Balingen

Balinger Clubgeschichte: Wie der Sonnenkeller zur Hochburg der Rockmusik wurde

09.04.2024

Von Robin Irmscher

Balinger Clubgeschichte: Wie der Sonnenkeller zur Hochburg der Rockmusik wurde

© Privat

Der ehemalige Iron Maiden-Sänger Blaze Bailey live im Sonnenkeller

In Balingen gibt es kaum jemanden, der den „Sonnenkeller“ nicht kennt, schließlich ist das Eventlokal seit fast 20 Jahren eine der Hauptanlaufstellen für Rockmusik und Clubshows in der Umgebung. Wie aber alles angefangen hat, darüber wissen nur wenige Bescheid. Wir haben mit dem Betreiber Stefan Helbing gesprochen, um der Geschichte des Kellers auf die Spur zu kommen.

Die Geschichte des heutigen Sonnenkellers beginnt im Jahre 2004. Damals wurde der Keller zusammen mit dem Gebäude darüber von Martin Seemann gepachtet. Oberhalb betrieb dieser das Café „Sonne“, in den Räumlichkeiten, in denen sich heute das Restaurant „La Pergola“ befindet. In dem in den Felsen gehauenen Gewölbe darunter, dem einstigen Eiskeller des Gebäudes, war dagegen eine Kneipe zu finden, mit dem Namen „Sonne Keller“. Eben weil es sich dabei tatsächlich um den Keller der „Sonne“ handelte.

Balinger Clubgeschichte: Wie der Sonnenkeller zur Hochburg der Rockmusik wurde

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Ein Anblick, bei dem Sonnenkeller-Fans das Herz aufgeht.

Stefan Helbing war im Vorjahr von Bekannten aus seiner Zeit als Rockmusiker mit der Organisation eines Heavy-Metal-Festivals in der Balinger Eberthalle beauftragt worden. Die Veranstaltung stieß auf positive Resonanz und Helbing wurde darum gebeten, weitere Konzerte in Balingen zu arrangieren, für die eine passende Location gefunden werden sollte.

Unter anderem besichtigte Helbing dafür auch den Sonne-Keller. „Ich möchte hier nie wieder her“, habe er damals gesagt. Der Laden sei nicht im besten Zustand gewesen, die vorhandene Bühne soll sehr klein und die Technik des Hauses nicht für Konzerte zu gebrauchen gewesen sein. Nachdem jedoch keine andere geeignete Location in Balingen gefunden wurde, konnte Helbings Bekanntschaft ihn doch noch davon überzeugen, es mit den Musikveranstaltungen im Sonne-Keller zu probieren.

Damals wie heute Kult: Die Hartklang-Konzerte

Gestartet wurde mit einer Serie an Konzerten von Punk-, Rock- und Metal-Bands aus der Region unter dem Titel „Hartklang“, ein Schlagwort, mit dem der Sonnenkeller auch heute noch Konzerte der härteren Musikrichtungen bewirbt. Dem Problem der unzulänglichen Tontechnik des Hauses wurde beigekommen, indem für jede der Veranstaltungen Tontechnik in einem Musikgeschäft ausgeliehen und von Helbing in seinem PKW mitgebracht wurde.

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Volles Haus bei einem der "Hartklang-Konzerte".

Die Hartklang-Konzerte stießen auf große Begeisterung unter den Balingern, die Besucher kamen in Strömen. „Damals gab es ja noch keine sozialen Medien, in denen man das hätte posten können“, so Helbing. „Das hatte sich alles durch Mundpropaganda verbreitet.“ Die Nachfrage nach Helbings Angebot war groß, das merkte auch Martin Seemann, und bat ihm an, den Keller als Unterpächter zu übernehmen. Helbig willigte ein und wurde so im Jahre 2006 zum Hauptverantwortlichen des Sonne-Kellers.

Aus „Sonne-Keller“ wird „Sonnenkeller“

Damals hieß das Lokal übrigens tatsächlich noch „Sonne-Keller“, die Schreibweise „Sonnenkeller“ hat sich laut Helbing mit den Jahren ergeben, weil ohnehin jeder den Namen so aussprach. Als neuer Unterpächter der Kneipe erneuerte und vergrößerte der studierte Architekt zunächst die Bühne des Kellers. Auch die Tontechnik, die dort bis heute in Gebrauch ist, wurde damals vollständig von ihm selbst installiert.

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Der Helloween-Sänger Michael Kiske mit seiner Band "Unisonic" auf der heutigen Bühne des Sonnenkellers.

Zu der Zeit arbeitete er noch in Baden-Baden, von wo aus er regelmäßig nach Balingen fahren musste, um sich um den Keller zu kümmern. Das Konzept einer auf Rockmusik und Club-Shows spezialisierten Kneipe in Balingen war vielversprechend. „Damals gab es eine große Nachfrage an ‚Wir wollen keine Disco‘“, erzählt der Wirt. Auch habe der Gaststättenbetreiber Karl-Heinz Braun bereits den Weg für Live-Clubs in der Region geebnet und den zuständigen Ordnungsämtern das Konzept nähergebracht. Braun betrieb unter anderem die Römerklause in Balingen und das WOM in Hechingen. „Stefan, das hier ist noch eine richtige Kneipe“ soll er über den Sonnenkeller gesagt haben, begeistert von der Location im Gewölbekeller.

Einige prominente Gäste

In der Zeit von 2006 bis heute konnte Helbings Sonnenkeller einige bemerkenswerte Erfolge verzeichnen, so traten dort unter anderem schon die Band Killerpilze, der ehemalige Iron Maiden-Frontman Blaze Bailey oder der Helloween-Sänger Michael Kiske mit seiner Band Unisonic auf.

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"Vom Ritchie" von den Toten Hosen live im Sonnenkeller

Auch Musiker der Fantastischen Vier, Queens of the Stone Age, Rolling Stones und Misfits standen bereits im Sonnenkeller auf der Bühne. Als das Gebäude der „Sonne“ im Jahre 2013 von Santo di Prima, dem Inhaber von La Pergola, aufgekauft wurde, stand daher auch nie zur Debatte, dass Helbing den Keller nicht auch weiterhin pachten könne. Selbst wenn der Betrieb im „Soke“ mal schleppend lief, sei immer die Sicherheit da gewesen, dass es bald darauf wieder vollen Andrang geben würde.

Mit Corona hat sich alles verändert

Mit Corona habe sich das allerdings geändert. Seit der Pandemie sinkt die Nachfrage an Live-Clubs wie dem Sonnenkeller stetig. In der Folge sehen sich immer mehr Clubs dazu gezwungen, den Betrieb einzustellen. In den Medien hat sich für diesen Rückgang der Begriff des „Clubsterbens“ etabliert. Die Ursachen dafür sind vielseitig: Zum einen ist die Pandemie selbst verantwortlich, während der viele Gaststätten gar nicht oder nur unter strengen Hygieneauflagen öffnen konnten und viele Kunden aus Vorsicht nicht mehr kamen.

Als Grund dafür, warum es auch nach der Pandemie in vielen Betrieben nicht mehr so läuft, wie zuvor, nennt Helbing die Vorsicht der Menschen vor dem Ausgehen, die auch lange nach der Pandemie weiterhin angehalten habe, sowie die momentane Inflation. Denn wenn Menschen sich um steigende Preise in allen Bereichen des Lebens Sorgen machen müssen, sparten sich viele das Geld für den Clubbesuch lieber.

Für jeden etwas dabei

Im Moment laufe der Laden aber gut. Aktuell bietet der Sonnenkeller ein abwechslungsreicheres Programm denn je, mit individuellen Veranstaltungen an jedem Freitag und Samstag. Noch immer finden dort zahllose Konzerte aus den Bereichen Rock, Metal und Punk statt, aber auch für die Fans von Indie Rock, Blues, Electromusik oder des Singer-Songwriter-Genres gibt es einiges an Veranstaltungen.

Darüber hinaus werden Karaoke-Abende und Live-Übertragungen von Sport Events abgehalten, sowie ein „Kellerraten“-Quizz mit Boris Retzlaff an jedem letzten Donnerstag im Monat. Wie lange Helbing den „Soke“ noch weiterführen würde, konnte er uns noch nicht sagen. Motivation und kreative Ideen hätte er noch, sagt er, allerdings sei nicht absehbar, ob und wann das Clubsterben auch den Sonnenkeller eines Tages treffen würde.

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