Hechingen

Der Rotstift regiert in der Zollernstadt: Hechingen muss sich 2024 hoch verschulden

15.12.2023

Von Michael Würz

Der Rotstift regiert in der Zollernstadt: Hechingen muss sich 2024 hoch verschulden

© Firma Stumpp

Die Stadt muss Bauplätze auf dem Killberg an den Mann bringen. Der Druck ist angesichts der desaströsen Haushaltslage groß.

Hechingen steht vor einem harten, vielleicht jahrelangen Sparkurs. Diesem wird auch die (dringend notwendige) Planung des Kindergartenneubaus in Stetten zum Opfer fallen. Worauf sich Bürger jetzt einstellen müssen.

Händeringend hatten sie nach ihm gesucht, doch ein Verkehrsplaner ließ sich lange Zeit einfach nicht finden. Und jetzt? Bevor sich doch noch einer findet, haben sie die Stelle schnell gestrichen. Denn die Zeichen in der Zollernstadt stehen auf Mangelverwaltung. Kaum ein Beispiel dürfte die düstere finanzielle Lage Hechingens so gut verdeutlichen wie dieses.

Haushaltsplan 2024 ist ein „wahrer Kraftakt“

Von einem „wahren Kraftakt“ sprach Bürgermeister Philipp Hahn dann auch am Donnerstagabend, als er in der Sitzung des Gemeinderats den Haushalt 2024 einbrachte (mehr dazu auch hier). Dabei muss Hechingen eine besonders bittere Pille schlucken: Ausgerechnet in einer Zeit, in der etwa die Kreisumlage steigt (Hahn: „Wir überweisen 12,47 Millionen nach Balingen“), die Unterbringung Geflüchteter mit hohen Ausgaben zu Buche schlägt und auch Personalkosten immer weiter steigen, brechen in der Zollernstadt die Gewerbesteuereinnahmen ein – Stichwort: Konzernumbau bei Baxter. Statt 32 Millionen Euro erwartet die Stadt deshalb im kommenden Jahr nur noch 16 Millionen Euro. Zugleich rechnet die Stadt mit sinkenden Einnahmen bei Einkommens- und Umsatzsteuer.

Plagende Ungewissheit: Wie steht es um die Fördermittel?

Noch dazu ereilt auch Hechingen freilich die plagende Ungewissheit, die in diesen Tagen Kommunen umtreibt: Wie viele Fördermittel werden angesichts der haushaltspolitischen Wirrungen im Bund nachher noch auf den Konten der Stadt landen? „So große Prognoseunsicherheiten wie in diesem Jahr gab es schon lange nicht mehr“, sagte Bürgermeister Philipp Hahn. Am Ende hat das 239 Seiten starke Zahlenwerk dann auch ganz konkrete Auswirkungen: „Ursprünglich für 2024 geplante Projekte, Maßnahmen und Vorhaben mussten neu betrachtet und zeitlich geschoben werden“, konstatierte der Bürgermeister. Als besonders schmerzlich bezeichnete Hahn, dass die (dringend notwendige) Planung des Kindergartenneubaus in Stetten nun geschoben werden muss. Festhalten will die Stadt jedoch an der Erweiterung der Grundschule am Schlossberg. Für sie sind im Haushalt 2024 rund 1,6 Millionen Euro vorgesehen. Ohne professionellen Verkehrsplaner – den man gesucht, aber nicht gefunden hatte und sich nun eben nicht mehr leisten kann – rückt indes auch der Ausbau des Radwegenetzes in weite Ferne.

Die To-do-Liste des Bürgermeisters ist lang

Dabei ist (oder wäre) die To-do-Liste des Bürgermeisters gewaltig: „Klimaschutz und Energiewende, Wohnungsbau und Sanierung sowie Ausbau der Infrastruktur, Bildung und Betreuung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Ukraine-Flüchtlinge und Asylbewerber sind nur die wichtigsten Aufgaben, die wir derzeit auf kommunaler Ebene meistern müssen“, verdeutlichte Hahn in seiner Haushaltsrede. Für die Unterbringung und Betreuung Geflüchteter sind im Haushalt 2024 rund 2,6 Millionen Euro vorgesehen. Sie fließen in den Neubau der Unterkunft in der Ermelesstraße und in die Container am Fürstengarten.

Personalkosten steigen immer weiter

Ein Kostentreiber wird im kommenden Jahr auch das Personal in der Stadtverwaltung sein: Die Stadt beschäftigt 276 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Eigenbetriebe nicht mitgerechnet. 15,16 Millionen Euro stehen für die Personalkosten derzeit im Haushalt. Das ist eine Kostensteigerung von 1,36 Millionen Euro. Grund hierfür seien Tarif- und Besoldungssteigerungen. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 hatte die Stadt insgesamt rund 8 Millionen Euro fürs Personal ausgegeben. Gleichwohl fehle es an Personal, etwa um den Straßenbau voranzutreiben. Wenngleich Bürgermeister Hahn in seiner Rede ganz nachdrücklich Darstellungen zurückwies, wonach der Sanierungsstau in der Zollernstadt größer sei als andernorts. Festhalten will die Stadt aber an der Sanierung der Zollernstraße in der zweiten Jahreshälfte 2024. Und 2025 ist der zweite Bauabschnitt in der Schloßackerstraße eingeplant. Kosten: knapp 3 Millionen Euro. Bürgermeister Hahn hofft, dass für die Zollernstraße mehr als 30 Prozent Fördergelder rausspringen.

Ein bisschen Träumen ist noch erlaubt

Und auch wenn „es keine Geschenke zu verteilen gibt“, wie Hahn in seiner Haushaltsrede betonte, scheint ein bisschen Träumen noch erlaubt – von einem aufgehübschten Marktplatz etwa, weshalb auch an der alten Hofapotheke fleißig weitersaniert wird. 2,1 Millionen Euro des insgesamt über 5 Millionen Euro teuren Projekts stehen dafür im Haushalt 2024.

Baugebiet Killberg: „Vorsichtiges Licht am Horizont“

„Der Bedarf an Wohnraum, der idealerweise auch noch hohen Energiestandards entspricht, ist groß“, sagte Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn in der Sitzung des Gemeinderats am Donnerstagabend. Die Zahl der Bauwilligen sei aufgrund der Baukosten und Bauzinsen jedoch überschaubar – und die Zahl der Baufähigen noch geringer. „Dies erleben wir auch beim Vertrieb der Grundstücke in unserem nahezu CO2-neutralen Neubaugebiet Killberg IV“, berichtete Hahn. Allerdings sehe man, was den Vertrieb der Grundstücke angeht, „vorsichtig Licht am Horizont“. Für die weiteren Erschließungsarbeiten am Mega-Baugebiet Killberg IV hatte die Stadt in diesem Jahr 4 Millionen vorgesehen, in 2024 sind 3,6 Millionen Euro im Haushalt eingeplant.

Killberg IV liegt voll im Zeitplan

Und dann gibt es da noch eine richtig gute Nachricht: Zum Jahresende sind die Erschließungarbeiten für das Wohngebiet Killberg IV so weit fortgeschritten, dass die Tübinger Straße wieder für den Verkehr in Richtung B 27 / B 32 / Nasswasen frei gegeben werden kann, wie die Stadt mitteilt. „Dies wird ab kommendem Mittwoch, 20. Dezember, der Fall sein“, kündigte Rathaussprecher Thomas Jauch an. Der erste Bauabschnitt der Erschließungsmaßnahmen werde damit fristgerecht abgeschlossen. „Die Umsetzung ist dem Zeitplan sogar voraus, etliche für 2024 vorgesehene Arbeiten wurden ebenfalls schon erledigt“, so Jauch. Dafür erntete Projektleiter Michael Werner in der Sitzung des Gemeinderats am Donnerstagabend dann auch Anerkennung. Bürgermeister Philipp Hahn hob auch die Leistung der Firma Stumpp hervor.

Nur die Hypercharger für die E-Autos fehlen aktuell noch

Im ersten Bauabschnitt wurden sämtliche Leitungen verlegt: Schmutz- und Regenwasserkanäle im Trennsystem, Wasserleitungs-, Strom- und Breitbandnetze befinden sich ebenso im Boden wie die Versorgungsleitungen des zukunftsweisenden Nahwärmenetzes.

Der Straßenbau mitsamt Gehwegen, Parkbuchten und Straßenbeleuchtungsmasten ist hergestellt, die Verkehrsbeschilderung steht. Selbst die Bäume konnten entlang der Tübinger Straße bereits gepflanzt werden. Einzig die Hypercharger, also Schnellladestationen für Elektroautos, fehlen aktuell noch.

Ohne Kredite geht es nicht: Schuldenstand der Stadt erhöht sich drastisch

Sie haben die Zahlen gedreht und gewendet, daran ließ Bürgermeister Hahn bei seiner Haushaltsrede am Donnerstagabend keinen Zweifel. Doch am Ende steht allein im Ergebnishaushalt für 2024, der die Eigenbetriebe der Stadt wohlgemerkt noch gar nicht berücksichtigt, ein Minus von 19,58 Millionen Euro.

Hatte die Zollernstadt jahrelang wahrlich fürstlich von der Gewerbesteuerquelle „Gambro“ profitiert, führt der Weg im kommenden Jahr in eine beachtliche Verschuldung. Kredite in Höhe von 9,5 Millionen Euro will die Stadt zusätzlich für ihre Investivmaßnahmen aufnehmen. Damit wird die Schuldenuhr der Zollernstadt am 31. Dezember 2024 auf 15 Millionen Euro stehen. Das entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung der Hechinger von 769 Euro.

Zum Vergleich: Aktuell betragen die Schulden im Kernhaushalt noch 6 Millionen Euro. Kämmerin Desiree Rothenhagen warnte bei der Haushaltseinbringung am Donnerstag bereits: 2025 müsse Schluss sein mit weiteren Schulden! Diese Botschaft dürfte im kommenden Jahr ebenfalls auf Stadtverwaltung und Gemeinderat lasten – und die Verantwortlichen jeden Euro zweimal umdrehen lassen.

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