Albstadt

Das Stehaufmännchen Ringelnatz bereichert die Albstädter Literaturtage

10.11.2019

Von Katja Weiger-Schick

Das Stehaufmännchen Ringelnatz bereichert die Albstädter Literaturtage

© Katja Weiger

Heike Feist und Andreas Nickl auf den Spuren von Joachim Ringelnatz: Die Besucher genossen im Ebinger Gymnasium einen wunderbaren Theaterabend, auch wenn zwischenzeitlich sogar gesammelt wurde – „und das in Baden-Württemberg!“

Heike Feist und Andreas Nickl begeistern ihr Publikum am Samstagabend in der Mensa des Ebinger Gymnasiums mit Werken von Joachim Ringelnatz.

„WortWelten“, das Motto der Literaturtage, passte ganz wunderbar zum Programm des Abends: Wer den großen Dichter Joachim Ringelnatz und sein Werk schätzt, kam am Samstag mit Heike Feist und Andreas Nickl voll auf seine literarischen Kosten.

Jeder scheitert einmal. Wenn man mit der Bahn pünktlich ans Ziel kommen will. Oder wenn der Schlüssel auf der falschen Seite der Tür steckt. Man „Hund“ am Schuh hat. Auch Joachim Ringelnatz ist oft gescheitert, baden gegangen, gestrauchelt.

Lebensmut nicht eingebüßt

Der Theaterabend mit Heike Feist und Andreas Nickl zeigte dies eindrucksvoll. Aber auch, dass Ringelnatz, der großartige Schriftsteller, Kabarettist und Maler, das war, was man so gerne als Stehaufmännchen bezeichnet. Ringelnatz, der mit gerade einmal 51 Jahren Ende 1934 an Tuberkulose starb, hat sich seinen Lebensmut kaum einmal nehmen lassen. „Schöner Scheitern mit Ringelnatz“ macht den Besuchern im Gymnasium mit Tiefgang und Hintersinn Freude – auch wenn sie manchmal nicht wissen, ob sie lachen oder weinen sollen. „Schöner Scheitern“ ist als Titel für diesen spannenden Abend damit wohl gewählt.

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Impressionen vom Ringelnatzabend im Ebinger Gymnasium.

© Katja Weiger

Impressionen vom Ringelnatzabend im Ebinger Gymnasium.

© Katja Weiger

Eins wird schnell klar: Man muss sich auf Ringelnatz einlassen. Und vor allem auf das, was in einem Höllentempo auf der Bühne geschieht. Präzise und mit feinem Blick zeichnen Heike Feist, die das Stück konzipiert hat, und ihr Kollege Andreas Nickl die verworrenen Lebenslinien des Dichters nach.

Früher Tod

Beide sind durch unzählige TV-, Fernseh- und Bühnenprogramme einem breiten Publikum bekannt. Im Ebinger Gymnasium führen sie die Gäste durch die Kindheit des schmächtigen Jungen Hans Bötticher; so hieß Ringelnatz wirklich. Es folgen unstete Seefahrer- und Wanderjahre, ersten Versuche als Dichter, Umzüge, Auftritte, unter anderem in der Münchner Künstlerkneipe „Simplizissimus“.

Furioses Spektakel

Die beiden Akteure spielen, rezitieren, erzählen, singen und ordnen Fakten ein. Ringelnatz‘ Werk ist wie sein Leben: facettenreich und bunt. Dementsprechend tauschen die Künstler Charaktere wie Requisiten ständig aus. Der Clou: Letztere sind aus Papier. Sie wirken, als seien sie von Kinderhand ausgeschnitten. Heike Feist und Andreas Nickl wechseln Dialekte, Standorte und Darstellungsformen. Ein furioses Spektakel! Es lebt in wunderbarer Weise von der Kunst und nicht von üppigen Kulissen, Requisiten und Soundeffekten.

Dabei lassen der subtile Humor in den Texten, der skurrile Wortwitz, die poetischen Wortkreationen, ja sogar die stille Melancholie, die Zuschauer schmunzeln. Doch all das sagt so viel über Zeit und Zeitgeist aus, dass einem das Lachen mitunter im Halse stecken bleiben mag. Ringelnatz, der schmächtige, kleine Mann mit Vogelnase, war einer jener Schriftsteller, den die Nationalsozialisten 1933 verbieten ließen. Seine Bücher verbrannten sie.

Mache deine Sache gut

Die große Liebe von Joachim Ringelnatz bleibt bis zu seinem Tod die 15 Jahre jüngere Lehrerin Leonharda Pieper, von ihm liebevoll „Muschelkalk“ genannt. An sie schreibt er: „Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern.“

Und er schließt: Lebe, lache gut! Mache Deine Sache gut!“ „Muschelkalk“ machte genau das. Ihrer emsigen Arbeit ist es zu verdanken, dass Joachim Ringelnatz bis heute ein Begriff ist.

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