Windparkgegner: „Wir kämpfen bis zuletzt - und wenn es auch fünf Jahre dauert“

Von Gudrun Stoll

Bis zum 4. April nimmt das Landratsamt Einwendungen gegen den geplanten Winterlinger Windpark an. Die Gegner sind gewappnet und bekommen Rückwind.

Windparkgegner: „Wir kämpfen bis zuletzt - und wenn es auch fünf Jahre dauert“

Günter Beck, Walter Beck und Jochen Lottermoser (von links) zählen zum harten Kern der Bürgerinitiative .

Vielschichtig sind die Themen, die den Bau von Windrädern begleiten – und vor allem deren Genehmigung. An insgesamt 16 Argumenten aus diesem komplexen Katalog, dessen Register vom Artenschutz bis zur Windhöffigkeit reicht, machen die Bürgerinitiativen aus Winterlingen und Bitz ihren Widerstand gegen den Bau der sieben 240 Meter hohen Anlagen fest, die im Winterlinger Wald und direkt vor der Nase der Bitzer entstehen sollen.

Vielgestaltig, um nicht zu sagen bunt, diskussionsfreudig und alles andere als obrigkeitstreu haben sich die Gegner des Projekts aufgestellt. Die Mitglieder der Bürgerinitiativen haben die von der Vortex energy eingereichten, auch öffentlich einsehbaren Bauantragsunterlagen geprüft und melden nun beim Landratsamt, welches das Vorhaben genehmigen muss, in mehr als 40 Einzelpunkten gravierende Fehler an.

Die Gegner haben sich durch Papierfluten gekämpft, rechtlichen Rat eingeholt, eine Mahnwache abgehalten, immer wieder (und immer noch) in der Öffentlichkeit für ihr Anliegen gekämpft und getrommelt und letztendlich einen Flyer gestreut.

Mit diesem Flugblatt ist der Knoten geplatzt: Seither erhalte die Bürgerinitiative aus der Bevölkerung einen überwältigenden Zuspruch, freut sich Herbert Bitsch über diese auch für ihn überwältigende Resonanz: „Allein in Bitz haben aus eigenem Antrieb mehr als 400 Einwohner, auch aus Winterlingen und Straßberg, auf der im Rathaus ausgelegten Liste unterschrieben.“

Täglich gehen Anrufe ein, erhalten die Windparkgegner Unterstützung, auch in Form von Spenden. Sie müssen die Gutachten aus eigener Tasche bezahlen. Die Initiative kann als Gruppe auch nicht klagen, die Mitglieder reichen ihre Einwendungen gegen das Projekt daher als Privatpersonen ein.

Herbert Bitsch wird am Montag persönlich auf dem Landratsamt vorstellig werden, die beiden Ordner mit seinen gesammelten Einwendungen einreichen und möglicherweise nachfragen, wieso die Behörde einen für den 19. März bereits zugesagten Gesprächstermin wieder abgesagt hat.

Kritik an Bürgerbeteiligung

Die von der Politik gewollte und viel gerühmte Bürgerbeteiligung sehe anders aus, zeigen sich auch die BBI-Mitglieder Jochen Lottermoser sowie Walter und Günter Beck über diese Ausladung maßlos enttäuscht.

Der harte Kern der Initiative freut sich aber über einen neuen Mitstreiter, auf dessen profundes juristisches Wissen die Windparkgegner bauen, ebenso auf seine politische Erfahrung. Dr. Willi Merkel, ehemaliger Albstädter Stadtrat und langjähriger CDU-Fraktionschef, geht ebenfalls gegen den geplanten Windpark vor. Weil er als Privatperson betroffen ist.

Beim Treffen auf dem Familienhofgut Süßer Grund kommt der 73-Jährige schnell auf den Punkt und feuert eine volle Breitseite auf den Albstädter Oberbürgermeister und den Gemeinderat ab.

„Wir verhalten uns neutral“, hatte OB Klaus Konzelmann im Januar auf Nachfrage des ZAK erklärt. Die Stadt sehe durch die Windkraftanlagen keine negativen Einflüsse für Albstadt als Wanderdestination, heißt es in seiner Stellungnahme, um welche die Bürgerinitiativen die Stadt gebeten hatten.

Für Merkel eine ganz und gar unverständliche Haltung, erinnert er an den Kampf, den Albstadts Verwaltung und der Gemeinderat einst mit allen Finessen gegen den Bau eines einzigen Windrades am Trauf bei Onstmettingen geführt haben. Dies mit Erfolg.

Merkel warnt vor Schaden auch für Albstadt

Das Vorhaben im Winterlinger Wald werde das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb zerstören und den Erholungstourismus, der sich in Albstadt als Wirtschaftsfaktor entwickelt habe, massiv beeinträchtigen, warnt Willi Merkel und spricht von einem konkreten wirtschaftlichen Schaden für die privaten und gewerblichen Gastgeber, aber auch für die Stadt Albstadt.

Dass die Windkraft in der Region nicht Fuß fassen kann, weil Baden-Württemberg nun einmal ein Schwachwindland ist, hat vor kurzem auch eine Entscheidung des Regionalverbandes Neckar-Alb zementiert. Er hat nach siebenjährigem Suchlauf die Standortsuche in den Landkreisen Zollernalb, Tübingen und Reutlingen beendet.

Mit dem mageren Ergebnis, dass wohl von 41 untersuchten Vorranggebieten ein einziges im Landkreis Reutlingen übrig bleiben wird.

Bitsch hat viele Argumente in petto

Fehlende Wirtschaftlichkeit, ungeeigneter Baugrund, grobe Verletzung des Artenschutzes, der immense Wald- und Flächenverbruch, Eisabwurf, Schattenschlag und Infraschall sind die gewichtigen von vielen weiteren Argumenten im Portfolio, mit denen Herbert Bitsch wie auch Dr. Willi Merkel ihre Einwendungen begründen.

Ausführlich erläutert Willi Merkel in seinem Schreiben, warum er den Baugrund als völlig ungeeignet erachtet. Bei Windrädern mit einer Bauhöhe von knapp 240 Metern müsse der Baugrund Masse, Schwingung und Vereisung auffangen.

Der Karstboden der Alb biete diesen Halt nicht, verweist Merkel auf Probleme der EnBW, welche im Bereich des Süßen Grundes die Statik von Strommasten nachjustieren müsse - und im Vergleich zu einem Windrad sind diese Masten winzig.

Einhellige Meinung: Landratsamt kann Bauantrag nur ablehnen

Das Projekt sei „politisch nicht machbar und rechtlich nicht umsetzbar“: Dr. Merkel wie auch Herbert Bitsch schlussfolgern aus dieser Feststellung, dass das Landratsamt eigentlich nur die Option habe, den Bauantrag abzulehnen.

Gegen jedwede andere Entscheidung, sei es ein Ja oder eine Teilgenehmigung, werde geklagt, lassen der Jurist und der Wirtschaftsprüfer keine Zweifel aufkommen, dass sie auch einen mehrjährigen Rechtsstreit in Kauf nehmen. „Wir kämpfen bis zuletzt“, betont Bitsch, „und wenn es fünf Jahre dauert“.

Die Befürchtung, dass gebaut werden könnte, während ein Gerichtsverfahren läuft, hegt Merkel nicht. Die Anordnung eines sofortigen Vollzugs wäre seines Erachtens grob rechtswidrig. Denn in diesem Fall würde durch Baumaßnahmen wie Waldrodung, Tiefbau und Fundamente etwas „Unabänderliches“ bewirkt.

Die verfassungsrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes verlange aber, dass die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werde.