Geislingen

„Was ist ein Wirtshaus ohne Gäste?“: Abholservice hält Geislinger Gastronomen über Wasser

23.04.2021

Von Claudia Renz

„Was ist ein Wirtshaus ohne Gäste?“: Abholservice hält Geislinger Gastronomen über Wasser

© Claudia Renz

Thomas und Chris Diener kochen auch in Pandemiezeiten. Allerdings nur zum Abholen.

Seit dem 2. November 2020 befindet sich das Gastgewerbe im zweiten Lockdown. Eine Öffnungsoption für das Gastgewerbe einschließlich der Außengastronomie ist auf unabsehbare Zeit auf Eis gelegt. Diese noch nie dagewesene Lage stellt die ganze Branche auf den Kopf, viele Gastronomen werden sich nicht mehr erholen. Auch die Geislinger Gastronomen leiden unter dieser Situation. Durch die Möglichkeit, dass sie ihre Gerichte zur Abholung anbieten dürfen, halten sie ihre Betriebe am Laufen. Wir fragten bei einigen nach. Eine Bestandsaufnahme.

Die harten Vorgaben kommen durchweg von der Politik und nicht vom deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). Das Land Baden-Württemberg hat die Corona-Verordnung bis zum 16. Mai 2021 verlängert. Zusätzlich setzt die Landesregierung mit der Änderung der Corona-Verordnung die auf Bundesebene geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes bereits vor dessen Inkrafttreten um. Der Lockdown für die Gasthäuser und Restaurants, Kaffees und Bars wird fortgesetzt.

Vertrösterei geht an die Substanz

„Natürlich sind wir froh, dass wir was verdienen dürfen, aber dennoch ist es eine sehr schwere Zeit“, ärgert sich der Inhaber des Gasthauses zur Brücke, eines der ältesten Gasthäuser in Geislingen. „Es ist alles sehr unbefriedigend, immer die Vertrösterei von Monat zu Monat, geht schon an die Substanz“, berichtet der „Hilare“-Chef. „Was ist ein Gasthaus ohne Gäste?“, fragt sich der Wirt. Die Antwort: „Ein echt trauriges Dasein zurzeit.“ Besonders der Stammtisch und die vielen treuen Gäste werden von Joana und Markus Müller schmerzlich vermisst. Dennoch sind sie froh darüber, dass die Abholung am Wochenende sehr gut läuft, besonders die Hilareplatte ist der Renner. „Wir können es kaum erwarten, dass wir wieder öffnen und unsere Gäste bewirten dürfen“, ist sich das Gastronomenpaar einig.

Die dunklen Gasträume wirken bedrückend

Auch Antonietta Sagnelli vom Ristorante Pizzeria Hasen sieht noch kein Licht am Horizont. Ganz besonders vermisst die beliebte Gastronomin, das fröhliche Miteinander mit ihren Gästen.. „Es ist ein echt bedrückendes Gefühl, wenn du in die dunklen Gasträume kommst“, sagt sie. Normalerweise dekoriert sie das Restaurant für Weihnachten und Ostern immer mit viel Fantasie. Auch für die Fasnet ließ sich Antonietta Sagnelli immer ein besonderes Motto einfallen. „Seit dem Lockdown ist nichts mehr wie es war und ich hätte nie im Leben gedacht, dass sogar mir die Fasnet so fehlen würde“, scherzt die Italienerin mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Auf die treuen Gäste ist Verlass

Besonders dankbar sind Antonietta und ihr Mann Michele für die große Unterstützung ihrer Gäste aus Geislingen und der ganzen Umgebung. Obwohl die Nerven bei fast allen strapaziert sind, seien alle immer megafreundlich, hätten ein gutes Wort auf den Lippen und würden das Gastronomenehepaar darin bestärken, nicht aufzugeben.

/

Es ist ein echt bedrückendes Gefühl, wenn du in die dunklen Gasträume kommst. Antonietta Sagnelli von der Pizzeria Hasen

Natürlich sind wir froh, dass wir was verdienen dürfen, aber dennoch ist es eine sehr schwere Zeit. Markus Müller, „Hilare"-Wirt

Besonders stolz ist Michele, für den Kochen eine Leidenschaft ist, auf seine Frau. Durch die intensive Teamarbeit in der Küche in den vergangenen Monaten habe sich Antonietta so zu einer guten Köchin entwickelt und der anspruchsvolle Küchenchef ist mehr als zufrieden mit ihr. Er staunt über ihre Antipasti oder die Fischplatten. Kritisch blicken die beiden in die Zukunft, denn neben dem Dauer-Lockdown ist der Mangel an Arbeitskräften in der Gastronomie eine weitere Herausforderung, die auf sie wartet.

Seit rund 50 Jahren ist im Restaurant Diener der Gast König. Chris und Thomas Diener führen ihr Restaurant mit viel Herzblut. Gemeinsam mit Thomas’ Schwester Brigitte und seiner Mutter Maria, die in wenigen Wochen ihren 91. Geburtstag feiert und immer noch Kartoffelsalat zubereitet und bei den Vorbereitungen hilft, versuchen sie das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.

An Ostern hatten die Dieners viel zu tun

Sie bieten eine kleine Karte zum Abholen an. Wochentags läuft das Geschäft eher schleppend, an den Wochenenden dafür aber sehr gut. „An Ostern gingen die Essen getaktet im Fünf-Minuten-Rhythmus über den Tresen“, berichtet Thomas Diener, der ebenfalls auf seine Kundschaft zählen kann. „Viele, die bei uns noch nie im Restaurant waren, bestellen für daheim“, freut sich Chris Diener, die natürlich auch den persönlichen Kontakt zu ihren Gästen schmerzlich vermisst.

Bevor das Bier schlecht wird, wir es verschenkt

Etwas Sorgen bereiten Thomas Diener die rund 400 Liter Bier, die im Keller lagern. „Es wäre echt schade, wenn das kaputt gehen würde, doch bevor das passiert verschenke ich es über die Straße“, scherzt der beliebte Gastronom. Chris und Thomas Diener sind dankbar, dass ihre Kundschaft aus Geislingen und Umgebung so zur Stange hält. Beide sind sich jetzt schon einig, dass sie den Abholservice nach dem Lockdown beibehalten wollen.

Da die Geislinger schon immer als gesellig und einkehrfreudig bekannt sind und waren, ist die Gastronomie in der Sonnenstadt gut bestückt. Noch sieben weitere Gastronomiebetriebe sind ebenfalls geschlossen, bieten aber allesamt ebenfalls ihre Spezialitäten zur Abholung, um die schwierige Zeit so zu überbrücken.

Alle Wirte versuchen, durchzuhalten

In der Gaststätte Schützenhaus stehen gut bürgerliche Gerichte auf der Abholkarte. Chinesische Leckereien werden im China-Restaurant am Schloss präsentiert. Pizza und Pasta bieten Pizzeria Schützen- Isola Bella und Fischerhütte da Franco an. Die Freunde von Döner und Co. werden im Snack House und bei König Döner fündig. Der Landgasthof Engel in Erlaheim, verwöhnt seine Gäste mit regionalen und saisonalen Gerichten und hat sich mit seinem Wohnmobil-Dinner eine Nische geschaffen.

Diesen Artikel teilen: