Balingen

Wenn die „Freiheitsdiktatur“ frei demonstrieren lässt: „Frühlingserwachen“ in Balingen

21.03.2021

Von Renate Deregowski

Wenn die „Freiheitsdiktatur“ frei demonstrieren lässt: „Frühlingserwachen“ in Balingen

© Alexander Stoll

Durch die Balinger Fußgängerzone führte am Samstagabend die Anti-Coronamaßnahmen-Demonstration.

Unter dem Titel „Frühlingserwachen – Für Freiheit und Demokratie“ haben sich am Samstagabend 250 bis 300 Demonstranten auf dem Balinger Marktplatz versammelt. Die Versammlung mit anschließendem Rundgang solle den Lückenschluss zu den im Dezember in Balingen verbotenen „Lichterspaziergängen“ bilden, wie einer der drei Sprecher des Abends zu Anfang verkündete. Deren Namen wurden dem ZAK auf explizite Nachfrage bei der Anmelderin der Demo nicht genannt.

„Wir waren niemals weg“, erklärte der Redner, stattdessen hätten die Coronamaßnahmen-Gegner einen „erneuten, noch stärkeren Anlauf genommen“. Er ordnete auch den Titel ein: „Wir sind Pflanzen, die zu einem unübersehbaren Blütenteppich zusammenwachsen.“ Dieser werde sich bis über ganz Europa erstrecken.

Risikogruppen schützen

Weiter forderte er, dass Risikogruppen geschützt werden müssen, jedoch dürfe dies nicht mit der „Zerstörung der Gesellschaft“ einhergehen. Die aktuellen Corona-Maßnahmen und der Lockdown seien „ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Er forderte weiter die „sofortige Wiedererlangung aller im Grundgesetz verankerten Grundrechte“ sowie das „sofortige Beenden der Corona-Maßnahmen“.

Wider die PCR-Tests

Dafür sollten die Menschen, wie an diesem Abend, aufstehen und mit „großen Schritten“ gegen die „Freiheitsdiktatur“ eintreten. Er behauptete, dass PCR-Tests ein „völlig unbrauchbares Instrument“ seien, „um Viren nachzuweisen“.

Ein Wahrscheinlichkeitsrechner

Ein weiterer Redner, der sich selbst als „Geradeausdenker“ bezeichnete, meinte: „Unsere Großeltern starben in Grausamkeit. Wir lassen uns das gefallen.“ Seiner Ansicht nach sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Asteroid die Erde trifft und Menschenleben kostet, höher, als jene an COVID-19 zu sterben.

Geimpfte seien keine Helden

Ein Dritter zitierte das Youtube-Video der österreichischen Journalistin Elisa Mittmanngruber, das seiner Aussage nach kurz nach seiner Veröffentlichung von der Plattform gelöscht wurde. Jene, die sich jetzt impfen ließen, seien keine Helden, hieß es dort, stattdessen seien sie „nur der massiven Propaganda auf den Leim gegangen.“ Was im weiteren Vortrag Zitat oder seine persönliche Ansicht war, ging nicht klar hervor.

Fotostrecke
/

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

© R. Deregowski / A. Stoll

Das Publikum stimmte vielen Aussagen mit Beifall und teils Jubel zu. Was nicht in ihrem Sinne war, kommentierten die Teilnehmer mit Buh-Rufen. Auch die Presse in Deutschland sowie die Vertreter beider Lokalzeitungen wurden sowohl von der Bühne herab als auch direkt mehrfach verbal angegangen. „Schreibt doch, was ihr wollt“ bekamen diese beispielsweise zu hören.

Distanzierung von den Radikalen

Einzelne Teilnehmer der Demo gingen hingegen auf die Pressevertreter zu und betonten, dass sie sich von den radikalen Aussagen dieses Abends distanzierten.

Im Gegensatz zur großen Anti-Coronamaßnahmen-Kundgebung am Samstag in Kassel, verlief die wesentlich kleinere Balinger Demo gewaltfrei. Auf dem Markplatz blieb es bei lautstarken Bekundungen seitens des Publikums.

Trommelnder Tross

Auf Schildern standen Forderungen und Statements wie „Keine Maskenpflicht für Grundschüler“, „Berühren statt Desinfizieren“ und „Frühlingsfest statt Fake-Pandemie“. Während des Rundgangs durch die Innenstadt machte der Tross rufend, trötend und trommelnd auf sich aufmerksam.

Polizei mit großem Aufgebot

Während die Polizei 250 Teilnehmer zählte, waren es laut der Veranstalter 330, wie sie von der Bühne wissen ließen. Die Polizei war mit einem „großen Aufgebot“ an Einsatzkräften vor Ort, genaue Zahlen nannte Einsatzleiter Hans-Georg Buckenmaier nicht.

Zwei Platzverweise

Er gab an, dass zwei Platzverweise ausgesprochen wurden. Weil eine dieser Personen die Anweisung ignoriert hatte, nahm die Polizei den Mann in Gewahrsam. „Schämt euch, ich zahl euch“, riefen einige aufgebrachte Demonstranten am Rand dieser Polizeizugriffe, andere filmten das Geschehen mit ihren Handys.

Ess- und Rauchverbot eingehalten

Eingehalten wurde weitgehend die Vorgabe der Stadt während der eineinhalbstündigen Veranstaltung nicht zu essen, zu trinken und zu rauchen. So sollte das dauerhafte Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sicher gestellt werden. Diese Anordnung war im Vorfeld der Demo vom Verwaltungsgericht so bestätigt worden.

Diesen Artikel teilen: