Wolfgang Grupp zu Schutzmaske und Corona-Krise: „Kritik bin ich gewohnt“

Von Andrea Spatzal

Trigema-Chef Wolfgang Grupp spricht in der Sendung „Landesschau“ des SWR unverblümt über Mundschutz, Kritik und Konkurrenz, über Arbeitsplätze und Globalisierung, über das Alter, das Sterben und seinen eigenen Tod.

Wolfgang Grupp zu Schutzmaske und Corona-Krise: „Kritik bin ich gewohnt“

Wolfgang Grupp in der Landesschau.

Wolfgang Grupp wird nächste Woche 78 Jahre alt. Er ist Widder. Das Sternkreiszeichen gilt als ehrgeizig, willensstark und voller Temperament. Aber mit 78 gehört der Burladinger zweifelsfrei auch zur Corona-Risikogruppe. Aber anstatt sich Sorgen um die eigene Gesundheit zu machen, ist der Chef der Burladinger Textilfirma wie eh und je damit beschäftigt, den Laden am Laufen zu halten – neuerdings mit der Produktion von Mundschutzmasken.

Die Schutzmaske von Trigema hilft ganz vielen

Ein begehrter Interviewpartner ist der 77-jährige Unternehmer in diesen Tagen auf jeden Fall. Am Mittwochabend war Grupp in der SWR-Landesschau. Wie immer elegant gekleidet – dunkler Anzug, pinkfarbene Krawatte und Einstecktuch – ist er über den Videokonferenzdienst Skype dem Fernsehstudio zugeschaltet. Grupp wird als einer von Deutschlands bekanntesten Unternehmern, als „Mann mit Ideen und Visionen“ vorgestellt. „Der Affe aus der Werbung, die außergewöhnliche Firma auf der Schwäbischen Alb und sein stets elegantes Auftreten haben ihn populär gemacht“, heißt es in der Anmoderation. Betont wird auch, dass Wolfgang Grupp „seit Jahrzehnten konsequent auf den Produktionsstandort Deutschland setzt und damit genauso lange erfolgreich ist“.

Den eigenen Friedhof im Blick

Blumige Worte, die Moderator Jürgen Hörig mit seiner ersten Frage jäh durchkreuzt: Er fragt Grupp erst nach seinem Befinden in Zeiten der allgegenwärtigen Corona-Angst und spricht ihn dann direkt auf sein Alter an. Sogar auf den Privatfriedhof der Unternehmerfamilie in Burladingen und die Grabstätte, die sich Grupp „schon ausgesucht“ habe, lenkt der Moderator das Gespräch. Grupp reagiert auf den forschen Einstieg weder schockiert noch verschnupft: „Ja“, bestätigt er lächelnd, „ich will gern wissen, wo ich später mal liege“. Es gehe ihm gut. Er habe auch kein „mulmiges Gefühl“ so kurz vor seinem 78. Geburtstag, sondern werde einfach weiterarbeiten, „solange ich die Kraft habe und das Gefühl, gebraucht zu werden“. Mit der eigenen Sterblichkeit geht der 77-Jährige übrigens „sehr gelassen“ um: „Ich bin der Meinung, dass schon bei der Geburt feststeht, wann man ableben wird.“

Zertifizierung der Masken läuft

Hauptthema des Interviews sind freilich die Mundschutzmasken, die Trigema seit gut einer Woche produziert. Grupp erklärt, dass ihn die ersten Anfragen von Kliniken und Pflegeheimen vor zirka vier Wochen erreicht hätten und beschreibt den Prozess vom ersten Muster über die gemeinsame Entwicklungsphase mit Fachleuten vom Zollernalb Klinikum und der Benevit-Gruppe bis zum fertigen Produkt – das übrigens jetzt auch die Hechinger Feuerwehrleute tragen. Er habe nach der Devise gehandelt: „Wenn wir helfen können, dann helfen wir“. Zu diesem Zeitpunkt habe er freilich noch nicht geahnt, dass er mit diesem Schritt indirekt auch sich selber geholfen hat: Wegen der bundesweiten Corona-Schutzmaßnahmen mussten alle Trigema-Testgeschäfte geschlossen werden, was für das Unternehmen einen Umsatzeinbruch von über 50 Prozent bedeutet.

Mit der Umstellung der Produktion auf Mundschutzmasken wildert Grupp, selbst ein leidenschaftlicher Jäger, freilich in fremden Gefilden. Folglich sind auch schon die ersten Konkurrenten und Kritiker zu Stelle.

Trigema bekommt für Mundschutz Kritik von Konkurrenz

Der Moderator kommt darauf zu sprechen und zitiert die auf Schutzausrüstungen spezialisierte Firma Dach aus Rastatt, die heftige Kritik an den Stoffmasken aus dem Hause Trigema geübt hat. Das sei, als würde man „eine Kapuze als Fahrradhelm verkaufen“, wettert die Konkurrenz.

Auch von dieser Frage lässt sich der Burladinger Unternehmer nicht aus der Ruhe bringen. „Kritik bin ich gewohnt“, stellt Grupp fest. Aber diese Kritik könne nicht an ihn gerichtet sein, schränkt er ein, zumal die Firma Trigema Mundschutzmasken produziere, wie sie von Fachleuten abgesegnet worden sei.

Kurz vor der Schaltung ins SWR-Studio habe er sich dessen noch einmal beim Chef der Benevit Holding für Pflegeeinrichtungen, Kaspar Pfister, versichert. Und dieser habe bestätigt, dass die „große Zertifizierung“ (Filtering Face­piece FFP 1 - 3), wie sie für Operationssäle vorgeschrieben ist, für den aktuell angeforderten Bedarf nicht erforderlich sei.

Der Standard von zertifizierten Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) genüge und diese Zertifizierung werde den Trigema-Masken von der Uni Hohenheim erteilt, versichert Grupp. Sinn solcher Mundschutzmasken aus Stoff sei weniger der Selbstschutz gegen Viren, sondern der Schutz des Gegenübers.

Die schwerste Krise seit 50 Jahren

Wie er sich dabei fühlt, erst als Helfer in der Not gefeiert, dann als „Geschäftemacher“ angeschwärzt zu werden, will Jürgen Hörig von Wolfgang Grupp wissen. „Das ist normal“, lautet die Antwort des erfahrenen Geschäftsmannes. Eine Firma, die klassische medizinische Masken herstellt, wolle freilich keine Konkurrenz von einem – überspitzt gesagt – „Billigmacher“, erklärt Grupp und schickt zugleich folgende Videobotschaft nach Rastatt: „Keine Angst, wenn wir nicht mehr gebraucht werden, stellen wir die Produktion wieder auf Sport- und Freizeitkleidung um.“

Mit allem gebotenen Ernst stellt der Trigema-Chef, der sich schon öfter als Krisenmanager behauptet hat (siehe Info-Kasten), anschließend aber auch klar, dass er die Corona-Krise als „die schwerste Krise in meinen 50 Berufsjahren“ sieht, nicht mit der New Economy-Krise und auch nicht mit der Bankenkrise vergleichbar.

Zugleich verströmt der stets sonnengebräunte Unternehmer in der SWR-Landesschau Optimismus ins Fernsehpublikum: „Wenn sich jeder an die Regeln hält, werden wir sicherlich auch diese schwierige Krise gemeinschaftlich bewältigen.“ Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber habe er eine Arbeitsplatzgarantie ausgesprochen, wenn diese selbst Verantwortung für sich übernehmen und die Gebote der Stunde befolgen: genügend Abstand halten, keine Versammlungen etc.

Globalisierung ist Riesenchance

Abschließend fragt Moderator Jürgen Hörig noch nach Grupps Meinung zum Thema Globalisierung. Macht die Corona-Pandemie dem globalen Dorf den Garaus? Nein, antwortet Grupp in aller Entschiedenheit. „Wir dürfen jetzt nicht alles, was wir in den letzten Jahren als Errungenschaft gefeiert haben, plötzlich wegschmeißen.“ Die Globalisierung sei „eine Riesenchance“. Noch vor 30 Jahren seien Exporte nach Leipzig, geschweige denn nach China undenkbar gewesen.

„Heute kann ich in die ganze Welt liefern“, stellt Grupp fest, aber eben nur Produkte, die dort auch gebraucht werden. Also keine Massenartikel. Grupp: „Was wir in unserem Hochlohnland brauchen, sind innovative Produktionen auf hohem Niveau. Wir müssen weiter entwickeln und forschen können, um das Deutschland, das wir von unseren Vätern geerbt haben, auch an unsere Kinder weitergeben können“.

Als Krisenmanager erprobt

Seit 1969 steht Wolfgang Grupp an der Spitze seiner Firma Trigema. Seit Jahren spricht er sich gegen eine Produktion in Billiglohnländern aus und fertigt seine Sport- und Freizeitkleidung konsequent in Burladingen. Davon profitiert er jetzt. Als der Mundschutz knapp wurde, kündigte der Unternehmer an: „Können wir locker zusammennähen“. Prompt bekam er grünes Licht für die Produktion von Atemschutzmasken.

Als Krisenmanager hat sich der 77-Jährige in seinem Berufsleben bereits mehrmals bewiesen. Schon als er vor 50 Jahren die Firma Trigema von seinem Vater übernahm, hatte die Textilfabrik 10 Millionen D-Mark Schulden. Der Juniorchef setzte damals mutig alles auf eine Karte und einen pfiffigen Trend aus den USA: die Batik-Färbetechnik. Er ließ alte Bestände an Unterhemden aus den Lagern holen und in bunten Farben batiken. Die Nachfrage war so enorm, dass Trigema zeitweise mit der Produktion nicht nachkam. Das Unternehmen war mit diesem Coup saniert

Am 19. März 2020 hat Trigema unter anderem vom Zollernalb Klinikum die ersten Aufträge für die Produktion von Mundschutzmasken bekommen. Grupp kündigte an, die Produktion auf bis zu 100 000 Masken pro Woche hochzufahren.