Zollernalbkreis

„WiR2020“ stellt Albstädter Kandidaten ins Abseits

25.02.2021

Von Michael Würz

„WiR2020“ stellt Albstädter Kandidaten ins Abseits

© Michael Würz

Wahlkreis 62, Wahlkreis 64, Wahlkreis 65: Wo steckt Wahlkreis 63? Der Landesverband von „WiR2020“ hat seinen Albstädter Kandidaten Andreas Steiner vom offiziellen Internetauftritt geworfen.

Auf der Internetseite wurde sein Profil gelöscht, der Zugang zu seinen E-Mails ist gesperrt: Der Landesverband von „WiR2020“ geht auf Abstand zu Andreas Steiner.

Wer sich dieser Tage über den hiesigen Landtagskandidaten von „WiR2020“ informieren möchte, wird so schnell nicht fündig: Auf der Internetseite des Landesverbands ist der Wahlkreis 63 samt des dazugehörigen Kandidaten spurlos verschwunden. Und auch wer als interessierter Wähler per E-Mail mit Andreas Steiner Kontakt aufnehmen will, dürfte keine Antwort erhalten: Der Landesverband hat Steiner den Zugriff auf dessen eigene Mails gesperrt.

Das klingt, vorsichtig formuliert, nach Unstimmigkeiten. Oder anders ausgedrückt: Hier distanziert sich ein politischer Landesvorstand mitten im Wahlkampf vom eigenen Kandidaten. Weil der, wir schildern an dieser Stelle die Sicht Steiners, mit dessen Fragen hadert. Weil der Vorstand sich die nicht bieten lassen will?

Der Mann, der viele Fragen stellt

Steiner stellt Fragen. Leidenschaftlich. Der 38-Jährige hinterfragt den Zustand des Rechtsstaats, die Polizei, die Medien. Steiner hinterfragt die Maßnahmen gegen das Coronavirus – und, dieser Haltung konsequent folgend, auch seine eigene Partei, die sich im Laufe der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gegründet hatte. Doch Steiner sähe sich falsch beschrieben, würde man ihn auf einen reduzieren, der mit der Maskenpflicht hadert. Der, auch das, als Sprecher auf „Querdenker“-Kundgebungen aufgetreten war.

„WiR2020“ stellt Albstädter Kandidaten ins Abseits

© Ivankovic

Andreas Steiner

Steiner stellt häufig und gern die großen Fragen. Nach dem gesellschaftlichen Zusammenleben, nach Hierarchien, nach Organisationsstrukturen. Nach Gerechtigkeit und dem, was er als ungerecht empfindet. „Ich bin Organisationsentwickler“, sagt der Albstädter, dem Schubladen und Pyramiden ein Graus sind. Nicht der einzige Umstand, der Steiner in die Politik getrieben hat. „WiR2020“, darin sah er die Chance, Politik, Abläufe, Prozesse zu verändern.

Und so will er es auch von den Verantwortlichen seines Landesverbands ganz genau wissen: Wieso lässt der Plakate drucken, auf denen die Gesichter der Kandidaten nicht abgebildet sind? Wieso plant er, am Kandidaten vorbei Wahlwerbung in Mitteilungsblättern zu buchen? Und wie genau sieht es mit der Finanzierung ebendieser aus? „Ich handle da wie ein Journalist“, findet der 38-Jährige, dem echte Journalisten häufig nicht kritisch genug nachfragen.

Handelt „WiR2020“ wie eine etablierte Partei?

Dass Steiner vergebens auf Antworten aus dem Landesvorstand wartet – für ihn Grund genug, auch diesen in Frage zu stellen. Daraus macht er keinen Hehl.

Ist, wer Steiners Fragen aus dessen Sicht nicht gewachsen ist, ungeeignet für jene Ämter? Handeln sie am Ende genau wie das Personal der etablierten Parteien, mit dem Steiner nicht viel anfangen kann? Das er stellenweise gar zu verachten scheint? „Die Leute im Vorstand“, sagt Steiner, „sind jedenfalls keine höherwertigen Menschen.“ Steiner erwartet, dass sie Rechenschaft ablegen. Dass sie ihm ihr Handeln erklären. Wie er das immer erwartet, wenn er Ungerechtigkeit verspürt oder mangelhafte Organisationsstrukturen ausmacht.

Klar ist: Ihm Rechenschaft ablegen wollen sie im Landesvorstand ganz offensichtlich nicht. Stattdessen löschen sie sein Kandidatenprofil von der offiziellen Internetseite. Sie entziehen ihm den Zugang zu seiner offiziellen Partei-E-Mail-Adresse. Und sie blockieren ihn, einer nach dem anderen, beim Messengerdienst Telegram.

Parteiausschluss ist Thema

Steiner, der betont, Mitglied der Bundespartei zu sein, sich zuvorderst aber als frei denkender Geist sieht, weiß: Einige im Vorstand wollen ihn rauswerfen. Dort gibt man sich auf ZAK-Anfrage zunächst wortkarg: Ja, man wolle zeitnah Stellung zur Sache nehmen, teilt der Landesvize Helmut Happe am Donnerstag mit. Allerdings, und das überrascht angesichts der drakonischen (und öffentlich sichtbaren) Maßnahmen, die man gegen Steiner getroffen hat, dann durchaus, laufe der Wahlkampf auf Hochtouren. Deshalb müsse man „andere Dinge priorisieren“.

Ins Parlament und dann aus der Partei?

Am Telefon lässt Landesparteichef Kay Michel gleichwohl durchklingen, dass man mit Steiner, sicherlich auch mit Steiners unnachgiebigen Art, hadere. Was aber ist der Plan? Michel zeichnet im Gespräch mit unserer Zeitung ein Szenario: Würde Steiner ins Parlament gewählt, wäre denkbar, im Anschluss ein Parteiausschlussverfahren anzustreben. „Er ist im Moment als Kandidat aufgestellt“, sagt Michel. Eine Wahl ins Parlament sei für die Partei zu akzeptieren, vor allem aber rechtlich aus Michels Sicht gar nicht zu verhindern.

Am Wahlprocedere ändert sich nichts

So oder so: Ein etwaiger Parteiausschluss des Bewerbers bliebe für die Landtagswahl ohne Folgen, sagt Landeswahlleiterin Cornelia Nesch. Der Kandidat würde durch den Parteiausschluss nicht zum Einzelbewerber, sondern bliebe Bewerber der Partei. „Daher zählen die abgegebenen Stimmen auch weiterhin für die Partei“, erklärt Nesch.

Ähnlich äußert sich auch das Landratsamt zu den Querelen: „Auf den Ablauf der Wahl hätte ein Parteiausschluss von Kandidaten keine Auswirkungen. Auch die bereits abgegebenen Stimmen der Briefwähler hätten weiterhin Gültigkeit.“ Eine Änderung der Wahlvorschläge sei nicht mehr möglich – die Stimmzettel blieben unverändert bestehen.

Diesen Artikel teilen: