Hechingen

Trauer um Umut K. – drei Verdächtige in Haft

02.12.2016

von Hardy Kromer

Nach der Bluttat sind die Hechinger wie gelähmt. Wurde der erschossene Bisinger Opfer einer Verwechslung?

Blankes Entsetzen lähmt Hechingen, seit am Donnerstag ein junger Mann am Fuße der Staig von einem Schuss aus einem fahrenden Auto heraus getroffen wurde und in der kleinen Parkanlage zwischen „Hechinger Hof“ und Oldtimermuseum verblutete. Am Freitagabend versammelte sich eine schier unüberschaubare Menge von Freunden und Bekannten um die Angehörigen des erschossenen 22-jährigen Bisingers Umut K., um stumm oder schluchzend Abschied von dem Mordopfer zu nehmen. Mit Hunderten von Kerzen und Teelichtern hatten sie Umuts Namen und Herzen geformt.

Die Trauergemeinde fand nur wenig Trost in der Erfolgsmeldung, die zwei Stunden davor von der Hechinger Staatsanwaltschaft vermeldet worden war: Drei tatverdächtige Männer wurden festgenommen. Hintergrund der Tat soll ein Geschäft im Drogenmilieu sein. Die Freunde des 22-jährigen Bisingers fragen sich derweil: Ist Umut K. einer tragischen Verwechslung zum Opfer gefallen?

Den ersten Erfolg verbuchten die Fahnder bereits in der Nacht zum Freitag, als die 40-köpfige Ermittlungsgruppe der Kripo Rottweil das mutmaßliche Tatfahrzeug fand: den roten Kleinwagen, aus dem der tödliche Schuss abgegeben worden war. Die weiteren Ermittlungen haben dann ergeben, dass Hintergrund der Tat ein Drogengeschäft war, an dem mehrere Männer beteiligt waren. In Absprache mit der Staatsanwaltschaft Hechingen nahm die Kripo in und um Hechingen drei Männer fest, bei denen sich der Tatverdacht erhärtete. Bei mehreren Wohnungsdurchsuchungen fanden die Beamten umfangreiche Beweise.

Die Staatsanwaltschaft Hechingen hat gegen die drei Tatverdächtigen Haftbefehle beantragt – gegen einen wegen Mordverdachts, gegen die beiden anderen wegen eines Drogendelikts. Das Amtsgericht Hechingen hat die Männer zwischenzeitlich in Untersuchungshaft geschickt.

Trauer um Umut K. – drei Verdächtige in Haft

Kerzen für den erschossenen Bisinger Umut K.

Familie und Freunde weinen um den 22-jährigen Bisinger, der im vergangenen Jahr an der Hechinger Alice-Salomon-Schule sein Abitur machte. „Wir sind schockiert und haben keine Ahnung, warum das passiert ist“, sagen ehemalige Mitschüler, die zu der kleinen Parkanlage kamen, um Blumen und Bilder des Getöteten niederzulegen oder Kerzen anzuzünden.

Viele kommen gerne auf den 22-Jährigen zu sprechen. Der junge Mann kurdischer Abstimmung, der in Bisingen aufgewachsen ist, wird beschrieben als „ruhiger Junge, der bestimmt keine Feinde hatte“, als „witziger Typ, mit dem man viel lachen konnte“ und als „lieber Mensch, um den viele ehrlich trauern.“ Gesellschaftlich engagiert war der Junge auch: Seit einigen Jahren gehörte er dem Bisinger Jugendgemeinderat an. Für den FC Wessingen spielte er Fußball.

„Er war kein Typ, der Streit gesucht hat“, erzählt sein ehemaliger Mitschüler M. aus Hechingen. Ein trauernder junger Mann, der den Erschossenen als „guten Kollegen“ bezeichnet, sagt fast tonlos: „Ein paar reden von einer Verwechslung“.

Ein Hechinger Imbiss-Besitzer, der Umut K. ebenfalls gut kannte, weiß zu berichten, dass der 22-Jährige sich am frühen Donnerstagabend im Spielcasino im Oldtimermuseum aufgehalten hat. Dort sollte er zusammen mit einem Bekannten mit einem Anruf aufs Handy auf die Straße hinausgelockt worden sein. Gleich darauf traf ihn die tödliche Kugel aus dem roten Kleinwagen, der die Staig hinaufraste.

Ob der Schuss tatsächlich dem anderen Mann gegolten hat und der Bisinger schicksalsträchtig erwischt wurde? „Reine Spekulation“ sagt Nicole Luther, die Sprecherin der Hechinger Staatsanwaltschaft. Sie bestätigt allerdings, dass ein zweiter Mann dabei war, als der Schuss fiel.

„Es tut mir unendlich leid, dass so etwas hier passiert ist“, sagt Ferda Gözübüyük, die nur ein paar Meter entfernt ein Antiaging-Studio betreibt. „Normalerweise geschieht so etwas nicht in einer Kleinstadt.“

Angst auf die Straße zu gehen hat sie deshalb aber nicht. Eine Clique Jugendlicher, die beim Oldtimer-Museum steht und die Lage bespricht, ist da schon eher beeindruckt. „Ich weiß nicht, ob man abends noch raus kann“, meint ein Mädchen.

Ein 18-Jähriger wundert sich nicht über das Geschehene: „In Hechingen geht’s heftig ab. Da trägt ja bald jeder Zweite eine Knarre.“ Ein Dritter bremst ihn aus: Er möge nicht übertreiben. Aber ein mulmiges Gefühl bekomme man schon, wenn man sich Gedanken über die Bluttat mache.

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© Hardy Kromer

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