Rottweil

Fangnetz an der Hochbrücke

17.02.2015

Jahrzehntelang war es ein Tabuthema: Durchschnittlich zwei Menschen sprangen jedes Jahr von der Rottweiler Hochbrücke in den Tod. Ein Fangnetz soll Abhilfe schaffen.

Fangnetz an der Hochbrücke

© NRWZ

Das neue Fangnetz an der Hochbrücke in Rottweil

Seit Kriegsende starben hier über hundert Menschen, die oft am helllichten Tag vor Passanten hinuntersprangen. Dennoch wurde darüber nie in der Presse berichtet, auch, weil die Stadtverwaltung darum bat – man befürchtete den sogenannten Werther-Effekt, also Nachahmer, die durch die Berichterstattung zum Suizid animiert wurden.

Stattdessen wurde vor Jahren eine Expertengruppe eingerichtet mit Fachärzten aus dem Vinzenz von Paul-Hospital, einem Zentrum für Psychiatrie, dazu Vertreter von Polizei, Verwaltung und dem Förderverein für psychisch Kranke. Diese versuchte, Lösungen zu finden und fand Ende 2010 auch eine: An der Hochbrücke wurde ein Bauzaun angebracht. Nicht schön, und auch nicht wirklich hilfreich – es sprangen dennoch Menschen in den Tod, man konnte den Bauzaun nämlich überwinden.

Das Thema wurde damit aber auch öffentlich. Hinterbliebene begannen, Blumen und Fotos auf der Hochbrücke abzulegen – ein Tabuthema war plötzlich keines mehr. Vorwürfe wurden laut, die Stadt wolle das Thema herunterspielen. Und Vorschläge wurden diskutiert, eine Studie aus der schweizerischen Stadt Bern, die an ihren Aarebrücken dasselbe Problem hatte, dann Fangnetze anbringen ließ und damit die Zahl der Suizide stark verringerte. Eine solche Lösung für Rottweil jedoch barg eine Menge Probleme.

Die Pfeiler der Hochbrücke stammen aus dem 13. Jahrhundert, die Bögen wurden 1764 gebaut, in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die denkmalgeschützte Brücke für den Autoverkehr verbreitert – man kannte die Statik nicht, musste sie erst aufwendig mit Bohrungen untersuchen. Dann das Eigentumsproblem: Die Brücke gehört dem Land, der Denkmalschutz hatte sowohl gegen Fangnetze etwas als auch gegen höhere Geländer. Außerdem würden Fangnetze die regelmäßigen Brücken-Überprüfungen erschweren, bei denen Fachleute sich von oben abseilen.

Zwölf Varianten wurden schließlich geprüft, darunter die Idee, die Netze an eigens errichteten Betonpfeilern aufzuhängen oder zwischen die Felswände zu hängen. Am Ende entschied man sich für eine Lösung, bei der die Fangnetze nun doch direkt an der Brücke befestigt sind.

Die Arbeiten sollten eigentlich im September des vorigen Jahres fertig sein, doch dann gab es weitere Probleme mit falsch gelieferten Teilen, der Bau verzögerte sich. Nun aber ist fast alles fertig, vor wenigen Tagen waren Spezialkletterer im Einsatz, welche die drei Meter breiten Edelstahlnetze an den Querstreben und den dazwischen gespannten Zugseilen befestigten. Die Kosten für die Gesamtmaßnahme liegen bei 580.000 Euro. NRWZ

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