Balingen

Landtagspräsidentin zu Gast in Balingen: „Noch nie war Demokratie so bedroht wie jetzt!“

25.04.2024

Von Robin Irmscher

Landtagspräsidentin zu Gast in Balingen: „Noch nie war Demokratie so bedroht wie jetzt!“

© Robin Irmscher

Muhterem Aras, Katja Weiger-Schick und Nicole Hoffmeister-Kraut bei der gemeinsamen Talkrunde (von links).

Am Mittwochabend lud das „Aktionsbündnis Zollernalb – Demokratie ist mehrWert“ zu einer Veranstaltung in die Eberthalle ein, bei der unter anderem die Landtagspräsidentin Muhterem Aras und die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zu Gast waren. Das Thema des Abends war die Bedeutung der Demokratie für Deutschland und wie gefährdet diese im Moment ist.

„Demokratie lebt von der Mitwirkung aller, die sie anerkennen und sich für sie einsetzen“, so der Balinger Oberbürgermeister Dirk Abel zum Publikum in der Eberthalle. Der Abend war mit einer musikalischen Darbietung durch den Liederkranz Dotternhausen und einer Begrüßung der Anwesenden durch Dirk Abel gestartet. Anschließend betrat Landrat Günther-Martin Pauli die Bühne und betonte die Wichtigkeit, gerade jetzt als Demokratinnen und Demokraten zusammenzustehen.

Die Wahlbeteiligung geht zurück

Denn die kommunale Selbstverwaltung sei gefährdet, durch eine Abwendung vom demokratischen Miteinander. Zwei Drittel aller Wahlberechtigten hätten sich nicht an den letzten Bürgermeisterwahlen in Albstadt und Balingen beteiligt. Bereits 2019 sei der Zollernalbkreis negativ aufgefallen, als dieser den drittletzten Platz bei der Wahlbeteiligung für die Kreistagswahlen belegte.

Um so erfreulicher sei es, dass sich an diesem Abend so viele Menschen aus dem Kreis zusammengefunden haben, die sagen „Demokratie ist mehr Wert“. Seine Ansprache beendete er mit einer Bitte an den Landtag, die zahlreichen Regulationen zu „entrümpeln“, die auf kommunaler Ebene Ressourcen und Zeit verschwenden und die Lust vieler zur kommunalen Gestaltung beeinträchtigen würden.

Das Aktionsbündnis stellt sich vor

Es folgte eine Vorstellung des Aktionsbündnisses selbst durch Reinhold Schäfer (FW) und Elmar Wischnewski (FDP). Die Mitglieder des Bündnisses sind die Kreisverbände der CDU, der SPD, der FDP, der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen, sowie die Freie Wähler Vereinigung Zollernalb. Gemeinsam bekennen sie sich zu demokratischen Werten und folgen dem Ziel, für ein demokratisches Miteinander einzustehen.

75 Jahre Geschichte auf dem Spiel

„Von Balingen geht ein Zeichen aus, das diese Zeiten stark erfordern“, so Muhterem Aras zu Beginn ihrer Rede. „Wir Demokratinnen und Demokraten stehen zusammen“. In Ihrem Vortrag sprach sie über die Anfänge des Grundgesetzes, das im Mai dieses Jahres 75 Jahre alt wird. 75 Jahre Geschichte, die nun auf dem Spiel stünden, denn noch nie sei Demokratie so gefährdet gewesen, wie jetzt. Die größte Gefahr für die Demokratie, erklärte sie, sei der Rechtsextremismus. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass nicht wieder passieren könne, was nicht wieder passieren darf.

Hass beginnt mit der Sprache

Viele würden bereits bemerken, dass etwas Historisches in der Luft liege, dass sich etwas „zusammenbraue“. „Wann entlädt es sich? Können wir es abwenden? Ich sage klar und deutlich, ja wir können!“, betonte sie unter dem jubelnden Beifall des Publikums. Aber dafür müsse man sich ehrlich machen und gefasst. Die Sprache und Ankündigungen der Demokratiefeinde, so Muhterem Aras, sollte man ernst nehmen, denn Hass begänne immer mit der Sprache, mit Verallgemeinerungen wie „die Ausländer“ oder „die Politiker“. Diese würden den einzelnen Menschen unsichtbar machen, dem man in der Folge allerlei ankreiden könne.

„Zeigen wir Demokratiefeinden die rote Karte!“

Genau so würde es den Einzelnen unsichtbar machen, wenn von „dem Volk“ die Rede ist, welches dann angeblich mit einer Stimme spräche. Sie sprach auch über die Treffen von Potsdam und das Schlagwort der „Remigration“. Und davon, wie die in Potsdam diskutierten Pläne bei vielen Bürgern einen Nerv getroffen und sie aufgerüttelt hätten. Sie sprach darüber, dass Wut, Angst und Feindbilder im Kern des Rechtsextremismus stünden.

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Die Demokratie brauche eine „Intakte Brandmauer“, bemerkte sie zum Ende ihres Vortrags. Um sie zu schützen, könne jeder einen Beitrag leisten. Es gelte, klare Kante zu zeigen gegen Hass und gegen jede Art von Ausgrenzung und massenhaft an die Wahlurnen zu gehen. „Zeigen wir den Demokratiefeinden die rote Karte! Besser kann man 75 Jahre Grundgesetz nicht feiern.“

Der Mehrwert der Demokratie

Ihrem Vortrag folgte eine Poetry-Slam-Darbietung von Marcel Seidersberger, der drei Texte über Motivation, Liebe und Freundschaft performte. Anschließend gab es eine Talkrunde mit Muhterem Aras, der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und der SPD-Kreisvorsitzenden Katja Weiger-Schick. Die drei sprachen darüber, was den Mehrwehrt der Demokratie ausmache.

Dabei berichtete Muhterem Aras aus ihrer eigenen Lebenserfahrung: Geboren wurde sie in der Türkei. Dort wurde sie wegen ihrer Abstammung diskriminiert. 1978 nach Deutschland zu kommen und zu merken, dass ihre Wurzeln hier kein Verbrechen sind, sei ein unbeschreiblicher Glücksmoment gewesen. Sie möchte nie wieder in einem Land leben, in dem diese Freiheiten eingeschränkt sind.

Bei der Talkrunde ging es weiterhin darum, wie man gemeinsam die Demokratie schützen und wie man für sie einstehen könne, ohne dabei in Gefahr zu geraten. Auch Anfeindungen gegenüber Politikern, der richtige Umgang mit Fake News und die Bedeutung des objektiven Journalismus für die Demokratie waren Thema des Gesprächs.

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