Wenn impfen, impfen, impfen häufig zum Wunschdenken wird – Landratsamt analysiert Coronalage

Von Klaus Irion

Hinkt der Zollernalbkreis in punkto Corona-Impfung im Landesvergleich hinterher? Die klare Antwort vergangenen Montag in der Kreistagssitzung: nein. Und doch ist das Impfthema im Zollernalbkreis vielschichtiger als diese bloße Erkenntnis einen glauben lässt. Zudem analysiert die Landkreisverwaltung das aktuelle Infektionsgeschehen und liefert Klarstellungen zu Gerüchten.

Wenn impfen, impfen, impfen häufig zum Wunschdenken wird – Landratsamt analysiert Coronalage

Der Corona-Impfstoff ist auch im Zollernalbkreis ein noch immer zu wenig verfügbares Gut.

Vor wenigen Tagen verschickte das baden-württembergische Sozialministerium einen Vergleich der Impfquoten in den baden-württembergischen Landkreisen. Grundlage war die Zahl der bereits geimpften Bewohner des jeweiligen Landkreises. Ganz egal wo in Baden-Württemberg sie sich hatten impfen lassen.

Zollernälbler im Mittelfeld

Die Zollernälbler landeten dabei auf einem Mittelfeldplatz. Dass diese Zahlen aber nur bedingt belastbar waren, nahm das Sozialministerium in der Mitteilung höchstselbst vorweg. Denn es wurden lediglich die in Impfzentren geimpften verglichen. Von niedergelassenen Ärzten Geimpfte wurden in der Statistik nicht erfasst.

Impfungen in Arztpraxen

Dabei sind in den Arztpraxen seit geraumer Zeit viele Impfungen im Gange. Das Impfen nähme seither erst so richtig Fahrt auf, hieß es kürzlich in überregionalen Medien. Trifft das auch für den Zollernalbkreis zu?

Impfmenge schwankt

Ja und nein. Natürlich ist es für viele Menschen, die seit Wochen oder schon Monaten vergeblich versuchen, einen Impftermin in einem der Impfzentren zu ergattern, eine gute Sache, wenn ihr Hausarzt sie zu einer Impfung einlädt. Aber die hiesigen niedergelassenen Ärzte können auch nur das verimpfen, was sie an Impfstoffen ergattern können.

Freud und Leid

Und das ist mal mehr, wie die größer angelegte Astra-Zeneca-Impfaktion eines Ebinger Urologen am Dienstag gezeigt hat. Aber auch mal weniger. So wendete sich zum Beispiel ein Hausarzt an den ZOLLERN-ALB-KURIER und klagte sein Leid, dass ihm seine Apotheke gerade eben mitgeteilt habe, dass nicht sicher ist, ob die ursprünglich zugesagte Menge an Impfstoff auch wirklich geliefert werden kann.

Ärger vorprogrammiert

„Ich denke, Sie können sich bildhaft vorstellen, was in meiner Praxis auf meine Mitarbeiter einprasselt, wenn diese den Patienten den zugesagten Termin wieder abkündigen“, sagt der betroffene Hausarzt. Außerdem müsse er ja auch immer schauen, dass für jeden seiner geimpften Patienten dann auch zum richtigen Zeitpunkt wieder die Dosis für die Zweitimpfung im Haus sei.

Rückstellung nur für Zweitimpfung

Mit solchen Problemen haben aber nicht nur die niedergelassenen Ärzte im Zollernalbkreis zu kämpfen, sondern auch die Verantwortlichen im Kreisimpfzentrum in Meßstetten. „Wir halten nichts zurück, was nicht für Zweitimpfungen zurückgehalten werden muss“, beteuerte Stefan Hermann, der als Leiter des Amts für Bevölkerungsschutz von Landratsamtsseite fürs Impfzentrum auf dem Geißbühl verantwortlich zeichnet.

„Situation unbefriedigend“

Auch Landrat Günther-Martin Pauli zeigte sich in der Kreistagssitzung frustriert. „Es ist total unbefriedigend, dass nach wie vor viel zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht.“ In Meßstetten seien die Kapazitäten vorhanden, viel mehr zu verimpfen. „Wenn wir nur mehr Vakzine hätten“.

„Bislang können wir noch alle bereits terminierten Zweitimpfungen einhalten“, berichtet Stefan Hermann. Man habe den vorhandenen Impfstoff so eingeteilt, „dass wir auch noch handlungsfähig sind, wenn mal eine bereits zugesagte Lieferung komplett ausfallen sollte“. Und das ist seinen Worten nach schneller mal passiert, als gedacht. Da reiche es schon, wenn ein Lastwagen auf dem Weg nach Meßstetten einen Unfall habe oder aus anderen Gründen nicht pünktlich liefere.

Sondermenge Impfstoff?

Aus den Reihen der Kreisräte wurde trotz der für alle nachvollziehbaren Schwierigkeiten gleichwohl die Bitte an die Kreisverwaltung herangetragen, beim Land nachzuhaken, ob der Zollernalbkreis angesichts der im Landesvergleich viel zu hohen Inzidenz nicht eine Sondermenge Impfstoff zugedacht bekommen könnte, wie es andernorts in Deutschland in solchen Situationen schon geschehen sei.

Impf-Modellprojekt in Firmen

Dies offensichtlich mit Erfolg: In einer Pressemitteilung verkündete das Landratsamt am Mittwoch Folgendes: „Landrat Günther-Martin Pauli und Kreisbrandmeister Stefan Hermann konnten gemeinsam mit Sozialminister Manfred Lucha und den Verantwortlichen im Sozialministerium erreichen, dass kurzfristig ein Modellprojekt ,Impfen für Produktionsmitarbeiterinnen und –Mitarbeiter mit niedrigem sozioökonomischem Status‘ im Zollernalbkreis umgesetzt wird. Details sollen in den kommenden Tagen folgen, so Landratsamtssprecherin Anja Heinz.

Brennpunkte bleiben

Ein weiterer kleiner Schritt hin zu baldigen Öffnungen auch im Zollernalbkreis. Doch auch damit sind die Impfstoffe längst noch nicht überall dort, wo sie eigentlich auch sein müssten, um schnell eine sinkende Zahl an Coronafällen zu bewirken. Nämlich in sozialen Brennpunkten, die es auch im Zollernalbkreis gibt.

Keine Prävention möglich

Auch hier gilt laut Hermann: Selbst wenn man mobile Impfteams zur Verfügung hätte, wäre derzeit nicht ausreichend Impfstoff vorhanden. „Wir können aus unseren Beständen ja auch nicht einfach präventiv Vakzine entnehmen, wenn diese Dosen bereits für kommende Termine zugeteilt sind.“

Termine vorerst bis August

Wie lange diese Impfdurststrecke im Zollernalbkreis noch anhalten wird, weiß niemand. Klar ist aber, dass man im Kreisimpfzentrum derzeit mit Terminen noch bis Mitte August plant. Was danach kommt, ob es dann mit dem Impfzentrum noch weiter geht: „Das weiß ich heute noch nicht“, sagt Hermann.

Angesichts der aktuellen Coronalage im Zollernalbkreis, stellte die Landkreisverwaltung am Mittwoch noch klar: Der Mountainbike-Weltcup trage nicht zum Infektionsgeschehen im Landkreis bei. Es seien vier Infektionen entdeckt worden, die allesamt nicht in die hiesige Statistik einfließen würden. Zudem sei der Weltcup bekanntlich ohne Zuschauer ausgetragen worden.

Grundsätzlich seien die Infektionszahlen in den vergangenen Monaten immer vor und nach religiösen Feierlichkeiten wie Weihnachten oder Ostern gestiegen. Das Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan Ende vergangener Woche habe bislang keinen bedeutenden Einfluss auf die Inzidenzentwicklung im Kreis.

Beim Alten bleibt es bei der Analyse des Infektionsgeschehens: Es sei sehr diffus. „Die Aufschlüsselung der Neuinfektionen nach einzelnen Städten und Gemeinden zeigt, dass der gesamte Landkreis betroffen ist“, schreibt das Landratsamt. Es gebe keine besonderen Häufungen in bestimmten Ortschaften. Die Menschen würden sich im privaten Bereich infizieren.

Testpflicht in Unternehmen empfohlen

Am stärksten betroffen sei die Gruppe der 20- bis 40-Jährigen, die mitten im Berufsleben stehe. Wagner empfiehlt deshalb dringend, „dass Betriebe ihren Mitarbeitenden nicht nur Selbst- und- Schnelltests zur Verfügungen stellen, sondern diese verstärkt verpflichten, Tests durchzuführen“.