Balingen

HBW-Coach Jens Bürkle im großen ZAK-Interview

02.06.2018

von Marcus Arndt

Im Saisonfinale der 2. Bundesliga gastiert der HBW Balingen-Weilstetten am Samstagabend beim Vizemeister SG BBM Bietigheim.

Während die Enztäler überraschend die Rückkehr in die Beletage des deutschen Handballs geschafft haben, blieben die „Gallier von der Alb“ hinter den Erwartungen zurück. Es liegt eine Saison mit Höhen und Tiefen hinter der Mannschaft von Coach Jens Bürkle.

HBW-Coach Jens Bürkle im großen ZAK-Interview

© Moschkon

Jens Bürkle (Jahrgang 1980) schaffte 2006 mit dem HBW Balingen-Weilstetten als Spieler den Aufstieg in der Bundesliga. Nach seinem Karriereende übernahm er 2012 den Drittligisten DJK Rimpar Wölfe, den er in die zweite Liga führte. 2014 und 2015 wurde Bürkle von den Trainern und Managern der Zweitliga-Mannschaften zum Trainer der Saison gewählt. Von 2015 bis 2017 trainierte er dann die klassenhöhere TSV Hannover-Burgdorf.

Herr Bürkle, nach einem verpatzten Start in die Rückrunde mit Niederlagen gegen Essen und Hagen hat Ihre Mannschaft zwölf von 16 Spielen gewonnen. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Jens Bürkle: Ich denke, dass wir einen Prozess in Gang getreten haben, welcher durchaus positiv verläuft. Natürlich entspricht der fünfte Tabellenplatz nicht unseren Erwartungen, doch es ist uns gelungen, Dinge konstant und nachhaltig zu verbessern. Die Abwehr hat deutlich an Qualität gewonnen, gibt uns in schlechten Phasen den nötigen Rückhalt. Das war in der ersten Halbserie nicht so. Da haben wir schon mal sechs Gegentore in Folge bekommen. Das ist nicht mehr der Fall – und so haben wir einige enge Spiele gewonnen, die wir in der Hinrunde noch verloren hätten. Die Mannschaft profitiert von diesen knappen Begegnungen, zeigt mehr Abgeklärtheit und trifft die richtigen Entscheidungen.

Dennoch: Nach einer ebenso intensiven wie turbulenten Saison hat der HBW doch einen deutlichen Rückstand auf Meister Bergischer HC und den schwäbischen Rivalen aus Bietigheim ...

Bürkle: Nach 2:8 Punkten im Dezember sowie der bitteren Heimniederlage gegen Hagen nach der EM-Pause wurden wir schon früh in der Saison aus dem Aufstiegsrennen gespült. In der Rückrunde ist es uns dennoch gelungen, gegen alle Top-Teams zu bestehen. Auch beim Tabellenführer waren wir nicht chancenlos, hatten in der Schlussphase sogar die Möglichkeit zum Ausgleich. Beim Vizemeister Bietigheim wollen wir diesen Trend fortsetzen, um mit einem positiven Gefühl aus der Saison zu gehen.

Mit 31:7 Zählern rangiert Ihr Team vor dem letzten Spieltag an dritter Stelle der Heimtabelle, auswärts lief es weniger gut (16:20). Wie bewerten Sie diesen markanten Unterschied?

Bürkle: Mit der Heimbilanz können wir zufrieden sein. Natürlich gab es den Negativausreißer gegen Hagen (Endstand: 33:37, Anm. d. Red.). Auch gegen Emsdetten (25:25) müssen wir eigentlich gewinnen. Aber ich bin nicht unzufrieden. In den Heimspielen waren wir nicht so weit weg von den Bergischen Löwen, die ebenfalls zwei Heimspiele verloren haben, sowie dem Tabellenzweiten aus Bietigheim (31:5). Auswärts haben wir ohne Zweifel zu viel liegen lassen – da hätten wir in drei oder vier Spielen mehr ziehen müssen. In der sehr ausgeglichenen Liga hat uns auswärts immer wieder die Killermentalität gefehlt – und in manchen Phasen auch die Ruhe.

Am Ende reiht sich der HBW an vierter oder fünfter Stelle in der Rangliste ein. Was hat gefehlt, um den direkten Wiederaufstieg zu realisieren?

Bürkle: Abwehrqualität! Diese haben wir uns erst in den vergangenen Wochen erarbeitet. Zu-dem hatten wir viele Phasen – auch in den vergangenen Spielen –, wo uns das Tempo gefehlt hat. Hinzu kamen im Dezember die knappen Heimniederlagen gegen den BHC und Bietigheim. Da hätte uns ein gemeinsamer Erfolg sehr gut getan, aber der blieb aus. Das waren nur zwei von vielen engen Begegnungen, wo wir unter Stress nicht unsere Topleistung gebracht haben. Wir mussten lernen mit diesen Momenten während des Spiels umzugehen und die Ruhe zu behalten.

Ihrer Mannschaft hat zweifelsohne die Routine und Körperlichkeit gefehlt. Nun erfolgt ein markanter Umbruch nach der Runde: Sieben Spieler verlassen den Klub, vier externe Neuzugänge kommen. Wie sehen Sie diese Rochaden, welche nur bedingt positionstreu sind?

Bürkle: Wir haben den Umbruch schon während der Saison eingeleitet und Spieler der zweiten Mannschaft bereits integriert. Am Kreis bekommen wir mit Marcel Niemeyer (Eisenach) und Benjamin Meschke (Leipzig) zwei körperlich unglaublich starke Spieler dazu, welche auch im Abschluss eine hohe Qualität besitzen. Entscheidend wird aber sein, wie schnell sich unser neuer Mittelblock findet.

Da kommt mit Romas Kirveliavicius vom Ligarivalen Coburg ein weiterer neuer Spieler dazu ...

Bürkle: Alle drei Spieler sind sehr erfahren, haben bereits in der ersten Liga gespielt. Meschke war vor seinem Wechsel nach Leipzig beim Bergischen HC einer der besten Abwehrspieler der Liga. Falls die Integration länger dauert, besitzen wir mit Jona Schoch und Lukas Saueressig eine funktionierende Alternative. Da haben die vergangenen Spielen deutlich gezeigt, dass wir uns auf dieses Duo verlassen können.

Damit wird zwangsläufig die Abwehrarbeit ein zentrales Thema in der Vorbereitung sein?

Bürkle: Das ist richtig, nach dem Saisonfinale in Bietigheim machen wir bis zum 9. Juli Pause, steigen dann mit den medizinischen Tests ein. Das dauert zwei Tage, zumal wir in diesem Zeitraum noch weitere Termine neben der Platte wahrnehmen müssen. Am 11. Juli möchte ich bereits mit den handballerischen Dingen beginnen. Die neuen Spieler im Mittelblock sollen sich schnellstmöglich an unser Spielsystem gewöhnen.

Themenwechsel. Im Saisonfinale der Bundesliga wird nicht nur die Meisterschaft im Fernduell zwischen Flensburg-Handewitt und den Rhein-Neckar Löwen entschieden – auch die Abstiegsfrage ist noch nicht geklärt. Wie sehen Sie die Chancen der Klubs aus Nettelstedt, Friesenheim und Hüttenberg am Tabellenende?

Bürkle: Nach der 22:23-Heimpleite am vergangenen Spieltag gegen den direkten Konkurrenten aus Gummersbach geht Hüttenberg wohl runter. Sehr schwierig ist die Konstellation im Westfalen-Derby zwischen Lemgo und N-Lübbecke einzuschätzen. Der TBV wird eine sehr gute Saison mit einem Heimsieg abschließen wollen, für den TuS geht es um alles oder nichts – auch weil Friesenheim gegen Erlangen eine sehr schwierige Aufgabe hat. Die Eulen haben nicht nur mich in der laufenden Saison immer wieder überrascht und gehen mit guten Chancen auf den Verbleib in Liga eins in das Saisonfinale. Ich glaube, dass weder Lemgo noch Erlangen das Ding herschenkt. Eine Prognose fällt schwer. Gut möglich, dass sich an den Platzierungen der drei Klubs nichts mehr ändert. 

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