Zollernalbkreis

Aufnahme von Flüchtlingen, Hilfstransporte Richtung Ukraine: Die Zollernälbler handeln

02.03.2022

Von Jasmin Alber, Von Volker Bitzer, Von Holger Much

Aufnahme von Flüchtlingen, Hilfstransporte Richtung Ukraine: Die Zollernälbler handeln

© Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

Die Feuerwehr stellt Ausrüstung für die Bewältigung der Arbeit an den Einsatzstellen in der Ukraine zur Verfügung.

Der Ukraine-Krieg wird in Europa zu einer großen Fluchtmigration führen. Viele Experten sprechen jetzt schon von einer der größten. Wie bereitet sich der Zollernalbkreis darauf vor? Kommunale und private Hilfsaktionen vor Ort sind bereits in vollem Gang. Währenddessen werden von hier aus auch immer mehr Spendentransporte in Richtung ukrainische Grenze losgeschickt.

Die Solidarität mit den Opfern des Kriegs in der Ukraine ist immens. Dabei stellt sich aber auch ganz konkret die Frage: Wo finden Geflüchtete, die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen, im Zollernalbkreis ihre erst einmal vorübergehende Bleibe?

Steht die LEA wieder vor der Reaktivierung?

Rückt aufgrund der zu erwartenden Ankunft der Flüchtlinge die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Meßstetten nun doch wieder in den Mittelpunkt? Eine Reaktivierung wurde bekanntlich erst vor wenigen Wochen auf Eis gelegt. Aber damals war von einer solchen Entwicklung natürlich noch nichts bekannt.

Ministerium kann noch keine Prognose geben

Nichts bekannt in dieser Hinsicht ist bislang offensichtlich auch beim Justizministerium Baden-Württemberg. Und falls doch schon Pläne in der Schublade liegen, gibt die Pressestelle zumindest noch nichts Näheres heraus. „Wir können da zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Prognose machen“, sagt Robin Schray, der Pressesprecher des Ministeriums auf telefonische ZAK-Nachfrage. Man müsse erst wirkliche Flüchtlingszahlen und Zuweisungen abwarten, erst dann würde konkret geplant.

Auch der Bürgermeister hat noch keine Infos aus Stuttgart

Weiß möglicherweise Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft schon mehr? Trotz seines 36. Geburtstages, den er am Mittwoch zusammen mit seiner Familie feierte und deshalb nicht offiziell im Rathaus war, haben wir von ihm eine E-Mail-Antwort erhalten.

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Sie organisieren federführend die Hilfe aus Albstadt: Bürgermeister Steve Mall, der stellvertretende Feuerwehrkommandant Felix Sandel und OB Klaus Konzelmann (von links).

© Stadt Albstadt

© Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

© Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

© Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

© Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

© Kreisfeuerwehrverband Zollernalb

Darin schreibt der Schultes wörtlich: „Der menschenverachtende Krieg Putins hat zu einer weltweiten Verurteilung und gleichzeitigen Solidarität mit der Ukraine geführt. Mehr als 900.000 Menschen sind derzeit nach Angaben der UN auf der Flucht. Es ist zu erwarten, dass über vier Millionen Menschen vor dem Krieg fliehen und ihre Heimat verlassen werden. Vor allem für Europa und Deutschland muss es deshalb ein selbstverständliches Gebot der Menschlichkeit sein, humanitäre Hilfe zu leisten. Bei uns stehen alle Bundesländer und Kommunen in der Pflicht, Menschen in dieser existenziellen Notlage zu helfen und aufzunehmen.“

Auf alle Eventualitäten vorbereiten

„Obwohl ich aus dem für Migrationsfragen zuständigen Justizministerium Baden-Württembergs weder Informationen zum gegenwärtigen Sachstand noch eine konkrete Anfrage zu einer möglichen Unterbringung flüchtender Menschen aus der Ukraine erhalten habe, sind das Land, die Landkreise sowie die Städte und Gemeinden gut beraten, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.“

„Seit Tagen bereiten wir uns auf die Aufnahme und Unterbringung der Menschen vor, die vor dem verbrecherischen und menschenverachtenden Putin-Krieg aus ihrer Heimat fliehen müssen“, so Landrat Günther-Martin Pauli. „Hierfür konzentrieren wir uns auf eine größere Kreiseinrichtung.“

Rechts- und Sozialdezernent Georg Link erläutert ergänzend dazu, dass die Aufnahmekapazitäten der vorläufigen Unterbringung des Landkreises gegenwärtig ausgeschöpft sind. Der überwiegende Teil der ukrainischen Staatsangehörigen, die bereits im Zollernalbkreis angekommen sind, wohnt aktuell bei Freunden, Bekannten oder Angehörigen.

Landratsamt sammelt Angebote für Unterbringung

Die Aufnahmebereitschaft sei sowohl bei den Städten und Gemeinden als auch in der Bevölkerung sehr groß, schreibt die Pressestelle des Landratsamts auf ZAK-Nachfrage. Derzeit würden viele Privatpersonen der Landkreisverwaltung Wohnraum als vorübergehende Unterkunft für ukrainische Geflüchtete anbieten und das sogar größtenteils kostenlos. „Wir sammeln die Angebote im Amt für Zuwanderung und Integration“, schreibt Sprecherin Marisa Hahn.

Wer Wohnraum zur Verfügung stellen möchte, kann sich per E-Mail an fluechtlinge@zollernalbkreis.de oder telefonisch unter der Nummer 07433 921311 melden. Laut Marisa Hahn gingen – Stand Mittwochnachmittag – bereits 16 Angebote für die Unterbringung von insgesamt 64 ukrainischen Geflüchteten ein.

Arbeitsstab Ukraine ist seit Dienstag aktiv

Das Landratsamt des Zollernalbkreises stellt sich insgesamt auf die derzeitige Situation und das insgesamt noch sehr diffuse Zuwanderungsgeschehen ein. Dafür wurde bereits am Dienstag ein Arbeitsstab Ukraine gegründet. Denn wie viele Menschen in den Landkreis kommen – „ist noch völlig unklar“, sagt Georg Link im Gespräch mit der Redaktion. Man gehe davon aus, dass die Geflüchteten zunächst in den östlichen Bundesländern ankommen. Die Kreisbehörde stelle sich aber auf verschiedene Szenarien ein. „Die sich sehr dynamisch und dramatisch entwickelnde Lage in der Ukraine erfordert für den Zollernalbkreis ein koordiniertes Vorgehen bei allen Fragen und zu treffenden Maßnahmen“, ergänzt Hahn.

Am Freitag wird laut Link eine Videokonferenz zur Abstimmung mit Hilfsorganisationen und Kirchen stattfinden.

Zehn Kinder aus der Ukraine werden bei Privatperson aufgenommen

Was bereits feststeht, ist, dass voraussichtlich am späten Mittwochabend Kinder aus der Ukraine in Balingen ankommen werden. Das hatte Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann bereits bei der Solidaritätskundgebung am Dienstagabend auf dem Marktplatz mitgeteilt. Es handelt sich dabei um die zehn kleinen Bewohner eines Kinderheims in der Ukraine, die mit drei Betreuern geflüchtet sind.

„Die Kinder werden von einer Privatperson aufgenommen“, informiert der Sozialdezernent über die Hilfsinitiative. Das Jugendamt des Landkreises stehe in Kontakt mit der Frau, bei der die Kinder unterkommen werden. „Wir werden sie unterstützen“, sagt er. Man werde zudem vor Ort vorbeischauen, um das weitere Vorgehen festzulegen, wenn die Geflüchteten angekommen seien.

„Da die Kinder ohne Erziehungsberechtigte kommen, übernimmt das Jugendamt die Vormundschaft, bis andere Personen als Vormund eingesetzt sind“, erklärt Link.

Viele Kontakte vom Zollernalbkreis in die östlichen Staaten

Im Zollernalbkreis leben 196 Personen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft. Es gibt also viele Kontakte – auch über Menschen, die aus den Nachbarländern im slawischen Raum oder Kasachstan stammen und in Deutschland leben – in das Land, in dem seit einigen Tagen Krieg herrscht. Hier sei von Vorteil, dass viele von ihnen, ebenso wie die meisten Ukrainer, russisch sprechen und die Verständigung somit keine Hürde sei, meint Link.

Die Stadt Albstadt unterstützt, so informiert sie in einer Pressemitteilung, mit Sachspenden ihrer Freiwilligen Feuerwehr den ukrainischen Katastrophenschutz. „Wir sind erschüttert über den kriegerischen Angriff auf die gesamte Ukraine“, so Oberbürgermeister Klaus Konzelmann. Die Verwaltungsspitze und Felix Sandel, stellvertretender Feuerwehrkommandant, organisierten federführend die Hilfe aus Albstadt.

Vom Kraftstoffkanister zum Stahlrohr

In einer Gemeinschaftsaktion mit Feuerwehrangehörigen und hauptamtlichen Gerätewarten der Feuerwehr Albstadt wurde Material wie Stromerzeuger, Saugschläuche, Stützkrümmer, Strahlrohre, Feuerwehrschläuche, Schlauchtragekörbe, Kupplungsschlüssel, Kraftstoffkanister und auch Krankentragen zusammengestellt. Die Sachspenden werden nach Fellbach geliefert. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt den Katastrophenschutz der Ukraine und übernimmt den Transport der Lieferung bis zur ukrainischen Grenze.

Leerstehende Wohnungen werden überprüft

Zudem, ergänzt Albstadts Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, sei die Verwaltung seit Dienstag dabei, die aktuell leerstehenden Wohnungen im Besitz der Stadt auf ihre Bewohnbarkeit hin zu prüfen. „Es werden sicher Flüchtende aus der Ukraine auch in Albstadt ankommen“, schätzt der OB. „Dann sind wir vorbereitet und können vermutlich einigen Familien Wohnraum bieten.“ Wieviel Wohnraum genau zur Verfügung gestellt werden könne, das könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden.

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