Balingen/Hechingen

„Wollte sie nicht umbringen“: Angeklagter im Fall um gewürgte Ehefrau in Balingen sagt aus

28.09.2020

Von Pascal Tonnemacher

„Wollte sie nicht umbringen“: Angeklagter im Fall um gewürgte Ehefrau in Balingen sagt aus

© Pascal Tonnemacher

Die Hauptverhandlung findet vor der Großen Strafkammer am Landgericht in Hechingen statt (Symbolfoto).

Der Angeklagte im Fall um die beinahe erwürgte Frau in Balingen hat ein Großteil der Tatvorwürfe gestanden. Ein Tatmotiv: Der 54-jährige türkischstämmige Mann fühlte sich eigenen Angaben zufolge wegen einer Affäre seiner Frau in seiner Ehre gekränkt – wollte sie aber nie töten, wie er sagt.

„Ich wollte sie nicht umbringen“: Das war die Hauptaussage des angeklagten Mannes, der im März dieses Jahres versucht haben soll, seine Ehefrau in Balingen zu erwürgen, weil diese ein Verhältnis mit einem anderen Mann gehabt haben soll – und er sich deshalb in seiner Ehre gekränkt gefühlt habe.

Am zweiten Prozesstag am Landgericht Hechingen am Montag äußerte sich der 54-jährige Mann ausführlich zu den Vorwürfen rund um den versuchten Femizid.

Keine Erinnerung an Tat

An die Tat rund um das Würgen seiner Ehefrau Ende März kann er sich seinen Angaben zufolge nicht mehr erinnern, bis er laut Anklage nach 90 Minuten des Würgens von ihr abließ – und ihr, dem Tode nahe, habe helfen wollen, wie er schilderte und Zeugen teilweise bestätigten.

Messer sollte Frau Angst einjagen

Mit einem Messer bedroht habe er seine Ehefrau fünf Wochen zuvor, „um sie zu erschrecken und einzuschüchtern“. Was er damit erreichen wollte, blieb unklar.

Auslöser sei wie berichtet die Beziehung der Noch-Ehefrau mit einem Mann im Ausland, die sich vor allem per Chat angebahnt hatte. Das fand er heimlich heraus und wartete seinen Angaben zufolge auf ein Geständnis von ihr.

Gleichberechtigung oder Schläge?

Auch wenn Zeugen von Gewalttaten des Mannes an seiner Frau, von der diese berichtet haben soll, und einem unschönen Eheleben erzählten: Die Ehe der beiden gläubigen Muslime beschrieb der 54-Jährige selbst als gleichberechtigt, er habe seine Frau sonst auch nicht ausspioniert oder geschlagen.

Beide hätten trotz einiger vorübergehender Trennungen immer wieder betont, sich zu lieben und deshalb Versöhnungsversuche gestartet.

Wer steckt hinter Chat-Nachrichten?

Brisant ist ein mutmaßlicher Fake-Account bei Facebook mit Fantasienamen hinter dem laut der Nebenklagevertreterin der Angeklagte stecken muss.

Denn von diesem Account erhielt die Ehefrau per Chatnachricht kurz vor der Tat eindeutige Todesdrohungen mit dem Verweis auf ihre Affäre und die gekränkte Ehre des Absenders.

Nie endgültig getrennt

Spontan vom Zuhörer- auf den Zeugenstuhl ist der Halbbruder des Angeklagten auf Anraten des psychiatrischen Sachverständigen versetzt worden. Der in Österreich lebende und sowohl dort als auch in Deutschland aufgewachsene Mann berichtete vom unklaren Beziehungsstatus der Eheleute.

So habe die Frau ihren Mann generell nicht gehen lassen wollen, sie seien nie endgültig getrennt gewesen. Der Angeklagte habe erstmals nach einem Urlaub 2018 zunächst zwei Wochen bei ihm gewohnt und auch kurz vor der ersten Tat zu ihm auswandern wollen.

Außerdem sprach er von Problemen mit Glücksspielen, Suizidabsichten und Schlafproblemen beim Angeklagten.

Kindheit in der Türkei hat geprägt

Er unterstrich zudem die Bedeutung der gekränkten Ehre des Angeklagten, meinte aber auch: „Er hätte das nicht machen sollen.“ Dass der Angeklagte, im Gegensatz zu ihm, bis zum 17. Lebensjahr in der Türkei aufgewachsen ist, sei mit ein Grund dafür, dass er das getan habe.

Und dass die Ehefrau mit einem anderen Mann hätte sprechen dürfen, hätte der Ehemann aber ohnehin nie erlaubt, ist er sicher.

Verhältnis soll geklärt werden

Die Fragen, welches Verhältnis das Ehepaar zueinander gehabt hat und ob der Angeklagte bis zum Tatzeitpunkt bei der Ehefrau in Balingen gewohnt hat, soll ein enger Bekannter des Ehepaars aufklären, der auf Antrag der Verteidigung als zusätzlicher Zeuge für den nächsten Verhandlungstermin am kommenden Montag, 5. Oktober, ab 9 Uhr geladen wird.

Bei diesem Termin werden zudem die Gutachten der Sachverständigen gehört und möglicherweise die Plädoyers gehalten. Ein Urteil wird für Donnerstag, 8. Oktober, ab 9 Uhr erwartet.

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