Grünen-Politikerin Kerstin Andreae spricht beim ZAK-Besuch über Klimakrise und Digitalisierung

Von Dagmar Stuhrmann

Pünktlich erscheint Kerstin Andreae, begleitet von Dr. Ulrich Kohaupt vom Kreisvorstand der Grünen, zum Redaktionsgespräch beim ZOLLERN-ALB-KURIER. Die Anreise per Zug verlief problemlos. Keine Verspätung.

Grünen-Politikerin Kerstin Andreae spricht beim ZAK-Besuch über Klimakrise und Digitalisierung

Viel Gesprächsstoff: Kerstin Andreae stellte sich den Fragen der ZAK-Redaktion. Links: Dr. Ulrich Kohaupt.

„Ich habe wohl immer Glück“, sagt die aus Schramberg stammende Grünen-Politikerin, die ihren Wahlkreis in Freiburg hat, schmunzelnd. Deswegen gehöre sie auch nicht zu denjenigen, die immer über die Bahn schimpfen.

Diskussion im „Gleis 4“ zu grüner Wirtschaftspolitik

Nach Albstadt kam die 50-Jährige am Montag aus einem guten Grund: Im „Gleis 4“ sprach die Volkswirtschaftlerin bei einer Podiumsdiskussion über die „Perspektiven Grüner Wirtschaftspolitik“.

Es war nicht ihr erster Abstecher nach Albstadt. Vor drei Jahren war sie im Rahmen einer Unternehmenstour unter anderem bei der Firma Groz-Beckert in Albstadt.

Ökologie trifft Ökonomie

Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung – das sind die Themen, die Kerstin Andreae in den Mittelpunkt stellt. Sie stellen Unternehmen und Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen wird nach Ansicht Andreaes auch davon abhängen, welche Bedeutung sie der Ökologie beimessen.

„Die Autos der Zukunft werden in China gebaut“, gibt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion zu bedenken. „Und das ist auch in anderen Wirtschaftsbereichen so.“

Umdenken ist erforderlich

Digitalisierung, sagt Kerstin Andreae, ist mehr als Breitbandausbau. Umdenken ist auch in diesem Bereich ein wichtiges Thema.

„Wir bilden im Moment in Berufen aus, die es in zehn Jahren nicht mehr geben wird“, sagt sie, „und wir bilden nicht in Berufen aus, die es in zehn Jahren geben wird.“

Innovationen im Schnellzugtempo

Die Innovationsprozesse in Sachen Digitalisierung entwickeln sich im Schnellzugtempo. Gerade deswegen ist wichtig; „Wir brauchen mehr Strategien“, fordert Kerstin Andreae. Dazu müsse man die Unternehmen mit ins Boot holen, Plattformen ins Leben rufen und Best-Practice-Beispiele vorstellen.

Vielfach gehe die Digitalisierung noch an Mittelständlern und Handwerksbetrieben vorbei. Das habe sie bei ihrer Unternehmenstour unter dem Motto „Arbeit 4.0“ beobachtet.

Kammern müssen informieren und weiterhelfen

„Die Betriebe kommen zwar klar, aber sie spüren doch, dass sich da etwas verändert, was bei ihnen irgendwann aufschlagen wird.“ Den Kammern komme in diesem Zusammenhang eine zentrale Aufgabe zu: „Sie müssen hier mehr einsteigen, mehr informieren, kommunizieren und weiterhelfen.“ Geklärt werden müsse, wer dafür aufkommt, wenn Mitarbeiter im Bereich Digitalisierung fit gemacht werden.

Die Art zu Wirtschaften wird sich ändern – das ist keine Frage. Wer in der Weltwirtschaft bestehen wolle, könne dies nur im europäischen Miteinander bewerkstelligen. „Das geht nur zusammen,“ betont Andreae.

Im Alleingang könne dies einzelnen Nationalstaaten nicht gelingen. Das einzig Gute am Brexit sei, dass er anderen Ländern deutlich mache, was auf sie zukommen würde, wenn sie Exit-Strategien verfolgen würden.

Klimaschutz ist Innovationstreiber

„Klimaschutz ist ein Innovationstreiber“, davon ist Kerstin Andreae überzeugt und widerspricht damit vehement anderen Stimmen, die in diesem Zusammenhang gern von „Bremse“ reden. „Wir sind mitten drin um Klimawandel.“ Und er ist irreversibel: „Ein Eisberg, der verschwunden ist, lässt sich nicht zurückholen.“ Ressourceneffizienz müsse auf die Agenda. Nicht zuletzt seien die innovationsstärksten Regionen jene, die die höchste Materialeffizienz aufzuweisen hätten.

Was sie mit Blick auf die Bundesregierung ausgemacht hat, ist ein akutes Handlungsproblem. „Wir brauchen dringend eine CO2-Bepreisung, die Lenkungswirkung hat“, sagt Kerstin Andreae. Dadurch würden sich Innovationsentscheidungen ändern. Die Kosten der Klimakrise zahlten ohnehin die Steuerzahler.

Schüler-Protest stößt Debatte an

Die Fridays-for-Future-Proteste hält Kerstin Andreae für beispielhaft. „Sie haben auch schon viel erreicht“, sagt sie, „und haben eine Debatte in der Politik angestoßen.“ Ihr Wunsch: „Ladet uns an die Schulen ein und lasst uns über Klimaschutz sprechen.“

Zu einer verantwortungsvollen Politik gehöre es, soziale und ökologische Leitplanken zu setzen, die allen Generationen die Chance geben, dass ihre Lebensgrundlagen nicht wegbrechen. Dabei müsse jeder Verantwortung zeigen. Die Freiheit des einzelnen höre dort auf, wo die eines anderen beeinträchtigt werde.