Zollernalbkreis

„Wir müssen es ernst nehmen“: Wie die Kontakte-Ermittler im Gesundheitsamt arbeiten

07.10.2020

Von Michael Würz

„Wir müssen es ernst nehmen“: Wie die Kontakte-Ermittler im Gesundheitsamt arbeiten

© Michael Würz

Die Gesundheitsdezernentin des Landkreises: Dr. Gabriele Wagner

Sie interviewen Betroffene, ermitteln Kontaktpersonen und verhindern bestenfalls Infektionsketten: Im Gesundheitsamt herrscht derzeit Hochbetrieb.

Bereits seit einiger Zeit arbeiten sie wieder sieben Tage die Woche: 15 Mitarbeiter des Gesundheitsamts sind im Corona-Dauereinsatz. Und das, obwohl der Landkreis im Moment verhältnismäßig niedrige Infektionszahlen meldet. „Das Problem ist“, sagt Gesundheitsdezernentin Dr. Gabriele Wagner, „dass die Menschen wieder viel mehr Kontakte haben als in der Hochphase“. Denn: Während der „ersten Welle“ gab es weitreichende Kontaktbeschränkungen. Das hatte die Ermittlungsarbeit einfacher gestaltet. „Haben wir nun beispielsweise einen Fall in einem Musikverein, reden wir schnell von bis zu 70 Kontaktpersonen“, berichtet Wagner.

Appell an die Eigenverantwortung

Man unternehme das Bestmögliche, um die Lage in den kommenden Wochen im Griff zu behalten, sagt Landrat Günther-Martin Pauli. Der aber zugleich betont: „Eine einzige Party kann ausreichen, um die Situation im Kreis eskalieren zu lassen.“ Pauli appelliert deshalb an die Eigenverantwortung der Zollernälbler: „Wir müssen es ernst nehmen.“ Dies auch deshalb, weil es keine „Vollkasko“ seitens der Behörden geben könne, so groß deren Einsatz auch sei. Mit gemischten Gefühlen blickt Gesundheitsdezernentin Wagner dann auch auf größere Familienfeiern – sie sind zwar wieder erlaubt, bereiten den Mitarbeitern im Gesundheitsamt aber Sorge: „Bei einer Hochzeit mit 100 Gästen rechne ich im Hinterkopf schon automatisch die Anzahl der Kontaktpersonen durch“, sagt Wagner im Gespräch mit Medienvertretern. Zugleich warnt sie aber nachdrücklich vor Aktionismus, insbesondere bei Coronafällen in Schulen.

Warnung vor übereilten Tests

Manche Arbeitgeber etwa würden negative Coronatests von Mitarbeitern erwarten, deren Kinder in einer betroffenen Schulklasse sind. Viel ratsamer sei es hier, dem – behördlichen – Gang der Dinge zu vertrauen. Zumal ein Coronatest nur eine Momentaufnahme ist, im Zweifel gar trügerische Sicherheit bieten kann – dann nämlich, wenn er zu schnell gemacht wird. „Es bringt nichts, wenn sich wegen eines Coronafalls in einer Schulklasse sofort alle testen lassen“, betont Wagner. Denn derjenige wisse dann lediglich, dass er im Moment negativ ist, könne sich aber noch in der Inkubationsphase befinden. „Ein Abstrich ergibt erst fünf Tage nach einer möglichen Ansteckung Sinn.“

„Wir müssen das Gesundheitsamt aufstocken“

Tritt in einer Schulklasse ein Coronafall auf, bitte man im Zweifel die Schulleitung zunächst darum, die betroffene Klasse am Folgetag zuhause zu lassen, erklärt Wagner. Damit verschaffe man sich Zeit für die aufwendige Nachforschungsarbeit: Welche Kinder sind enge, sogenannte K1-Kontakte? Muss eine weitere Schulklasse aus dem Schulbetrieb genommen werden, weil Schüler untereinander Kontakt hatten? Diese Fragen.

Ein enormer Aufwand, und ja, eine große Belastung für diejenigen, die im Gesundheitsamt für die Kontaktverfolgung zuständig sind, sagt Wagner: Zehn Mitarbeiter, unter anderem Ärzte, sind derzeit alleine damit beschäftigt. Darüber hinaus arbeiten vier Hygienekontrolleure und Soldaten mit, eine Stelle dient dem Beschwerdemanagement. „Wir müssen das Gesundheitsamt aufstocken“, sagt Landrat Günther-Martin Pauli.

Nicht alles darf wegen Corona liegen bleiben

Denn nicht nur die Coronazahlen steigen wieder, das Virus trifft demnächst auch auf die Grippesaison. Fünf weitere Stellen seien geplant, Ärzte, medizinisch-technische Assistenten und Hygienekontrolleure. Auch für den ausscheidenden Amtsleiter wird noch eine Nachfolge benötigt.

Zu bedenken sei auch, sagt Wagner, dass derzeit einige Arbeiten wegen Corona liegen bleiben (Pauli: „Was auch Beschwerden nach sich zieht“), doch nicht alles lasse sich einfach verschieben wie beispielsweise Einschulungsuntersuchungen. Gehe es etwa um Kolibakterien im Trinkwasser oder ähnliche gefährliche Vorfälle, müsse das Gesundheitsamt unbedingt handlungsfähig bleiben, mahnt Wagner.

Ein positiver Coronafall – und dann?

Der Test Liegt ein positives Ergebnis vor, nimmt das Gesundheitsamt Kontakt mit dem Infizierten auf – um diesen per mündlicher Anordnung in Quarantäne zu versetzen.

Die Kontakte Das Gesundheitsamt fragt ab, zu wem die Person in einem bestimmten Zeitraum Kontakt hatte. Dabei spielt die Art und Dauer des Kontakts eine bedeutende Rolle.

Die Quarantäne Wer ein K1-Kontakt des Infizierten ist (mindestens 15 Minuten bei geringem Abstand oder länger gemeinsam in einem kleinen geschlossenen Raum), wird von der Ortspolizeibehörde ebenfalls in Quarantäne geschickt. „Freitesten“ ist für K1-Kontakte nicht möglich. Die Länge der Quarantäne (derzeit 14 Tage) soll jedoch möglicherweise demnächst reduziert werden. Weniger enge K2-Kontakte müssen nicht in Quarantäne, werden aber ebenfalls vom Gesundheitsamt kontaktiert und erhalten Verhaltenstipps.

Die Ermittlung Kontaktpersonen sind oft nicht sofort telefonisch erreichbar. Auch die Nachforschung in oder für andere/n Landkreise/n benötigt viel Zeit.

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