Hechingen

Der Abschied von den Baxter-Millionen: Hechinger Gemeinderat verabschiedet Haushalt

19.03.2024

Von Michael Würz

Der Abschied von den Baxter-Millionen: Hechinger Gemeinderat verabschiedet Haushalt

© Michael Würz (Archiv)

Hechingens Bauamtsleiter Michael Werner zeigt im September 2023 Stadträten und Journalisten den Bau-Fortschritt auf dem Killberg. Das Mega-Projekt, das landesweit Beachtung findet, könnte Hechingen zur Großen Kreisstadt machen. Doch es mutiert zum Sorgenkind. Die SPD fordert gar den Tritt auf die Bremse.

Der Hechinger Gemeinderat hat am Dienstagabend den Haushalt für 2024 verabschiedet – angesichts der prekären finanziellen Lage freilich mit gemischten Gefühlen. Die Fraktionen sehen „fast einen Scherbenhaufen“ und „bedrohliche Schulden“, wollen aber dennoch einige wichtige Themen nicht ganz von der Agenda streichen.

In den Reden der Fraktionen betonten die Sprecher den Ernst der finanziellen Lage unterm Zoller und brachten weitgehend unisono ihren Willen zum Ausdruck, den harten Sparkurs, den Bürgermeister Philipp Hahn ausgerufen hat, weiter mitzutragen.

CDU/FDP-Fraktion

Nach den jüngsten personellen Verschiebungen an der Spitze der größten Fraktion im Rat schritt der frisch gewählte Fraktionschef Stefan Hipp in der ersten Gemeinderatssitzung des Jahres sogleich mit seiner Haushaltsrede zur Tat. „Der Haushalt steht auf Rot“, konstatierte er.

Hipp sprach von einer harten Landung, die man angesichts der wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen durch die Umstrukturierung im Baxter-Konzern erlitten habe. „Dieser Haushalt muss uns wachrütteln“, so Hipp, man sehe die Schulden auf ein „bedrohliches Maß“ ansteigen. „Uns ist der Ernst der Lage bewusst“, sagte Hipp. Dennoch sei Pessimismus nun ein schlechter Ratgeber.

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Die Fraktion stehe hinter einer „Sparpolitik des ehrbaren Kaufmanns“, sagte er. Und gewissermaßen aus erster Hand konnte Hipp als Rektor der Hechinger Realschule berichten, „dass man auch mit Fördermitteln bauen könne“, wie die Fassade der Realschule eben derzeit zeige. Auch dass die Fraktion trotz der prekären Haushaltslage „Vorfahrt für Bildung“ fordert, dürfte dem bekanntermaßen leidenschaftlichen Pädagogen Hipp leicht über die Lippen gegangen sein. Auffällig: Der neue Fraktionschef betonte, dass die Fraktion bei der Belebung des Obertorplatzes auf das „Vorzeigeprojekt Refugio“ setze. Der Dank der Fraktion gelte bei diesem Thema im Übrigen dem Arbeitskreis Asyl.

Freie Wählervereinigung

Fraktionssprecher Werner Beck mahnte in seiner Haushaltsrede zum „Blick auf die Realität“. Es gelte, „das strukturelle Ausgabenproblem“ in den Griff zu kriegen und den städtischen Ergebnishaushalt im Auge zu behalten. „Die Statik dieses Haushalts fliegt uns sonst um die Ohren“, befürchtete Beck in seiner Rede. Er gab zugleich zu bedenken, dass Hechingen mehrere Jahre stark von den hohen Gewerbesteuereinnahmen aus dem Baxter-Konzern profitiert habe, die nun geringer ausfallen werden. Trocken merkte er an: „C’est la vie!“ Den Blick richtete Beck auch mahnend nach Balingen: „Dort wird weniger investiert als in Hechingen, trotz höherer Einwohnerzahl.“ Becks Schlussfolgerung: „Wir müssen runter von der Überholspur.“

Die Haushaltslage sei besorgniserregend, deshalb forderte er auch alle Fraktionen auf, im Wahlkampf nicht mit unrealistischen Forderungen auf Stimmenfang zu gehen. Denn das, so Beck, wäre populistisch.

Übrigens: Von der jüngsten Forderung, die die Freien Wähler in der Haushaltsdebatte noch gestellt hatten, den Marktplatz mit einem kleinen Budget bereits während der Bauphase zu beleben, rückte die Fraktion ab. Stattdessen wolle man nun federführend die Initiative in einem neuen „Arbeitskreis Innenstadtbelebung“ übernehmen.

Deutliche Worte fand Beck in seiner Rede darüber hinaus in Richtung EJL Immobilien: „Sie haben mit dem Erwerb von Immobilien Verantwortung für Hechingen übernommen, kommen Sie dieser Verantwortung nach!“ Und er legte nach: „Verhindern Sie nicht die Stadtentwicklung durch Nichtstun!“

SPD-Fraktion

Es sei bemerkenswert, konstatierte Fraktionssprecher Jürgen Fischer, wie sich die Situation der Stadt innerhalb eines Jahres verändert habe. „Wir dachten, mit Killberg werden wir Große Kreisstadt.“ Und nun, so seine Bilanz, stehe man „fast vor einem haushaltspolitischen Scherbenhaufen“.

Dies sei ausgerechnet im Kommunalwahljahr auch eine denkbar „schlechte Ausgangslage für die Parteien und Listen“. Zu denken geben müsse, dass Hechingen eine deutlich höhere Pro-Kopf-Verschuldung aufweise als Balingen und Albstadt. Dazu kämen, als weitere Probleme, die Rezession und außerordentlich hohe Zinsen. Das Neubaugebiet Killberg IV mache der SPD-Fraktion „erhebliche Sorgen“, sagte Fischer. Die Hechinger Genossen fordern deshalb: „Erst weiterplanen, wenn Grundstücke verkauft sind!“

Unterdessen betonte auch Fischer, dass man die größte Verantwortung gegenüber Kindern habe. Sie bräuchten die Chance auf Bildung, wozu man in der SPD-Fraktion auch Kindergärten zähle. Ein weiteres wichtiges Thema, das man nicht aus dem Auge verlieren dürfe, ist aus Sicht der SPD der Öffentliche Nahverkehr. Deshalb müsse auf die Regionalstadtbahn die Eyachtalbahn folgen. Fischer: „Lasst und die Beschlüsse dafür bitte positiv bescheiden.“

Bunte Liste

Fraktionssprecherin Almut Petersen brachte ein Dilemma zum Ausdruck: Dass nämlich, auf der einen Seite, freilich das Geld knapp wird, man andererseits aber – mit Blick auf geschobene Projekte – fragen müsse: „Können wir das liegen lassen?“

Aus Sicht der Bunten Liste dürfe man nun vor allem nicht den Klimaschutz vernachlässigen. Zumal „das Klimaschutzkonzept der Stadt passt“, wie Petersen sagte. Sie ist überzeugt: „Wir müssen das Tempo des Handelns jetzt sofort an das Klima anpassen, nicht an den Haushalt.“ Denn dass „uns der Klimawandel bereits jetzt mit voller Härte trifft“, habe etwa der verheerende Sturm im vergangenen Jahr deutlich gezeigt. Petersen forderte, Prozesse in der Verwaltung zu vereinfachen, bürokratische Hürden abzubauen. Denn auch wenn in der städtischen Verwaltung fleißig gearbeitet werde, sei auch Hechingen nicht frei von „derlei Phänomenen“.

Mit Blick auf das Sorgenkind Killberg IV sagte Petersen: „Wir müssen Grundstücke jetzt verkaufen.“ Es handele sich um ein „traumhaft schönes Baugebiet“. Man müsse deshalb „kreativ in den Verkauf einsteigen“, sagte Petersen. Denn: „Manchmal stehen wir uns in Hechingen selbst im Weg.“

AfD-Fraktion

Auch AfD-Mann Kai Rosenstock kam in seiner Rede zum Schluss: „Auf Hechingen kommen harte Zeiten zu.“ Die einknickenden Gewerbesteuereinnahmen haben seiner Ansicht nach „gravierende Folgen“ für die Stadt. Und auch die mittelfristigen Aussichten hält Rosenstock für „bescheiden“. Dabei habe Hechingen in der Vergangenheit durchaus gut gewirtschaftet, und auch viel für die Stadtentwicklung getan.

Dennoch forderte Rosenstock, insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Hechinger Stadtmarketingverein auszubauen. Die Wertschätzung gegenüber dem Verein könne „nicht hoch genug sein“, sagte Rosenstock. Dies auch deshalb, weil zuletzt – wie berichtet – ein Antrag der AfD auf eine städtische Wirtschaftsförderer-Stelle im Gemeinderat gescheitert war. Rosenstock hob in seiner Rede auch hervor, dass die Feuerwehr in Hechingen angesichts der Haushaltslage auf 2 neue Fahrzeuge verzichte, die man, sobald möglich, doch priorisieren möge, genau wie das Thema Kindergärten.

Rosenstock nutzte seine Haushaltsrede zugleich aber auch für Generalkritik an der Bundespolitik. Dafür kassierte er einen Rüffel von Bürgermeister Philipp Hahn, der Rosenstock ermahnte, sich in seinen Ausführungen auf den kommunalen Haushalt zu konzentrieren.

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