Balingen

Tödlicher Fasnetsunfall: Richterin befangen?

09.11.2017

von Michael Würz

Der Prozess um den tödlichen Unfall bei der Fasnet in Binsdorf 2016 beginnt unerwartet: Es muss geklärt werden, ob die Richterin befangen ist.

Eigentlich hätte vor dem Balinger Amtsgericht am Donnerstagmorgen der Prozess um den Unfall nach dem Fasnetsumzug in Binsdorf beginnen sollen, bei dem im vergangenen Jahr eine Frau ums Leben gekommen ist. Sie war seinerzeit mit einer Gruppe Musiker auf das Piratenschiff der „Hainburgpiraten“ gestiegen, aus dem daraufhin ein Teil der Fassade herausgebrochen ist. Die Frau stürzte auf die Straße und erlag ihren schweren Verletzungen noch am Unfallort.

Tödlicher Fasnetsunfall: Richterin befangen?

© Michael Würz

Amtsgericht Balingen, kurz nach 8 Uhr: Einer der beiden Verteidiger, Rüdiger Kaulmann, erklärt in einem Fernsehinterview seine Strategie: „Die Hainburgpiraten waren eine GbR.“ Einen einzelnen Mann als Halter zu verurteilen – das geht aus Sicht des Anwalts gar nicht.

Zwei Männer aus Grosselfingen, laut Staatsanwaltschaft der Fahrer und der Halter des Fasnetswagens, hatten zwischenzeitlich Strafbefehle erhalten. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung. Gegen diese Strafbefehle legten die Verteidiger Einspruch ein, sodass der Fall nun vor dem Balinger Amtsgericht verhandelt wird. Gleich zu Beginn des heutigen Prozesstages, zu dem die ersten 13 von insgesamt rund 30 Zeugen geladen waren, stellte Rechtsanwalt Christian Müller im Namen seines Mandanten – der Fahrer des Gefährts – jedoch einen Befangenheitsantrag gegen Richterin Birgit Goßger.

Falsche Zitate in der Presse?

Stein des Anstoßes: Der Schwarzwälder Bote hatte die Richterin in einem Bericht vor einigen Tagen mit mehreren rechtlichen Einschätzungen zu dem Fall wörtlich zitiert. Laut Schwarzwälder Bote soll die Richterin gesagt haben: „Die Hainburgpiraten hätten auf der Fahrt von der Festhalle in den Ort niemanden mitnehmen dürfen. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Nur während des Umzugs darf eine gewisse zugelassene Personenzahl auf solch einen Fasnetswagen.“ Und weiter: „Der Fahrer hätte darauf achten müssen, dass niemand mitfährt.“ Letzteres toppe die ganze Sache noch, befand Verteidiger Christian Müller, dessen Mandant sich von der Richterin vorverurteilt sehe.

Denn genau diese Fragen seien eigentlich Gegenstand des Prozesses; das ist auch der Richterin klar, wie sie mehrfach beteuerte. Schon deshalb schließe sie aus, sich in dieser Form gegenüber dem Redakteur geäußert zu haben. Sie habe den fertigen Bericht am Familientisch zu Hause gelesen. „Das Erste was ich dachte, war, dass ich das nicht gesagt habe“, gab sie den Verteidigern mit auf den Weg, nachdem sie ihre schriftliche Stellungnahme verlesen hatte.

Die Zweifel bleiben

Verteidiger Müller indes hält den Befangenheitsantrag aufrecht. Die Stellungnahme der Richterin reiche nicht aus, um seinen Mandanten von ihrer Unabhängigkeit zu überzeugen, sagte er. Auch, weil es sich immerhin um – anscheinend – wörtliche Zitate der Richterin handelt. Goßger vertagte den Prozess daher. Und kündigte an, am nächsten Verhandlungstag, der am 16. November stattfindet, zunächst den Redakteur des Schwarzwälder Boten zu vernehmen, der den Artikel geschrieben hatte. Traude Kurz, Direktorin des Balinger Amtsgerichts, muss entscheiden, ob Birgit Goßger den Fall weiterverhandelt oder dieser weitergegeben wird.

Sie habe bislang ausschließlich gute Erfahrungen mit der Presse gemacht, sagte Richterin Goßger außerhalb der Verhandlung. Auch deshalb habe sie sich auf das Gespräch mit dem Redakteur eingelassen, von dem sie sich nun völlig falsch zitiert sieht. Die beiden Verteidiger, Christian Müller, der den Fahrer des Umzugwagens vertritt und Anwalt Rüdiger Kaulmann, der den Mann vertritt, den die Staatsanwaltschaft als verantwortlichen Halter sieht, kündigten bereits an, über den Befangenheitsantrag hinaus ganz grundsätzliche Zweifel an der Bewertung der Ermittler äußern zu wollen. Aus ihrer Sicht sei es falsch, einen einzelnen Mann als Halter des Wagens auszumachen und zu verurteilen.

Wer ist verantwortlich?

„Bei den Hainburgpiraten handelte es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts“, sagte Kaulmann den zahlreichen Journalisten, die den Prozessauftakt verfolgten. „Da gibt es nicht einen Verantwortlichen; wenn, dann müsste der ganze Gerichtssaal voll sein mit Haltern des Fahrzeugs.“ Zudem äußern die Verteidiger Zweifel an einem Gutachten, das sich mit dem aus der Fassade der „Black Pearl“ herausgebrochenen Stück beschäftigt. „Wir haben das Teil, es ist in Balingen“, ließen sie auf Nachfrage unserer Zeitung wissen. „Wir können das beim nächsten Mal alle gemeinsam vor Gericht anschauen.“

 

Der tödliche Fasnetsunfall in Binsdorf

Der Fasnetsumzug in Binsdorf Ende Januar 2016 ist vorbei, als die Grosselfinger Hainburgpiraten mit ihrer „Black Pearl“ – ein in der Region bekanntes Piratenschiff – die Rückfahrt nach Binsdorf antreten. „Wir sind von der Festhalle in Binsdorf losgefahren, wo alle Narren nach dem Umzug ankamen“, hatten sie seinerzeit dem ZAK berichtet.

Plötzlich geht alles ganz schnell: Zahlreiche Musiker der Stadtkapelle Binsdorf sollen auf den Fasnetswagen aufgesprungen sein, der Festwagen ist hoffnungslos überladen. Die Außenwand hält dem Druck nicht stand, bricht aus dem Schiff. Eine 32 Jahre alte Musikerin stürzt auf die Straße und wird von dem Festwagen überrollt. 25 Besucher und Teilnehmer des Umzugs erleiden einen Schock. Die Hainburgpiraten haben sich zwischenzeitlich – tief betroffen von dem Unfall – aufgelöst. 

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