Balingen

„Alltagsqualität riskieren“: Landrat diskutiert beim Bürgerdialog mit Handels-Expertin

28.01.2021

Von Jasmin Alber

„Alltagsqualität riskieren“: Landrat diskutiert beim Bürgerdialog mit Handels-Expertin

© Landratsamt

Sabine Hagmann und Landrat Günther-Martin Pauli diskutierten am Mittwoch über die Lage im Einzelhandel und beantworteten Fragen.

Beim zweiten Online-Bürgerdialog mit Landrat Günther-Martin Pauli war Sabine Hagmann zu Gast. Die Hauptgeschäftsführerin des baden-württembergischen Handelsverbandes informierte über ihre Arbeit und aktuelle Anforderungen. Der Fokus des Gesprächs war auf die Auswirkungen der coronabedingten Einschränkungen im Handel und den Lockdown gelegt. Hagmann wie Pauli sprachen sich für eine Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte unter Auflagen aus.

Eins wurde im Verlauf des einstündigen Online-Bürgerdialogs am Mittwochabend klar: Sowohl Landrat Günther-Martin Pauli als auch sein Gast, die Hauptgeschäftsführerin des baden-württembergischen Handelsverbandes Sabine Hagmann, sprechen sich für eine Öffnung des Einzelhandels unter bestimmten Auflagen aus. Ohne damit die Pandemie kleinreden zu wollen, wie sie betonten.

Denn mit den coronabedingten Auflagen und dem Lockdown seien viele Branchen – neben Einzelhändlern auch beispielsweise Friseure oder Fitnessstudios – mit einem faktischen Berufsverbot konfrontiert, konstatierte der Landrat. Und das, obwohl sie in Vorleistung gegangen seien. Das sorge für Unmut, Unverständnis und nicht zuletzt Existenzängste der Betroffenen aus der Raumschaft.

Landrat fordert: Alltagsqualität riskieren

Pauli appellierte an die Entscheider in der Politik, „Alltagsqualität zu riskieren“. Er ist überzeugt, dass Geschäftsleute in der Lage seien, verantwortungsbewusst Hygiene- und Sicherheitskonzepte umzusetzen und dass kein Totalstillstand verordnet werden müsse.

Händler können, so Pauli, eine Zeit lang die Zähne zusammenbeißen und den Gürtel enger schnallen, „aber man sollte als politische Verantwortliche nicht riskieren, den Stecker endgültig zu ziehen“, so Pauli. Er stellte den Vergleich an, dass es bei den Regulierungen wie bei einer guten Medizin sei: „Wenn man zu viel davon nimmt, wird es ungesund.“ Das könne sie nur unterstreichen, ergänzte Hagmann.

Diskussionen sind notwendig und müssen sachlich geführt werden

Diskussionen über die Corona-Maßnahmen der Politik seien im demokratischen Miteinander notwendig, sollten aber sachlich geführt werden, sagte Pauli.

Neben dem Austausch zur allgemeinen Lage des (Einzel-)Handels und Aktuellem aus der Arbeit des Landesverbands wurden wieder Fragen der Zuschauer, die über die Kommentarfunktion gestellt werden konnten, beantwortet.

Schuhhändler Rainer Weith nutzte die Gelegenheit, sich zu erkundigen, ob staatliche Unterstützungen zurückbezahlt werden müssen. Hier gebe es unterschiedliche Informationen. „Diese Situation ist leider noch nicht geklärt“, antwortete Hagmann. Der Verband habe schon einiges erreicht, sie habe aber jüngst noch 19 Detailfragen ans Wirtschaftsministerium adressiert – unter anderem auch die Frage, die Weith stellte.

Click and Collect in der Modebranche populärer machen

Jürgen Greß, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Zollernalb, erkundigte sich, ob Click and Collect angenommen werde. Diese Einkaufsmöglichkeit bei den Einzelhändlern – also online Waren zu bestellen und im Geschäft abzuholen – sei laut Hagmann vor allem im Elektrowarenbereich eine praktikable Lösung, die gut funktioniere. Im Bekleidungsbereich sei dies hingegen nicht sehr populär. „Es ist einfach noch nicht so richtig in die Köpfe der Verbraucher gerutscht. Deshalb mein Aufruf, Click and Collect lokal zu nutzen“, wirbt sie.

Holger Müller, einer der Geschäftsführer von Kleider Müller in Geislingen, bestätigte dies. „Ich erlebe täglich, wie schwierig es ist, Bekleidung unter diesen Bedingungen zu verkaufen. Passform, Größe, . . . Wir würden jedes Hygiene-Konzept mitgehen“, schrieb er in den Kommentaren. Es sei teilweise beschämend, wenn man zum Beispiel Trauernden keine ordentliche Bekleidung für eine Trauerfeier verkaufen könne.

Müller beschrieb auch, dass es in seinem Haus noch keine Infektion beim Personal gegeben habe. Und untermauerte damit auch die Aussagen von Pauli und Hagmann, dass das Infektionsrisiko im Einzelhandel unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen erfahrungsgemäß sehr gering sei.

Lebensmittel möglichst einzeln einkaufen

Große Supermärkte mit Zusatzsortiment standen ebenfalls bei den Kommentatoren in der Kritik. „Es ist sehr deprimierend, wenn man die Werbung der Non-Food-Artikel in den Flyern sieht. Das kann doch nicht sein. Die kleinen Händler müssen zuschauen, was die ‚Großen‘ verkaufen!“, äußerte sich beispielsweise die Balinger Geschäftsfrau Susanne Mebold in der Kommentarspalte. Sie könne den Frust der Einzelhändler verstehen, so Hagmann. Es gebe allerdings genaue Vorgaben, wann ergänzend zum Lebensmittelsortiment Bekleidung oder Haushaltswaren verkauft werden dürfen.

Apropos: Die beiden Gesprächspartner des Online-Bürgerdialogs appellierten eindringlich an die Bevölkerung, dass Einkäufe im Supermarkt oder Discounter – egal ob mit oder ohne Zusatzsortiment – möglichst einzeln und nicht mit der ganzen Familie erledigt werden sollten. So können weitere Sozialkontakte reduziert werden.

Diesen Artikel teilen: