Winterlingen

Von beiden Kulturen geprägt

22.11.2014

von Nico Pannewitz

Wenn es nach der Landesregierung geht, soll Türkisch in Zukunft an Gymnasien unterrichtet werden. Yasemin Bozkurt ist bereit: Sie ist die erste staatlich geprüfte Türkischlehrerin Baden-Württembergs.

Von beiden Kulturen geprägt

© Nico Pannewitz

Eine Pionierin aus Winterlingen: Yasemin Bozkurt wünscht sich, in Zukunft Kindern und Jugendlichen Türkisch beizubringen. Damit dieser Wunsch Wirklichkeit wird, müssen Schulen und Eltern aber mitspielen.

„Ich sehe mich oft mit dem Begriff ,Migrantenkind' konfrontiert“, meint Yasemin Bozkurt. Die 26-jährige, frischgebackene Lehrerin aus Winterlingen rümpft die Nase. „Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich bin nicht anders.“ Dennoch will sie ihre türkischen Wurzeln nicht verhehlen, hat sie doch an der Universität Tübingen neben Deutsch, Englisch und Französisch auf Lehramt auch Türkisch als Beifach studiert. Und ist nach Ablegung ihres Staatsexamens die erste staatliche geprüfte Türkischlehrerin Baden-Württembergs.

„Meine Großeltern sind damals von Aksaray in Mittelanatolien nach Deutschland übergesiedelt“, verrät die 26-Jährige. Von klein auf wuchs Bozkurt mit beiden Sprachen auf und lernte die unterschiedlichen Kulturen kennen: „Ich bin von beiden geprägt worden, deutsch und türkisch.“ In der Realschule entdeckte sie darüber hinaus schnell ihre sprachliche Begabung, wusste bereits in der siebten Klasse, dass sie Lehrerin werden wollte. Nachdem sie bereits vier Jahre an der Uni Tübingen studiert hatte, erfuhr sie von der Einführung von Türkisch als Zusatzfach – und schrieb sich prompt zum Wintersemester 2011/12 ein. Neben ihr haben über zwölf Kommilitonen das Türkisch-Studium begonnen.

Yasemin Bozkurt erinnert sich zurück: „Ich dachte damals, dass ich bereits einigermaßen gutes Türkisch sprach. Doch ich musste viel dazulernen.“ Die Sprache zu beherrschen, die ihrer Erfahrung nach ein wenig Ähnlichkeiten mit Finnisch hat, war für sie kein Zuckerschlecken. „Türkisch hat einige Eigenheiten, die es Außenstehenden schwer machen können“, meint die Lehrerin.

Neben der reinen Sprache beinhaltete ihr Studium aber auch Fachdidaktik, landeskundliche Seminare und Literaturkurse. „Wir haben osmanische Lektüre sowie türkische Werke der Moderne gelesen und viel über die Kultur gelernt“, erinnert sich Bozkurt. Da sie die Türkei nur ab und zu durch Urlaubsaufenthalte kennen lernt, kommt ihr das gerade recht. Gerade die Tufflandschaft von Kappadokien in Zentralanatolien besucht sie gerne. Bei den Handlungen und Aussagen von Präsident Recep Tayyip Erdogan und seiner Regierung gibt sie sich unpolitisch: „Ich interessiere mich mehr für das Land und die Menschen. Es freut mich, wenn ich dort viele Touristen sehe.“

Yasemin Bozkurts Engagement für die türkische Sprache fällt nicht auf taube Ohren. Die grün-rote Landesregierung plant für das Schuljahr 2015/16 ohnehin die Einführung von Türkisch als dritte Fremdsprache an einigen Versuchsgymnasien. Für Bozkurt stehen aber zunächst andere Sprachen auf dem Lehrplan. „Ich habe vor kurzem erfahren, dass mein Referendariat im Januar beim Kreisgymnasium Riedlingen beginnt“, verrät die 26-Jährige. Türkisch wird dort noch nicht angeboten. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.

„Ich finde es spannend, zu beobachten, wie sich das entwickelt“, meint Bozkurt. „Die Schulen und Eltern müssen Interesse zeigen. Es sollte nicht so sein, dass schließlich nur ohnehin türkischstämmige Kinder in den Kursen sitzen.“ Dass das Vorhaben eine große Herausforderung wird, ist Bozkurt klar. Doch sie möchte sie gerne annehmen.

 

Türkisch als Schulfach? Das Schülerpotenzial wäre groß

Land Laut dem Ausländerzentralregister des statistischen Bundesamtes lebten Ende des Jahres 2013 fast 1 550 000 Bürger mit türkischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. 12,8 Prozent davon sind zwischen fünf und 20 Jahre alt, der Frauenanteil liegt insgesamt bei 48,2 Prozent.

Ländle Rund 270 000 türkischstämmige Bürger halten sich in Baden-Württemberg auf, etwa 4 810 davon im Zollernalbkreis. Damit beherbergt Baden-Württemberg als Bundesland nach Nordrhein-Westfalen (über 520 000) die meisten türkischen Einwohner. Die drei „bevölkerungsreichsten“ Regionen sind dabei die Räume Stuttgart, Ludwigsburg und Mannheim.

Schulkonzept Im aktuellen Bildungsplan Baden-Württembergs, der bis 2016 ausläuft, ist Türkisch an Gymnasien bereits als dritte Fremdsprache enthalten. In der Regel machen die Schulen davon aber abgesehen von einzelnen Türkisch-AGs nicht Gebrauch.

Integration Nicht zuletzt aufgrund des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung erhofft sich die grün-rote Landesregierung, durch eine mittelfristige Einführung von Türkisch als dritte Fremdsprache den geringen türkischstämmigen Schüleranteil an Gymnasien erhöhen zu können. Noch ist das Interesse der Schulen aber nicht groß. So wird es beispielsweise in Mannheim vorerst kein Türkischfach geben. Das zunächst interessierte Elisabeth-Gymnasium hat sich nicht darum beworben.

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