Zum ersten Mal wählen: Drei junge Menschen aus dem Zollernalbkreis erzählen, was sie umtreibt

Von Lea Irion

Am 26. September wird der 20. deutsche Bundestag gewählt. Auch dieses Mal werden junge Menschen aus dem Zollernalbkreis zum ersten Mal ihre Kreuze auf einem Stimmzettel setzen. Drei von ihnen haben gegenüber unserer Zeitung von ihren Gedanken, Gefühlen und Erwartungen bezüglich der Wahl gesprochen.

Zum ersten Mal wählen: Drei junge Menschen aus dem Zollernalbkreis erzählen, was sie umtreibt

Die Erstwählenden Eva-Lea Holder, Sven Bachmeyer und Hannah Irion (von links).

Das erste Mal wählen zu gehen ist für viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland eine aufregende Angelegenheit. Der ZOLLERN-ALB-KURIER hat anlässlich der Bundestagswahlen einen Aufruf über Social Media gestartet und junge Erwachsene im Zollernalbkreis gesucht, die über ihren ersten Urnengang oder ihre erste Briefwahl sprechen wollen: Wer sind sie, was treibt sie um, was wünschen sie sich vom 20. Bundestag? Drei junge Zollernälbler gewähren einen Einblick in ihre Gefühle und Gedanken.Eva-Lea Holder ist 18 Jahre alt und wohnt in Truchtelfingen. Kürzlich hat sie eine Ausbildung zur Friseurin begonnen. „Für mich ist, in Anbetracht der aktuellen Ereignisse, der Klimawandel eines der wichtigsten Themen“, erzählt sie. Ihr ginge es dabei explizit um die Verhinderung beziehungsweise die Verzögerung der Erderhitzung.

Aus persönlichen Gründen seien ihr aber auch beispielsweise die finanzielle Unterstützung für Kinder und Jugendliche aus schwierigen elterlichen Verhältnissen ein Anliegen. „Ich finde das wichtig, damit junge Leute einen Weg in ihr eigenes Leben finden und aus Hartz IV rauskommen“, konstatiert die 18-Jährige. Auch das aus ihrer Sicht veraltete Schulsystem spielt für sie eine Rolle bei der Wahlentscheidung.

„Für mich bedeutet die aktuelle Bundestagswahl vor allem Zukunft. Es muss jetzt gehandelt werden, sowohl auf Klimawandel bezogen, wie auch auf so vieles anderes, zum Beispiel die Flüchtlingspolitik, welche verbessert werden muss. Ich hoffe im Grunde hauptsächlich, dass die AfD möglichst wenig Stimmen bekommt, da dies in meinen Augen einen großen Schritt zurück ins 20. Jahrhundert bedeuten würde“, findet die junge Truchtelfingerin klare Worte.

Aus diesem Grund ziehe sie am ehesten in Betracht, die Grünen zu wählen, wenngleich sie auch nicht ihr persönlicher Favorit seien. Sie sähe Annalena Baerbock aber am ehesten im Kanzleramt, während Armin Laschet und Olaf Scholz ihrer Ansicht nach zu wenig auf die Bevölkerung eingehen, veraltete Ansichten teilen und die Klimapolitik nicht ernst genug nehmen würden.

Von den Politikerinnen und Politikern wünscht sie sich, dass junge Menschen mehr gehört werden. „Ich finde, gerade als junger Mensch fühlt man sich nicht wirklich gehört, geschweige denn ernstgenommen, da ein Großteil der Wählerschaft eben zum älteren Teil der Bevölkerung gehört. Ebenso ist der Bundestag nicht unbedingt von jungen Menschen besetzt und so wird man oft überhört. Darum wünsche ich mir von Politikerinnen und Politikern, dass sie lernen, die Jugend ernst zu nehmen und zu hören, da uns die Wahlen doch mehr betreffen, da es unsere Zukunft ist und wir einen Großteil des Lebens erst noch vor uns haben.“

Sven Bachmeyer ist 20 Jahre alt und wohnt in Bisingen. „Diese Wahl ist anders als die letzten Wahlen bei uns“, sagt er. Denn: „Es ist sicher, dass die amtierende Kanzlerin nicht wiedergewählt wird.“ Umso entscheidender sei deshalb die Koalitionsfrage.

„Mir persönlich ist wichtig, dass extreme Parteien wie AfD und Linke nicht beteiligt werden. Ich finde es daher sehr dramatisch, dass weder die Grünen, noch die SPD bisher vollumfänglich eine Koalition mit der Linken ausschließen. Spätestens als Die Linke das Bundeswehrmandat für die Evakuierung aus Afghanistan nicht mitgetragen hat, hat sich Die Linke als Regierungspartei disqualifiziert. Gott sei Dank wird eine Koalition mit der AfD von allen Parteien ausgeschlossen“, sagt Bachmeyer.

Was Themen anbelangt, sei ihm die Mobilitätsfrage für junge Menschen im Zollernalbkreis wichtig. „Ich finde es für uns sehr bedenklich, dass die Grünen den CO2-Preis so massiv anheben wollen. Es ist zwar der richtige Weg, Anreize zu schaffen, um endlich klimaneutral zu werden, aber Fakt ist, dass der Benzinpreis dann auch stark steigen wird“, so der 20-Jährige. Denn es ginge im Zollernalbkreis einfach nicht ohne Auto. Vor allem abends sei der ÖPNV für ihn zu lückenhaft. Das E-Auto sei dabei auch keine Alternative: „Wer in meinem Alter kann sich das leisten?“

Als Rettungssanitäter und Medizinstudent wisse er, was das Gesundheitswesen vor allem während der Pandemie leistet. Deswegen gelte es jetzt, die Pflege für die Zukunft fit zu machen. „Hier muss Bürokratie abgebaut werden und durch vernünftige Digitalisierung entlastet werden. In der Klinik ist nicht einmal die gesetzliche Ruhezeit von 11 Stunden garantiert. So wird dieses Berufsfeld nicht attraktiv.“

Zu guter Letzt konstatiert der junge Bisinger: „Ich selbst engagiere mich, weil ich glaube, dass Veränderung bei uns allen beginnen muss. Man darf nicht immer nur ‚bruddeln‘ über die Politik – lieber selber mit anpacken. Wir Erstwählerinnen und Erstwähler sind vielleicht die politischsten Erstwählenden seit langem – und das ist auch gut so.“

Hannah Irion ist 18 Jahre alt und wohnt in Balingen. Sie hat erst kürzlich eine Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin angefangen. Die junge Balingerin hat schon vor einigen Jahren damit begonnen, sich über politische Themen zu informieren: „Müsste ich eines rausgreifen, das mir am wichtigsten erscheint, wäre es vermutlich die Bekämpfung des Klimawandels“, sagt sie.

Ein Aspekt, der „von einem Großteil der Bevölkerung und auch den meisten Politikerinnen und Politikern erfolgreich verdrängt wird“ und ihr persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Ernährung. „Dass Fleisch und andere tierische Produkte zu den größten Klimakillern überhaupt zählen, ist längst wissenschaftlich bewiesen, weshalb wir nicht nur den Tieren zuliebe endlich deutlich strengere Tierschutzgesetze brauchen“, führt Irion aus.

Die Zahl der Nutztiere müsse beispielsweise erheblich sinken, um Ressourcen zu sparen und den CO2-Ausstoß bedeutend zu reduzieren. „Dafür müssen viel mehr Anreize geschaffen werden, sodass das obligatorische Stück Fleisch beim Einkauf auch mal im Regal bleibt und stattdessen vielleicht ein veganes oder vegetarisches Produkt probiert wird“, sagt die 18-Jährige, die sich selbst schon lange vegan ernährt.

„Ein anderes, mir sehr wichtiges Thema ist die Identitätspolitik. Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft noch ein Stück offener und bunter wird und man Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behinderung noch immer Diskriminierung erfahren, stärker zu Wort kommen lässt“, so die angehende Tierphysiotherapeutin.

Aus ihrer Sicht mangle es außerdem besonders im ländlichen Raum an Anlaufstellen für nicht-heterosexuelle Jugendliche um Erfahrungen, Gefühle oder Gedanken hinsichtlich ihrer sexuellen Identität austauschen zu können. „Darum unterstütze ich die Idee eines nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi-, Trans- und Queerfeindlichkeit sehr.“

Am ehesten gleichen sich ihre Ansichten und Wünsche mit dem Wahlprogramm der Grünen, sagt die junge Balingerin. „Dass mir bei meinen Ansichten nicht mal im Traum einfallen würde, bei der AfD mein Kreuz zu setzen, ist vermutlich offensichtlich. Menschenverachtende Aussagen, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und der Umgang mit Asylsuchenden sind für mich nur ein kleiner Teil, weshalb ich diese Partei zutiefst verachte und für äußerst gefährlich halte.“

Wo sie am Ende mit Sicherheit ihr Kreuz setzt, verrät sie nicht. Als Schlusswort konstatiert Hannah Irion aber: „Ich muss etwas tun! Etwas, mit dem ich dem Rechtsruck in diesem Land und überall auf der Welt entgegentrete und mit dem ich weiterhin für eine offene und bunte Gesellschaft einstehe. Dass ich dafür immer wieder auf Demos wie den CSD oder Fridays for Future gehe, ist vermutlich nicht genug, aber ein Anfang. Und besonders wichtig: Ich setze dieses Jahr zum ersten, aber ganz sicher nicht zum letzten Mal mein Kreuz, bei einer Partei, die genau dasselbe will.“