei „Orpheus“, die dich besonders herausfordert oder dir besonders Spaß macht?

Mnissi: Nein, tatsächlich keine spezielle, denn alle Rollen und alle Designs fordern mein Team und mich dieses Mal noch mehr heraus als bei „La Bohème“. Welche besonders Spaß macht, wird sich dann bei der ersten Probe mit Perücken und Makeup zeigen, denn dann erwachen meine Entwürfe zum Leben.

Am 6. März feiert die Eigenproduktion Premiere. Was gibt es für dich bis dahin noch zu tun und wie sieht so ein Premierentag für dich Backstage aus?

Mnissi: Mein Wohnzimmer ist zur Maskenwerkstatt mutiert, denn bis dahin gibt es für mich noch sehr viel zu tun. Perücken müssen fertig frisiert, der Maskenplan koordiniert und geschrieben sowie die restlichen Materialien bestellt oder eingekauft werden. Dann wird alles eingepackt und nach Balingen gebracht. Solch ein Premierentag ist Backstage meist stressig aus, da wir zwei Proben mit Maske haben, was aber für solch eine Produktion eigentlich viel zu wenig ist. Anders geht es aber nicht, weil nicht jeder an allen Terminen kann. Das bedeutet häufig, dass während den Proben Dinge abgeändert werden. Das ist natürlich stressig. Aber das gehört zu meinem Beruf dazu und positiven Stress bin ich noch vom Friseurberuf gewohnt. So lange genügend Snacks und Getränke vorhanden sind, bleibt die Laune von allen auch oben.

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