Wer weiß, wo das Jesus-Bild hing? Hohenzollerisches Landesmuseum bittet Bevölkerung um Mithilfe
04.07.2023

© Julia Siedler
David Hendel, Museumsleiter des Hohenzollerischen Landesmuseums in Hechingen, präsentiert stolz die Sonderausstellung für den heimischen Hofmaler Richard Lauchert, die noch bis 24. September bestaunt werden kann.
Das Hohenzollerische Landesmuseum am Hechinger Schloßplatz zeigt bis 24. September die Sonderausstellung zu Richard Lauchert, nach Franz Xaver Winterhalter aus dem Schwarzwald seinerzeit der „zweitbeste Portraitmaler in ganz Europa“. Anstoß für die Ausstellung im Landesmuseum gab unter anderem der Fund des Gemäldes zur Kreuzigung Christi von 1847, das im Außenlager des Museums aufgetaucht ist. Wo es zuvor prunkvoll zur Schau gestellt wurde und wer es damals in Auftrag gab? Ein großes Rätsel, für dessen Lösung es bisher nur eine einzige unscharfe Spur zu geben scheint.
„Unscheinbar hinter Brettern und Spinnenweben, leider verkratzt und aus dem Rahmen gelöst“ lag das voluminöse Kunstwerk 15 bis 20 Jahre lang unerkannt im Außendepot des Hohenzollerischen Landesmuseums (siehe Foto am Ende dieses Artikels). Der Museumsleiter und studierte Geschichtswissenschaftler David Hendel warf einen zweiten Blick auf das Ölgemälde und ordnete es schnell dem heimischen Porträtmaler Richard Lauchert zu. Das Museum ließ den verborgenen Schatz von der aus Rottenburg stammenden Fachfrau Alexandra von Schwerin aufwendig restaurieren; der Rest ist Geschichte – also fast.
Künstlerische Auferstehung eines nahezu vergessenen Hofmalers
War sein Name lange Zeit nur noch Fachkreisen ein Begriff, feiert der gebürtige Sigmaringer Portraitmaler Richard Lauchert anlässlich seines diesjährigen 200. Geburtstages nun also mit einer Sonderausstellung im Hohenzollerischen Landesmuseum seine künstlerische Auferstehung. Durch die großzügige Förderung des Hohenzollerischen Fürstenhauses – verkörpert durch Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen – wurde Lauchert bereits 1839 eine studentische Ausbildung in München zuteil, die ihm einen außergewöhnlichen Werdegang als international gefragtem Porträtisten ermöglichte. Ihm gelang es, „Eigenschaften bildlich darzustellen, so, dass der Charakter rüberkommt“, schwärmt heute noch der Leiter des Museums.
Durch adlige Unterstützung zum gefragten Portraitmaler avanciert
Nach seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München ab 1839 verschlug es den 1823 geborenen Sigmaringer zunächst für Studienreisen nach Italien und Frankreich, wo er in Paris zeitweise auch mit dem gefeierten Porträtkünstler Franz Xaver Winterhalter zusammenarbeitete. Ab 1858 wirkte Lauchert als Hofmaler am Berliner Hof und „wurde schnell von einem Fürstenhof zum nächsten weiterempfohlen“. Der Maler vernahm noch selbst, dass „halb Berlin von ihm gemalt werden möchte“, was – wie Museumsleiter David Hendel erklärt – schon damals eine reife Leistung in der bevölkerungsstarken Großstadt darstellte. Lauchert schaffte es, sich in immer mehr Adelskreise „einzuarbeiten“, was Hendel (abgesehen vom künstlerischen Ausnahmetalent) auf dessen Eloquenz und den geschickten Umgang mit der höheren Gesellschaft zurückführt. Doch auch, wenn Lauchert sein außergewöhnliches Talent unter anderem nach Dänemark, England und Russland verschlug, suchte er seine Hohenzollerische Heimat regelmäßig auf. Man kriegt den Künstler aus Hohenzollern – nicht aber Hohenzollern aus dem Künstler, so scheint es.
Sonderausstellung: Querschnitt durch Laucherts umfangreiches Schaffen
Besucherinnen und Besucher der Ausstellung erwartet ein Querschnitt aus dem Wirken des Künstlers, vieles davon erstmals – „und vielleicht auch letztmals“ – ausgestellt, da es sich größtenteils um Leihgaben aus Privatbesitzt handele. Begutachtet werden können fürstliche Portraits des Adels, der Familie des Künstlers sowie hoher Beamter. Ausgestellt sind zudem frühe Skizzen des Studenten sowie Orden und Urkunden, die dem Hofmaler verliehen wurden. Wie viele andere Porträtmaler war auch Lauchert ein Chronist der damaligen Mode. Besonders stach um die Mitte des 19. Jahrhunderts die sogenannte „Krinoline“ hervor, ein opulenter Reifrock in Glockenform, der in Hechingen sowohl am Modell ausgestellt, als auch anhand Laucherts Gemälden und Karikaturen bewundert werden kann. Was dabei festzustellen ist? „Es kommt alles wieder“, hält der Museumsleiter fest; man denke nur an das opulente Oscar-de-la-Renta-Kleid, das Billie Eilish vor zwei Jahren anlässlich der Met-Gala trug. Lauchert ist geradezu bekannt für die mustergültige Behandlung von Textilien in seinen Werken.
Wo hing das Jesus-Bild?
Hendel freut sich ganz besonders über den Fund im Außenlager und die damit gegenständlich und konkret gewordene „Verbindung des Malers zu Hechingen“. Allerdings werfe gerade der Ausgangspunkt für die Ausstellung Fragen auf, denn: „Die hochformatige Darstellung des gekreuzigten Jesus Christus mit ihrem marmorierten Holzrahmen und segmentbogiger Aussparung unten war offenbar als Altargemälde gedacht.“ Für welchen Sakralraum das Frühwerk allerdings bestimmt war, sei noch immer offen. Deshalb zähle das Landesmuseum auf entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung. Scheinbar hätte sich das Gemälde vor Übergabe an das Landesmuseum 1985 in der Kapelle der Unbefleckten Empfängnis (Marienkapelle) beim Schwanenkino befunden, doch lasse sich dieses dort räumlich nicht logisch verorten.
Museen verbinden Menschen
Deshalb sei das Museum für jeden Hinweis und jedwede persönliche Erinnerung an das Gemälde dankbar, da weder der Auftraggeber noch der Ausstellungsort des Ölgemäldes bisher nachvollzogen werden könnten. Aber wer weiß? Vielleicht kommt der entscheidende Hinweis ja, der das Rätsel löst – und Hendel bestätigt, der sagt: „Museen verbinden.“ Wenn es nach ihm geht, sollten mehr Menschen in alle denkbaren Museen gehen. „Egal, welches Interessengebiet ein Mensch hat – es gibt irgendwo ein Museum dafür.“ Man denke nur an Killer und sein Deutsches Peitschenmuseum. Museen besäßen einen gesellschaftlichen, einen Unterhaltungs- und Bildungsfaktor: „Die Institution Museum als der Ort, der Wissen vermittelt und für die Gesellschaft wichtig ist.“
Im Museum Themen entdecken, die außerhalb der eigenen Lebenswelt erscheinen
Hendel ruft dazu auf, mutig zu sein und eine Ausstellung anzuschauen, die „fernab der eigenen Lebenswelt ist“. Denn es handele sich um eine „niederschwellige Veranstaltung“ und es gebe „keine dummen Fragen – durch Fragen wird man schlauer!“ Auch der Befragte selbst: „Alle Seiten profitieren davon, wenn man ins Gespräch kommt.“ Und dabei lerne man auch neue Seiten an den Mitmenschen kennen. „Den einen interessiert der Gossip, der andere sagt: Das ist super gemalt!“ Als günstige Freizeitbeschäftigung verbinde das Museum „Menschen untereinander: mit Menschen und Themen aus vergangener Zeit oder aktuellen Themen, die vielleicht etwas außerhalb der eigenen Lebenswelt erscheinen“.
