Sigmaringen

Dieser Organspendeausweis geht unter die Haut: Sigmaringer Studio bietet besonderes Tattoo an

23.05.2023

von Mareike Keiper

Dieser Organspendeausweis geht unter die Haut: Sigmaringer Studio bietet besonderes Tattoo an

© Mareike Keiper

Simona Sill und Uwe Stolz lassen sich das Organspende-Tattoo stechen.

Wer nach seinem Tod Organe spenden möchte, kann das jetzt per Tattoo vermerken. Ein Sigmaringer Studio bietet das an — und eine ganze Familie nimmt es in Anspruch.

Die Tätowiermaschine surrt, Niklas schaut konzentriert auf den Arm und zeichnet mit der Nadel die feinen Linien nach. Es sind zwei Halbkreise und ein Kreis, die einander überschneiden. Simona Sill hält still, unterhält sich locker. Den Schmerz kennt sie bereits, es ist ihr siebtes Tattoo.

Dieses Mal hat es aber eine besondere Bedeutung: Nicht nur, dass sie sich dasselbe Symbol gemeinsam ihren beiden Söhnen Lucas und Nico tätowieren lässt, es handelt sich dabei um das Symbol für Organspender.

Nachfrage hält sich noch in Grenzen

Rebecca Widerspick, Inhaberin von „Be’s Piercing– und Tattoostudio“, hat es ins Portfolio aufgenommen, ihre Tätowierer haben es auch schon gestochen. „Die Nachfrage ist aber noch verhalten“, sagt sie und kann sich das auch erklären.

Die meisten ihrer Kunden überlegen sich lange und gut, welches Motiv sie auf ihrer Haut buchstäblich verewigen lassen. Da es die Aktion der Jungen Helden erst seit einigen Wochen gibt, erwartet sie, dass in den nächsten Monaten die Anzahl der Nachfragen steigt.

Dieser Organspendeausweis geht unter die Haut: Sigmaringer Studio bietet besonderes Tattoo an

© Mareike Keiper

Simona Sill hat bei ihrem Tattoo sogar die Blutgruppe ergänzt.

Simona Sill, ihre Söhne Lucas und Nico sowie Sills guter Freund Uwe Stolz haben nicht lange gefackelt. Am Samstagmorgen sind sie alle zu Gast im Studio in der Antonstraße. Die 47–Jährige ist als erstes dran. Sie hat sich entschieden, neben dem Organspendesymbol auch ihre Blutgruppe tätowieren zu lassen.

„Den Organspendeausweis habe ich schon lange als Karte im Geldbeutel“, erzählt sie. Als sie von der Aktion hörte, schlug sie vor, dass ihre Kinder ihr statt eines Geburtstagsgeschenks das Familientattoo schenken und es gemeinsam machen könnten.

Auch die beiden Söhne lassen sich das Motiv stechen

Die sind einverstanden. „Ich hatte schon länger überlegt, den Organspendeausweis auszufüllen“, sagt der 19–jährige Lucas. Das Motiv habe ihm gut gefallen, also wollte er den Wunsch seiner Mutter gerne erfüllen, genauso wie sein 17–jähriger Bruder Nico. Für den jüngeren der beiden ist es das erste Tattoo.

Aufgeregt ist er nicht. „Wenn ich meine Organe nicht mehr brauche, ist es mir ja egal, ob ich sie jemand anderem gebe“, sagt er als Begründung, warum er zugestimmt hat.

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© Mareike Keiper

Beim Tätowieren: Etwa eine halbe Stunde liegt Simona Sill auf dem Tätowiertisch.

Auch Uwe Stolz hat sich direkt einverstanden erklärt. Es kommt auf seinen „Invalidenarm“, sagt er und zeigt auf ein weiteres Motiv: die EKG–Kurve seines Herzinfarktes. Daneben wünscht er sich das Organspendesymbol. „Es passt zum Rest“, sagt er lächelnd. Den Organspendeausweis auszufüllen habe Stolz nie geschafft, sagt er — das Tattoo vereinfache das nun.

Tattoo regt zur Diskussion an

Das ist auch einer der Gründe, warum Widerspick sich dazu entschieden hat, sich an der Aktion zu beteiligen. „Der Organspendeausweis ist kein rechtsgültiges Dokument, genauso wenig das Tattoo, aber es drückt beides den Wunsch des Verstorbenen aus und regt zur Diskussion an“, sagt sie und nennt einen weiteren Vorteil: Ein Ausweis kann verlegt werden, ein Tattoo nicht.

Günstiger, aber nicht kostenlos

Kostenlos, wie manch anderer Tätowierer, bietet sie das Stechen aber nicht an, denn sie habe bereits von Jugendlichen Anfragen bekommen, die vor allem ein kostenloses Tattoo absahnen wollten. „Man sollte wissen, was man da hat“, sagt sie.

Dieser Organspendeausweis geht unter die Haut: Sigmaringer Studio bietet besonderes Tattoo an

© Mareike Keiper

Rebecca Widerspick hat die Aktion entdeckt und entschieden, sie auch in ihrem Studio in Sigmaringen anzubieten.

Ein Entgegenkommen für die gute Sache gibt es trotzdem: Das Motiv kostet weniger als üblich und wer sich etwas anderes stechen lässt, bekommt es bei Widerspick kostenlos dazu, wenn er möchte. Dabei muss sich der Tätowierer aber an klare Vorgaben halten: Verzieren darf er es, aber die Ringe dürfen nicht abgeändert werden.

Widerspick hat die Hoffnung, durch die Aktion etwas zu bewirken: „Und wenn es bloß 100 machen, sind es immerhin 100 Organspender mehr.“

Das Organspende-Tattoo

Hinter der Aktion stecken die Jungen Helden, ein Verein, der sich das Ziel gesetzt hat, junge Menschen über die Organspende aufzuklären. Das Tattoomotiv ermögliche seit Mitte April einerseits, seinen Willen zur Organspende einfacher auszudrücken und andererseits zum Gespräch darüber anzuregen, teilt der Verein mit.

Das Design, zwei Halbkreise, die zum Ganzen werden, sei ein Symbol für das Geschenk des Lebens. Außerdem bilden Kreis und Halbkreis, die auch als O und D gelesen werden können, die Anfangsbuchstaben von „Organ Donor“, englisch für Organspender. Hinzu komme der geringe Kostenaufwand für die Tätowierer durch die Einfachheit des Symbols, das sich an verschiedene Stile anpassen und in vorhandene Tattoos integrieren lasse.

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