Winterlingen setzt Zeichen: Ein Stolperstein für Selma Burkart

Von Anne Retter

Zum Schüleraustauschjubiläum mit Izbica will Winterlingen das Andenken an seine jüdische Mitbürgerin lebendig halten und vor dem ehemaligen Wohnhaus des Arztehepaares Burkhart einen Stein des Gedenkens und Mahnens setzen.

Winterlingen setzt Zeichen: Ein Stolperstein für Selma Burkart

In ganz Europa erinnern mittlerweile nahezu 70.000 Stolpersteine an das Schicksal jüdischer Bürger. Ein solcher Stein - unser Foto zeigt symbolhaft die Gestaltung der Messingplatten - soll auch in Winterlingen gesetzt werden.

Seit 2008 pflegt die Gemeinde Winterlingen mit der Gemeinde Izbica in Südostpolen eine internationale Städtepartnerschaft. Ziel derselben ist es, die menschlichen, kulturellen, schulischen, kirchlich- religiösen, sportlichen, touristischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden zu fördern. Zum 20-jährigen Jubiläum des Schüleraustauschs soll im Rahmen einer Jubiläumsfeier auch ein Stolperstein verlegt werden, der an das Schicksal von Selma Burkhart erinnern.

Wie alles begann

Die Wurzeln der Partnerschaft mit Izbica gehen auf die Nachforschungen über das Schicksal der jüdischen Winterlinger Bürgerin Selma Burkart zurück: Gemeinderat Heinrich Schuler, heimatkundlich interessiert, fand über ihre Geschichte 1997 nach Izbica. Von dort stammt das letzte Lebenszeichen von Selma Burkart: Eine Postkarte vom 24. April 1942.

Zwanzig Jahre Schüleraustausch

Von seiner Reise nach Izbica brachte Schuler eine Einladung an die Realschule Winterlingen mit, aus der sich ab dem Jahr 2000 ein jährlicher Schüleraustausch entwickelte. Im kommenden Jahr steht damit das 20-jährige Jubiläum an, das gebührend gefeiert werden soll. Vom 13. Bis 19. Juli 2020 werden Schülerinnen und Schüler aus Izbica in Winterlingen zu Gast sein und unter anderem an der Schulentlassfeier der Realschule teilnehmen.

Das PolenMobil des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt wird in Winterlingen Station machen; angedacht ist auch eine Lesung mit dem Schriftsteller und Publizisten Dr. Mathias Kneip, der seit vielen Jahren Polen bereist. Seine Erfahrungen und Entdeckungen veröffentlicht er erfolgreich in Büchern und Reportagen.

Ein Akt des Erinnerns

Der Höhepunkt des 20. Schüleraustausches soll die Verlegung eines sogenannten Stolpersteins zum Gedenken an das Schicksal von Selma Burkart sein. Die zehn auf zehn Zentimeter kleine Messingplatte soll vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Eheleute Dr. med. Emil Burkart verlegt werden. Emil Burkart, damals Ortsarzt, lebte mit seiner Ehefrau Selma in der Ebinger Straße 15.

70.000 Steine mahnen

Seit Dezember 1992 erinnern Stolpersteine in den Straßen Europas an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie werden vor der letzten frei gewählten Wohnung der betreffenden Person installiert und mit Name, Lebensdaten und den Todesumständen graviert. Das Projekt ist im vergangenen Jahr auf fast 70.000 verlegte Steine in rund 2000 Kommunen in Europa angewachsen.

Bildhauer kommt nach Winterlingen

Bildhauer Gunter Demnig, Initiator und Leiter des Projekts, verlegt die Stolpersteine nach Vorbereitung durch den Bauhof persönlich. Er wird auch nach Winterlingen kommen. Auf Wunsch hält Demnig auch einen Vortrag zum Thema „Stolpersteine – Spuren und Wege“. Das Honorar beträgt 200 Euro, zuzüglich eventueller Übernahme der Übernachtungskosten.

Gemeinsame Feierstunde

Die Verlegung eines Stolpersteins kostet inklusive Vorbereitungsarbeiten, Materialkosten, Fertigung, Versand, Verlegung und Eintrag in die Datenbank 120 Euro. „Wir waren überrascht, dass die Kosten sich in so kleinem Rahmen bewegen“, merkte Bürgermeister Michael Maier an. Mit der Verlegung eines Stolpersteins in einer gemeinsamen Feierstunde mit Freunden aus Polen und der Schülerschaft soll ein wichtiges Zeichen des Gedenkens gesetzt werden.

Gemeinderat stimmt zu

Die Nachforschungen vor 22 Jahren waren Auslöser für das Entstehen der Schulpartnerschaft, die wiederum den Grundstein für den 2008 vom Gemeinderat beschlossenen Partnerschaftsvertrag legte. „In Anbetracht der Dinge, die jüngst in Halle vorgefallen sind, ist es mehr als angebracht, dass wir das machen“, befand Gemeinderat Roland Heck. Das sahen auch die übrigen Ratsmitglieder so: Der Stolperstein für Selma Burkart ist damit einstimmig beschlossen.