80-jähriger Balinger Bankräuber muss für Überfallserie im Südwesten sieben Jahre in Haft

Von Pascal Tonnemacher

Er hat in zehn Jahren vier Banken mit Kofferbomben und Erpresserschreiben überfallen, zum Teil mit gravierenden Folgen für betroffene Angestellte: Die Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen folgte am Donnerstag dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und hat den 80-jährigen Kirchzartener wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen und einer versuchten räuberischen Erpressung rechtskräftig zu sieben Jahren Haft verurteilt.

80-jähriger Balinger Bankräuber muss für Überfallserie im Südwesten sieben Jahre in Haft

Der 80-jährige verurteilte Serienbankräuber (rechts) sitzt mit seinem Verteidiger Fritz Westphal auf der Anklagebank im Landgericht Hechingen.

Eine wohl beispiellose Überfallserie im Südwesten hat ihr Ende gefunden: Ein ganzes Jahrzehnt lang hat ein heute 80-jähriger Mann aus Kirchzarten immer dann, wenn das Geld knapp wurde, Banken im Baden-Württemberg überfallen.

Davon ist die Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen, die den Rentner am Donnerstagnachmittag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren rechtskräftig verurteilte, überzeugt.

Mit Perücke, Sonnenbrille und langem Mantel verkleidet, legte er jeweils ein Erpresserschreiben vor. Im Gepäck hatte er eine täuschend echt aussehende Kofferbombenattrappe und versetzte so Bankangestellte in Todesangst.

Taschenbomben waren am schlimmsten

Beim Überfall in Villingen 2009 zwang er zwei Bankmitarbeiter sogar dazu, Taschenbombenattrappen in der Jacketttasche zu tragen. Für die Kammer der schwerwiegendste Fall.

Über 370.000 Euro erbeutete der Rentner so bei den drei erfolgreichen Überfällen in Villingen, in Rastatt 2012 sowie in Balingen im Mai 2019, wo ihn die Polizei dank eines aufmerksamen Bankmitarbeiters festnehmen konnte. Unter anderem kurz zuvor in Waldkirch scheiterte der Versuch.

Von Null auf Hundert zum Straftäter

Die Kammer folgte mit der Strafe und in der Urteilsbegründung der Forderung der Staatsanwaltschaft. „Sie haben sich vom 70 Jahre lang unbescholtenen Bürger zum Verbrecher gewandelt, quasi von Null auf Hundert“, sagte der Vorsitzende Richter Hannes Breucker zum bislang nicht vorbestraften und vollumfänglich geständigen 80-Jährigen. Für Breucker ein „ganz besonderer und bedrückender Fall“.

Objektiv seien seine Überfälle, bei denen er mit Bombenattrappen gedroht hatte, ungefährlich gewesen. Das sei für die Opfer jedoch unklar gewesen. Sie litten unter Todesängste und haben die Überfälle teilweise noch immer nicht verarbeiten können.

Gravierende Folgen für Bankangestellte

So hat ein Mitarbeiter der überfallenen Sparkasse in Balingen Hörschäden davon getragen, andere hatten Alpträume. Der damalige Filialleiter in Villingen musste sich mehrfach psychologisch behandeln lassen, war bis zuletzt arbeitsunfähig.

Diese „gravierenden Folgen für die Opfer“ und der „unerträgliche“ Zustand, den die beiden Betroffenen in Villingen mit Taschenbomben in der Jacketttasche durchstehen mussten, fielen am stärksten ins Gewicht.

Eher Profi als Amateur

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Rentner die Taten akribisch plante und durchführte, Banken im Vorfeld erspähte und mit seiner Verkleidung eher einem Profi glich.

Der Verteidiger Fritz Westphal sah in seinem Plädoyer noch eben das als erwiesen an, was der Angeklagte zuvor „Panikaktion eines Amateurs“ genannt hatte. Durch seine auffällige Verkleidung sei er mehrfach, eben auch bei seiner letzten Tat in Balingen, erkannt worden, sagt Westphal und fasst zusammen: „Das spricht nicht für einen Profi.“

Finanzkrise als Auslöser für Taten

Nach der Finanzkrise und der Pleite der Lehman-Bank verspekulierte sich der heute 80-Jährige nach eigenen Angaben mit Anlagen, geriet dann in Geldnot. Seit 2006 stand er regelmäßig im Minus. Das machte die detaillierte Buchhaltung des Kaufmanns ersichtlich.

Westphal sah in dem Fall mehrere Tragödien. Für die Banken, denen kein dauerhafter Schaden entstanden sei, sei es keine, jedoch für die betroffenen Bankangestellten, die teilweise noch heute darunter leiden.

Tragödie auch für Angeklagten

Aber auch für den Angeklagten selbst, dessen Familie bis zur Festnahme von nichts wusste. „Wie hoffnungslos muss man sein, wenn man 70 Jahre unbescholten lebt und dann plötzlich vor dem Nichts steht und keinen anderen Ausweg mehr sieht“, sagte Westphal.

Der 80-Jährige sei bei den Überfällen zurückhaltend gewesen, wollte keine Panik und Angst verbreiten und brach Versuche ab, wenn die Situation aussichtslos war.

War es eine Panikaktion eines Amateurs oder nicht?

Panikaktion eines Amateurs? Staatsanwalt Schneider sah das Gegenteil: „Da ist von Panik keine Spur.“ Vor Ort sei er ruhig und souverän gewesen, kannte Namen der Bankangestellten. Jahrelang hielt er Ermittler und Öffentlichkeit in Atem, trotz Fernsehfahndung kam man ihm nie auf die Schliche.

Ob dem nun Verurteilten das Einfühlungsvermögen für die Opfer fehlte ist umstritten. „Für uns blieben sie bis zu ihrem letzten Wort ein Rätsel“, sagte Richter Breucker.

Angeklagter spricht von großem Fehler

Darin sprach der 80-Jährige von einem „großen Fehler“, zu dem er stehe. Ihn bedrücke die Situation, dass er die psychischen Folgen bei den Betroffenen nicht bedacht hat. „Ich hatte nie vor, jemandem Gewalt anzutun“, sagte er.

Dass der Angeklagte schon am Folgetag nach der Festnahme in Balingen vollumfänglich geständig war, wurde ihm zu seinen Gunsten angerechnet. „Die Beweislast, unter anderem mit DNA-Spuren des Angeklagten, war aber auch so schon erdrückend“, sagte Staatsanwalt Michael Schneider in seinem Plädoyer.

Angeklagter wollte so weiter leben

Der Angeklagte habe den Fehler gemacht, im Rentenalter keine Abstriche machen zu wollen, „so wie es die ganze Bevölkerung in Deutschland und der Welt macht“.

Die erdrückenden Ausgaben wollte der 80-Jährige demnach immer dann mit der Überfallbeute ausgleichen, wenn die Geldvorräte zuneige gingen, sagte Schneider.

Chance auf Freiheit zu Lebzeiten

Richter Breucker sieht im Urteil der Kammer die „straff zusammengezogene“ Strafe, für die die Verteidigung plädiert hatte. „Die Strafe ist ausgewogen und angemessen“, sagte Breucker. „Es besteht die Chance für Sie, dass Sie bei guter Gesundheit und guter Führung zu gegebener Zeit noch zu Lebzeiten die Freiheit wiedererlangen können.“

Staatsanwalt Schneider legte bei seinem Plädoyer eine Unterbringung in der Außenstelle der JVA Konstanz in Singen, im sogenannten Rentnerknast, nahe. Eine vorzeitige Entlassung ist nach der Hälfte oder zwei Dritteln der Haft möglich.