Grosselfingen

„Wir brauchen Stefan“: Grosselfingerin startet Typisierungsaufruf für krebskranken Bruder

07.08.2021

Von Benno Haile

„Wir brauchen Stefan“: Grosselfingerin startet Typisierungsaufruf für krebskranken Bruder

© Privat

Zwischen den beiden Fotos liegen nur wenige Monate: Stefan Ott im November 2020 bei seiner Ausbildung als Landwirt und Mitte Juli während eines Krankenhausaufenthalts an der Tübinger Uniklinik.

Der 17-jährige Stefan Ott aus Grosselfingen braucht dringend eine Stammzellenspende. Seine Schwester Sarah möchte möglichst viele Menschen dazu bringen, sich typisieren zu lassen.

Stefan Ott ist 17. Er hat gerade das erste Lehrjahr als Landwirt im väterlichen Bauernhof angefangen. Er macht gerade den Autoführerschein, schließlich wird er im Dezember 18. Endlich 18: Dann kann er auch zu Konzerten seiner Lieblingsband Rammstein fahren.

Doch mit einem einem Schlag werden die Pläne des jungen Grosselfingers komplett über den Haufen geworfen: Leukämie.

Landwirtschaft ist seine Leidenschaft

„Mein Bruder ist ein lebensfroher, hilfsbereiter Mensch – und immer positiv“, erzählt seine Schwester Sarah (21). „Wenn ich die Wahl habe zwischen Leben und Nichtleben, dann wähle ich das Leben“, sagt der 17-Jährige kämpferisch.

Stefan Ott ist das jüngste von drei Kindern, habe schon früher auf dem Hof der Familie, den er einmal übernehmen möchte, ausgeholfen. „Das war seine Leidenschaft.“ Deshalb hat er auch gleich einen Traktor-Führerschein gemacht.

„Er hört gerne Musik oder ist mit Freunden unterwegs“ – so wie die meisten Jugendlichen. Doch die unbeschwerte Jugend hatte im April ein jähes Ende, als bei dem 17-Jährigen Blutkrebs diagnostiziert wurde.

Nach einer ausgestandenen Erkältung im April habe sich der Jugendliche weiterhin schlapp und schwach gefühlt. „Er kam kaum die Treppe hoch“, berichtet seine Schwester. „Zuerst hatten wir an Corona gedacht, aber das Testergebnis war dann negativ.“

Chemotherapie hat heftige Nebenwirkungen

Nach einer Blutprobe beim Hausarzt habe dieser den jungen Mann sofort ins Krankenhaus geschickt. „Von Balingen wurden wir direkt nach Tübingen geschickt, weil die Zahl der roten Blutkörperchen so niedrig war.“

Nach weiteren Tests am Uniklinikum stand schnell fest: Stefan Ott hat akute lymphatische Leukämie. Sofort wird mit der Chemo-Therapie begonnen. Doch die schlägt nicht so an, wie gewünscht und hat zudem heftige Nebenwirkungen.

„Stefan hatte in Folge der Chemo eine Blutvergiftung und musste sich am Bein operieren lassen“, berichtet seine Schwester. „Hinterher musste er erst wieder laufen lernen.“

Danach versagen mehrere Organe. Er ist nicht mehr ansprechbar und kämpf vier Wochen lang auf der Intensivstation um sein Leben. Durch die vielen Medikamente trägt er einen irreparablen Hörschaden davon. Der 17-jährige muss nun ein Hörgerät tragen.

Mehr im Krankenhaus als daheim

Seit der Diagnose am 23. April war Stefan Ott mehr im Krankenhaus als zuhause – darunter auch ein Aufenthalt auf der Intensivstation. „Er war in der gesamten Zeit vielleicht drei Wochen daheim“, berichtet seine Schwester. Für die Familie eine enorme emotionale Belastung. „Diese Nachricht war ein absoluter Schock“, erklären die Eltern Jutta und Lothar Ott.

„Man fällt ins Bodenlose. Innerlich sackt alles zusammen, dabei muss man gerade in einer solchen Situation stabil bleiben, um seinem Kind zu helfen“, beschreiben sie ihre Gefühle nach der Diagnose. „Am härtesten war es, als er auf der Intensivstation lag und wir ihn wegen der Infektionsgefahr nicht besuchen durften“, ergänzt Sarah Ott.

Auch sonst sind die Besuchsmöglichkeiten aufgrund der Coronabestimmungen am Klinikum eingeschränkt. „Jede Infektion wäre für ihn lebensbedrohlich – auch schon eine einfache Erkältung.“

Auch aktuell liegt Stefan Ott im Tübinger Uniklinikum. Weil die Chemotherapie nicht den erhofften Erfolg brachte und schlecht vertragen wurde, wurde zu einer Antikörpertherapie gewechselt. Die scheint er immerhin besser zu vertragen. Aber wirklich helfen würde wohl nur eine Stammzellenspende, zumal bei Stefan Ott aggressivere Krebszellen gefunden wurden.

Aufmerksamkeit schaffen

Deshalb hat Sarah Ott einen Typisierungsaufruf gestartet. Da große Registrierungsaktionen vor Ort wegen der Corona-Pandemie nicht möglich sind, versucht die 21-Jährige auf andere Weise Aufmerksamkeit zu erzeugen. Auf Facebook und Instagram hat sie einen Typisierungsaufruf für ihren Bruder gestartet. Unter dkms.de/stefan kann sich jeder zwischen 17 und 55 Jahren ein Registrierungsset nach Hause bestellen und somit vielleicht ein Leben retten.

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Sie selbst war bis zur Erkrankung ihres Bruders noch nicht in der DKMS-Typisierungskartei: „Das Thema war davor einfach so weit weg“, erklärt sie. Deshalb will sie auch Aufklärung betreiben: „Viele Leute aus Stefans Alter melden sich bei Instagram mit Fragen bei mir.

Sie hat auch sie sich typisieren lassen und die Hoffnung, dass es ihr viele nachtun werden: „2012 hat es in Grosselfingen schon einmal eine Typisierungsaktion gegeben: Da wurden gleich vier passende Stammzellenspender gefunden“, erklärt Sarah Ott. Nun hofft sie, dass auch einer für Stefan Ott gefunden wird.

Grosselfingens stellvertretender Bürgermeister Thomas Haug, hatte schon 2012 die Typisierungsaktion organisiert und unterstützt nun die Familie Ott: „Wir wollen Plakate drucken und aus allen Rohren feuern, um möglichst viele Leute zu erreichen.“ Haugs Ziel ist es, die 469 Neuregistrierungen von 2012 noch zu toppen – und das obwohl aufgrund der Corona-Pandemie keine öffentliche Typisierungsaktion stattfinden kann.

Typisierung in Zeiten von Corona

Um Menschen, die sich typisieren lassen wollen, keinem Gesundheitsrisiko auszusetzen, finden seit März 2020 coronabedingt keine öffentlichen Typisierungsaktionen der DKMS mehr statt. Wer sich als registrieren lassen möchte, kann sich das dafür nötige Registrierungskit nach Hause bestellen und den Wangenabstrich mit dem Wattestäbchen selbst vornehmen.

Um Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen finden Onlineaktionen statt. „Diese haben sich als Alternative zu den Aktionen vor Ort mittlerweile fest etabliert“, teilt DKMS-Sprecherin Jennifer Andersen mit. Und: „Wir erreichen dabei insbesondere auch viele junge Menschen.“

Dennoch fehlt der DKMS durch die öffentlichen Typisierungsaktionen eine wichtige Quelle für Neuregistrierungen: Von 2019 auf 2020 ging deren Zahl von 649.417 auf 415.973 um 35,9 Prozent zurück. 2021 wurden bis Ende Juli 290.000 Personen neu in der Knochenmarkspende-Kartei aufgenommen.

Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, in dem es ja zumindest am Jahresanfang noch Vor-Ort-Aktionen gab. „Dies zeigt dass unsere neuen, sicheren und unkomplizierten Angebote gut angenommen werden“, erklärt Jennifer Andersen.

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