Albstadt-Ebingen

Persönlicher Blick auf acht Jahrzehnte

23.11.2017

von Sabine Miller

Der Mediziner Rolf Rau las aus seinem biografischen Buch „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“.

Auf 367 Seiten leuchtet der Autor aus Ratingen darin in verschiedene Aspekte seines bewegten Lebens hinein, stellt die Ereignisse seiner Vita aber gleichwohl in einen Kontext zum jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Geschehen. So darf das Werk auch als acht Jahrzehnte umfassendes Zeitdokument gesehen werden.

Persönlicher Blick auf acht Jahrzehnte

© Sabine Miller

Rolf Rau stellte im Kräuterkasten seine Biografie vor.

Trotz beruflicher Erfolge ist Rolf Rau keine dieser Persönlichkeiten, an deren Biografie große Verlage Interesse bekundet hätten. Erschienen ist sein Buch deshalb im Uni-Med-Verlag, einem Verlag für medizinische Fachbücher. Der Einladung der Stadt Albstadt zu einer Präsentation bei den Literaturtagen – der Kontakt kam über die mit Raus zweiter Ehefrau Gertraud befreundete Birgitt Frohme zustande – habe er zunächst skeptisch gegenüber gestanden, gestand der 84-Jährige. Bei seiner Lesung im voll besetzten Kräuterkastens war davon allerdings nichts mehr zu spüren.

Rasch ließ sich der Hörer gedanklich mitnehmen, mitten hinein in die Provinz Posen, wo Rolf Rau 1933 das Licht der Welt erblickte. Als der Vater früh starb, zog die Mutter mit ihm von Kolmar nach Margonin, wo sie ein Hotel geerbt hatte. Genau dort begann der Autor im Zuge der Buchrecherche seine Spurensuche. Die politisch bedingten Erlebnisse und Lebenssituationen seiner Kinder- und Jugendzeit beschreibt Rolf Rau, ohne sie zu bewerten: 1939 beobachtet er von einem Hügel der Danziger Höhe aus den Beginn des Zweiten Weltkrieges, 1943 wird er Schüler der nationalsozialistischen „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ in Reisen, flüchtet im Winter 1945 zu Fuß mit zwei Mitschülern vor den Russen, erkrankt an Gelbsucht.

Eine Landverschickung bleibt ihm erspart, die Mutter findet ihn. Hab und Gutes beraubt, entwurzelt und bettelarm wie so viele, spricht sie irgendwann jene Worte aus, die dem Buch seinen Titel verliehen: „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“. Botschaft? Aufforderung? Hilferuf? Darauf ging Rolf Rau nicht näher ein, sondern widmete sich noch den Anfängen der DDR und machte dann einen großen Sprung in seine Ära als Arzt und Rheumaspezialist und zur vom Publikum aufmerksam verfolgten Behandlung eines ganz besonderen Patienten in Afrika.

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