Balingen

Das sprunghafte Känguru ist überall

13.12.2018

von Thomas Godawa

Das Altonaer Theater gab in der Balinger Stadthalle ein Gastspiel basierend auf Texten von Marc-Uwe Kling und wurde nach der mehr als zweistündigen Vorstellung bejubelt.

Der Applaus brandete auf und der Jubel brach sich Bahn, als das Ensemble des Altonaer Theaters die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling nach mehr als zwei Stunden auf der Balinger Stadthallenbühne geschlossen hatten, präsentiert vom ZOLLERN-ALB-KURIER. Auffällig viele junge Besucher waren im Publikum und begeistert bei der Sache.

Das sprunghafte Känguru ist überall

© Thomas Godawa

Auch die Frage, wer ist das Volk und der Umgang mit Nazis stellte sich in den Känguru-Chroniken mit Jannik Nowak, Johannes Merz und Stephan Möller-Titel (von links).

Zuvor hatten die Zuschauer im fast ausverkauften großen Saal ein Schnellfeuer von Sprüchen, Zitaten, Kalauern und Anzüglichkeiten erlebt. In Form und Gestalt gebracht und in Worte gefasst von Jannik Nowak als Känguru, Stephan Möller-Titel als Marc-Uwe, Katrin Gerken als Nachbarin und Herta, Johannes Merz als Psychiater und Polizist sowie Florian Miro als Musiker und Stimme aus dem Off.

Der Kabarettist, Liedermacher und Kleinkünstler Marc-Uwe Kling gehört zu den meistgelesenen Autoren der vergangenen zahn Jahre. Seine Radio-Kolumne im Berliner Radio Fritz „Neues vom Känguru“ wurde in der Kategorie „Beste Comedy“ mit dem Deutschen Radiopreis 2010 ausgezeichnet. Und der Zuspruch hat nicht abgenommen , was wohl auch an den veröffentlichen Hörbüchern liegt, wie auch an der Bühnenfassung, die von Marc-Uwe Kling selbst verfasst wurde.

Und los ging es mit dem Einzug des Kängurus in die Wohnung von Marc-Uwe Kling. Das Känguru ist Kommunist, vertilgt Unmengen von Schnapspralinen und kann die Klappe nicht halten. Heraus kommen absichtlich falsch zugeordneten Zitate wie, „Freiheit ist, nicht erreichbar zu sein (Deutsche Telekom) oder „Geld spielt keine Rolex“ (Boris Becker), „geht ins Ohr und bleibt im Kopf“ (Heckler und Koch) oder ein Gespräch mit Wortkauderwelsch wie schittebön.

Der Kleinkünstler schreibt alles mit, was sein Känguru von sich gibt und befragt dann seinen Psychiater dazu. Der Seelendoktor selbst lebt mit einem Gnu zusammen. Das Känguru kämpft gegen den Kapitalismus, sympathisiert mit der Rote Armee Fraktion (RAF), verbreitet Sinnsprüche und stellt Brecht und Böll nebeneinander und meint eigentlich Hermann Hesse. Eine nicht einfache intellektuelle Herausforderung. Es geht unterschwellig immer um die Frage sind wir nicht alle ein bisschen gaga, oder hat nicht jeder sein Känguru.

Vehement und kraftvoll

Schlussendlich geht es auch um Wertigkeit und wer diese festlegt? Die Antworten darauf stellten die Schauspieler vehement, kraftvoll, eindringlich, emotional und gekonnt auf der Bühne dar. Teils mit einem Schmunzeln über das eigene Tun. Das Känguru bleibt etwas anarchisch, chaotisch und ist nach wie vor sprunghaft, wie es Kängurus nun einmal so haben. Und es ist überall.

Mit dem Boxclub wird gegen die Nazis gekämpft. wobei das Känguru schon mal selbst mit dem Boxhandschuh ausholt. Eingebaut sind dabei etliche aktuelle politische Bezüge, wie die Frage: Wer ist das Volk?

Inzwischen schreibt der Kleinkünstler an einem Buch mit den gesammelten Einwürfen des Kängurus, das auch schon einen Titel für das literarische Werk hat: „Hitler, Terror, Ficken“. Das wird abgemildert über einen Vorschlag der bereits gefundenen Verlegerin in die Känguru-Chroniken, was dem Beuteltier gefällt, war es doch sein Vorschlag. Die Verlegerin findet den Anfang und die Mitte des Buches etwas schwach und es fehle der Antagonist, der dann in Form eines Pinguins auftritt und in Konkurrenz zum Känguru tritt, samt Schlägerei in Zeitlupe.

Unterbrochen werden die Episoden dann durch musikalische Intermezzi, Lautsprecherdurchsagen oder ein weiteres verfälschtes Zitat etwa über den FC Bayern oder die Deutsche Bank. Oder noch extremer: Macht kaputt, was euch kaputt macht (Axel Springer).

Dann steht das Känguru kurz vor der Ausweisung, weil es nicht produktiv genug ist, woraufhin es Aufkleber mit dem Wort Scheißverein verteilt.

Als Weihnachtsmänner verkleidet wollen die Mitglieder des Boxclubs gemeinsam die Datenbank eines Ministeriums zerstören, indem sie Windows zehn aufspielen. Doch sie haben nicht mit dem Pinguin gerechnet, der natürlich Sicherungskopien gemacht hat. Das wird vom Känguru kommentiert mit „Ich glaube, ich habe Tinnitus im Auge, wo ich hinschaue, lauter Pfeifen.“

Zum Abschluss wird noch klargestellt: Hier herrscht Frieden (Barack Obama), nur, dass Frieden nicht herrschen kann. Und es wird der schöne Spruch bemüht Wenn es am Schönsten ist, soll man gehen, und dieser wird wechselweise den Briten oder Horst Seehofer zugeordnet.

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