Hechingen

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen – Bewährung für das Hechinger Gefängnis?

16.06.2023

Von Michael Würz

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen – Bewährung für das Hechinger Gefängnis?

© Pascal Tonnemacher

Das Gefängnis in Hechingen.

Das baden-württembergische Justizministerium schließt den Weiterbetrieb der Hechinger Haftanstalt trotz des Neubaus des Großgefängnisses in Rottweil nicht aus – die endgültige Entscheidung soll frühestens 2027 fallen.

Sind die Tage des Hechinger Gefängnisses gezählt? Auf diese Idee kann kommen, wer sich die Pläne für das Rottweiler Großgefängnis anschaut. Und auch im Hechinger Justizviertel scheint man damit zu rechnen, dass der 1876 erbauten Vollzugsanstalt keine allzu lange Zukunft mehr beschieden sein wird. Was man dem Vernehmen nach dort wohl bedauern würde. Stichwort: Kurze Wege der Gefangenen in den Gerichtssaal. Im Hechinger Gefängnis, eine Außenstelle der JVA Rottweil, sitzen ausschließlich männliche U-Häftlinge aus dem Landgerichtsbezirk Hechingen ein.

Die neue JVA in Rottweil soll 2027 fertig sein

Aber wie steht es konkret um die Zukunft der JVA-Außenstelle im Justizviertel? Klar ist: „Im Esch“, wo Deutschlands wohl teuerstes Gefängnis entsteht, rollen dieser Tage die Bagger an. Die Fertigstellung der JVA auf Rottweiler Gemarkung ist für 2027 vorgesehen. Das ist der aktuelle Stand, bestätigt Thomas Oeben, Regierungsdirektor im baden-württembergischen Justizministerium, auf eine Anfrage des ZOLLERN-ALB-KURIER. Oeben betont jedoch: „Eine abschließende Entscheidung, ob und gegebenenfalls wann im Zuge der Inbetriebnahme des Neubaus der JVA Rottweil die Schließung anderer Vollzugseinrichtungen erfolgen soll, wird im Weiteren zu treffen sein.“ Das gelte „insbesondere auch der Außenstelle Hechingen“.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen – Bewährung für das Hechinger Gefängnis?

© Michael Würz

Die Wege zwischen Haftanstalt (hinten) und Gerichtsgebäude (vorne links) sind in Hechingen besonders kurz.

Wie wichtig der Hechinger Standort – jedenfalls heute – ist, zeigen allein die Belegungszahlen. Die Haftanstalt verfügt über 32 Plätze. Sie ist, sagt Regierungsdirektor Oeben, ebenso wie die derzeitige Hauptanstalt in Rottweil und die Außenstelle Villingen-Schwenningen – seit Jahren überbelegt. „In der Langzeitbetrachtung seit dem Jahr 2019 waren dort monatlich durchschnittlich zwischen 37 und 44 Gefangene untergebracht“, berichtet Oeben unserer Zeitung. Deshalb gelte es zunächst ohnehin, die bestehende JVA Rottweil und deren Außenstellen – wie eben das Gefängnis in Hechingen – zu entlasten. Geschehen solle dies noch in diesem Jahr, „im Zuge entstehender zusätzlicher Haftplatzkapazitäten in den Justizvollzugsanstalten Ravensburg und Stuttgart“, erklärt Oeben.

Dauer der Unterbringung in Hechingen ist einzelfallabhängig, oft aber eher kürzer

Dabei ist die „Fluktuation“ der Gefangenen in Hechingen recht hoch. Da man es hier eben mit Untersuchungshaft zu tun habe, die von Ablauf und Ausgang von Ermittlungs- und Strafverfahren abhängt, sei die Dauer der Unterbringung einzelfallbezogen zwar sehr unterschiedlich: Sie könne nur wenige Tage betragen, aber auch mal bis hin zu einem „überjährigen Freiheitsentzug“ reichen, so der Regierungsdirektor. Letzteres sei jedoch generell nicht üblich, „wegen des bestehenden Beschleunigungsgebots“.

25 Bedienstete des mittleren Vollzugsdienstes in Hechingen eingesetzt

Der gesamten Justizvollzugsanstalt Rottweil mit allen Außenstellen waren zum Stichtag 1. Januar dieses Jahres 97,2 Personalstellen verschiedener Laufbahnen, überwiegend des mittleren Vollzugsdienstes im Justizvollzug, zugewiesen, sagt Oeben. „In der Außenstelle Hechingen sind insbesondere 25 Bedienstete des mittleren Vollzugsdienstes im Justizvollzug tätig.“ Was passiert mit ihnen, sollte das Hechinger Gefängnis nach 2027 doch nicht weiterbetrieben werden? Oeben versichert: Sowohl Schließungsentscheidungen wie auch damit zusammenhängende Personalplanungen würden mit betroffenen Bediensteten „rechtzeitig besprochen werden“.

Auch für eine mögliche Nachnutzung des Gebäudes gibt es keine Pläne

Auch würde man, sollte es zur Schließung der Hechinger Außenstelle kommen, seitens des Ministeriums „gemeinsam mit dem Landgerichtsbezirk Hechingen die Auswirkungen und entsprechenden Maßnahmen erörtern“. Und weil bislang eben ohnehin nicht klar sei, ob das Gefängnis nicht einfach weiterbetrieben werde nach dem Start der Groß-JVA in Rottweil, gebe es auch keinerlei Pläne zu einer möglichen Nachnutzung des Gebäudes, sagt Oeben. „Die Entscheidung wird sinnvollerweise hinter die Entscheidung über die Schließung zurückgestellt.“

Deutschlands teuerster Knast

Die ersten Baufahrzeuge sind schon angerückt, Ende des Monats folgt der offizielle Spatenstich: Das (jahrelang umstrittene) Großgefängnis auf der Hügelkuppe am nördlichen Stadtrand von Rottweil wird gebaut. Es gilt als das wohl teuerste Gefängnis in der Bundesrepublik und soll eines Tages rund 500 Haftplätze bieten. Das soll, wenn alles klappt, 2027 sein. Stand heute investiert das Land rund 280 Millionen Euro in die neue JVA Rottweil. Geplant sind 18 Nutzungsbereiche mit einer Gesamtnutzfläche von 25.463 Quadratmetern. 52 Hafträume sollen barrierefrei ausgestaltet werden. Die Kostenplanung war zuletzt immer wieder gestiegen, in einem ersten Entwurf war vor Jahren von 118 Millionen Euro die Rede. Jetzt summiert sich umgerechnet jeder Haftplatz auf 560.000 Euro. Bereits bei der zuletzt dem Landesrechnungshof vorgetragenen Summe von 240 Millionen Euro wäre umgerechnet jeder Haftplatz auf 480.000 Euro gekommen. Schon das war weit mehr als das Doppelte des Bundesdurchschnitts.

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