Hechingen

Arbeitskreis Asyl Hechingen und Jobcenter suchen nach dem perfekten Match

28.11.2023

Von Olga Haug

Arbeitskreis Asyl Hechingen und Jobcenter suchen nach dem perfekten Match

© Olga Haug

Sie vertragen sich wieder: Jürgen Fischer und Jörg Würfel (3. u. 2. v. rechts) machen nun gemeinsame Sache. In einem gemeinsamen Projekt setzen sie sich mit Almut Petersen, Christiane Gersdorf, Anette Robertz (v.l.) und Johanna Nanko (rechts) für mehr Integration auf dem Hechinger Arbeitsmarkt ein.

Auch wenn es zwischen SPD-Fraktionschef Jürgen Fischer und Jobcenter-Chef Jörg Würfel nicht gleich gefunkt hat, wollen sie jetzt auf dem Arbeitsmarkt mit dem Arbeitskreis Asyl in Hechingen den Turbo zünden.

Der Aufwand ist gering, das Resultat effektiv. Das zumindest erhoffen sich der Arbeitskreis Asyl Hechingen und das Jobcenter, die sich gemeinsam ein Ziel gesetzt haben: mehr Geflüchtete in Arbeit bringen. Hatte Hechingens SPD-Fraktionschef Jürgen Fischer Anfang Oktober noch deutliche Worte in Richtung Jobcenter: „Die Mitarbeiter des Jobcenters kümmert es überhaupt nicht, ob die Menschen arbeiten wollen“, sitzt er nun mit Jobcenter-Chef Jörg Würfel an einem Tisch, um gemeinsame Sache zu machen. Zuvor hatte Würfel die Vorwürfe von Fischer im ZOLLERN-ALB-KURIER dementiert. Fischer wiederum habe sich missverstanden gefühlt, sagte er am Dienstag.

Idee kam vor „Integrationsturbo“ des Arbeitsministers Heil

Nach einem klärenden Gespräch, zu dem Jörg Würfel geladen hatte, entstand die Idee eines Fragebogens. Sowohl Arbeitgeber als auch Geflüchtete können das Papier ausfüllen und an den Arbeitskreis Asyl zurückgeben. Dieser wertet den Inhalt aus und am Ende kommt bestenfalls das perfekte Match zustande. Die Initiatoren betonen unisono – wenn auch augenzwinkernd –, ihre Idee sei früher entstanden als der sogenannte „Integrationsturbo“, den Arbeitsminister Hubertus Heil auf den Weg bringen will.

Je ein Fragebogen für Geflüchtete und einer für Arbeitgeber

Wie soll nun konkret der Turbo in Hechingen gezündet werden? Ein geflüchteter Mensch, der beispielsweise im vom Arbeitskreis organisierten Deutschkurs sitzt, füllt den Fragebogen aus – darunter Fragen wie: Welche Sprache sprichst du? Was möchtest du arbeiten? Hast du einen Führerschein? Wie viele Stunden möchtest du arbeiten? Ein Pendant gibt es für die Arbeitgeberseite.

Ein Ansprechpartner für beide Seiten

Dafür gibt es doch digitale Lösungen beim Jobcenter, könnte man meinen. „Mir gefällt es sehr gut, dass der Arbeitskreis Potentiale nutzt und direkt auf Menschen zugeht“, sagt Jobcenter-Chef Würfel. Und genau darin soll der Unterschied liegen: der direkte Kontakt und ein Ansprechpartner, der auf beiden Seiten vermittelt, der für Fragen da ist, der eine Hand reicht. Dafür machen sich die Ehrenamtlichen vom Arbeitskreis gerne den Aufwand und werten die von Hand ausgefüllten Papiere aus. „Und wenn dadurch nur 20 Personen in die Arbeit integriert werden, dann hat es sich dennoch gelohnt“, betont Arbeitskreisvorsitzende Almut Petersen. Für sie und ihre Mitstreiter ist nämlich bei der Aktion eines besonders wichtig: die sprachliche Hürde abbauen. Und zwar jene Annahme entkräftigen, Geflüchtete können erst dann eingestellt werden, wenn sie der deutschen Sprache mächtig sind oder bestimmte Sprachkurse absolviert haben. „Hier haben wir ganz andere Erfahrungen gemacht“, bekräftigt Fischer.

Sprache kommt erst in der Praxis

In der Theorie könne Sprache zwar erlernt werden, gut gesprochen werde sie aber erst in der Praxis. Viele Betriebe, so Fischer weiter, hätten Mitarbeiter, die selbst einen Migrationshintergrund haben und somit mehrere Sprachen sprechen. So könnten auch Menschen mit Deutschschwierigkeiten eingestellt und schnell integriert werden. Nichtsdestotrotz sollen Sprachkurse fester Bestandteil ihres Projektes sein. Vielleicht, so die Theorie der Initiatoren, könnten sich Arbeitgeber vorstellen, ihre neuen Mitarbeiter für eine gewisse Anzahl an Stunden für einen Deutschkurs freizustellen.

Sorgt für mehr sozialen Frieden

Den Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern erhoffen sich die Ehrenamtlichen über die Wirtschaftsdatenbank der Stadt, die das Projekt mit voller Überzeugung unterstützt – sagen zumindest Petersen und Fischer. Bürgermeister Philipp Hahn ließ sich beim Pressegespräch am Dienstag entschuldigen. Für die Stadt sieht der Arbeitskreis nur Vorteile: sozialer Frieden, höhere Steuereinnahmen und weniger Sozialabgaben. „Unserer Erfahrung nach ist es besser, wenn Geflüchtete schnell für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen, anstatt zu lange im Sozialsystem auf der Warteposition gehalten werden“, berichtet Fischer.

„Die Unternehmen brauchen schnell Mitarbeiter“

Bürokratische Hürden sind schon lange nicht mehr das Problem für Arbeitgeber, sagt Jörg Würfel. Aus Erfahrung weiß der Jobcenter-Chef, dass die Bürokratie gerne in Kauf genommen wird. „Die Unternehmen brauchen schnell Mitarbeiter“, sagt Würfel. Auch wenn die Genehmigung der Ausländerbehörde, die für den Arbeitsbeginn ihr Häkchen setzen muss, nach wie vor wie ein Flaschenhals wirkt – selbst wenn der Asylantrag schon längst durch ist.

Möglichst schnell in eine Arbeitsverhältnis bringen

Am Freitag findet der nächste Deutschkurs statt. Dann soll das Projekt in die Praxis gehen, die Fragebögen an die Kursteilnehmer verteilt werden. Die Botschaft ist für Petersen ganz klar: „Fangt an zu arbeiten!“ Und damit appelliert sie auch an jene, die eine hohe Ausbildung haben, zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland aber nicht sofort in ihre Professionalität einsteigen können. Wichtig, so Petersen, sei es zunächst mal in der Arbeitswelt Fuß zu fassen und sich dann Schritt für Schritt zu einer qualifizierten Position zu arbeiten. Und das ist der springende Punkt: Wenn eine Person in einem sozialpflichtigen Arbeitsverhältnis steht, dann sind über die Arbeitsagentur Fortbildungen und Qualifizierungen möglich, erklärt Johanna Nanko, Vermittlerin beim Arbeitgeberservice. „Von der Hilfskraft zur Fachkraft“, berichtet Nanko aus ihrem Erfahrungsschatz.

Sprachliche Hürden minimieren

Dabei spielt es für das aktuelle Projekt keine Rolle, woher die geflüchtete Person stammt. Der Fragebogen richtet sich an jene, die eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland haben, das Asylverfahren somit abgeschlossen ist. Das sollte zumindest keine bürokratischen Hürden für das Einstellungsverfahren mit sich bringen. Mit dem gemeinschaftlichen Projekt soll nun auch die sprachliche Hürde minimiert werden.

Speziell Sprachkurse für Arbeitende

Der Arbeitskreis Asyl hat es sich (weiterhin) auf die Fahne geschrieben, ehrenamtliche Sprachkurse anzubieten, die sprachliche Weiterbildung effektiv zu unterstützen. Und, so betonen die Initiatoren, solange es keine geeigneten offiziellen Angebote gibt, soll bei entsprechender Nachfrage speziell ein Sprachkurs für Arbeitende angeboten werden, der sich vor allem mit den gängigen Arbeitszeiten verträgt.

Alle Informationen zum Projekt und die Fragebögen gibt es online:

ak-asyl-hch.de

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