War Eifersucht oder Geld das Hauptmotiv beim Albstädter Doppelmord?
29.09.2023

© Holger Much
Das Landgericht Hechingen vernimmt zahlreiche Zeugen im Fall des Albstädter Doppelmordes.
Eine Fülle von Aspekten des immer komplexer werdenden Falles um den Mord an zwei jungen Menschen im Dezember 2022 in Albstadt wurden am Freitag angesprochen. Die Art des Verhältnisses des Angeklagten zu seiner Nichte, sein Umgang mit Drogen und Geld sowie das Umfeld des Angeklagten wurden unter die Lupe genommen.
Den Mord an den beiden jungen Menschen, einer 20-jährigen Frau und einem 23-jährigen Mann, am 18. sowie am 21. Dezember vergangenen Jahres in Albstadt hat der Angeklagte, ein 53-Jähriger aus Albstadt, bereits am ersten Verhandlungstag eingeräumt.
Da der Angeklagte sich aber rigoros weigert, weder zum genauen Hergang der beiden Taten noch zum konkreten Motiv seines Handelns irgendwelche Angaben zu machen, ist es Aufgabe des Gerichtes, beides durch minutiöse Beweisaufnahme sowie durch das teils penible Befragen zahlreicher Zeugen zu klären.
Allein am Freitag wurden 13 Zeuginnen und Zeugen gehört. Dabei wurden teilweise Themen aufgegriffen, die in früheren Verhandlungstagen schon besprochen wurden, teilweise kamen in der öffentlichen Verhandlung neue Aspekte hinzu.
Laut, wenn er getrunken hatte
Der Inhaber des Lokals, das der Richter als „erweitertes Wohnzimmer“ des Angeklagten bezeichnete, sowie einer seiner Brüder, die dort mitarbeiten, wurden als Zeugen gehört. Während der Inhaber den Angeklagten nicht so nahe kannte, da er weniger direkt mit Gästen zu tun habe, den Angeklagten als „spendablen Gast“ und „sehr laut, wenn er getrunken“ habe, bezeichnete und erläuterte, dass der Angeklagte nach der Tat, als man ihn auf das Verschwinden seiner Nichte ansprach, „ganz ruhig“ reagiert habe, berichtete der Bruder, die sehr enge Beziehung, die die meisten der Zeuginnen und Zeugen als „sehr gut“ und „wie Vater und Tochter“ bezeichnete, sei „komisch gewesen“.
Dass der Angeklagte und die Nichte, die beide im selben Haus wohnten, oft gemeinsam abends aus und auf Shoppingtouren im Umland waren, mehr als nur Onkel und Nichte gewesen seien, wie es der Richter fragte, bestätigte niemand. Allerdings attestierten mehrere Zeuginnen und Zeugen dem angeklagten Onkel eifersüchtige Neigungen, er habe seiner Nichte hinterhertelefoniert und sie fast schon überwacht.
War Eifersucht der Grund für die Taten?
Die Mutter der getöteten jungen Frau antwortete auf die Frage des Richters, was sie als Grund für die Tat vermute: „Wegen Geld nicht. Wegen Eifersucht!“ Eine andere Zeugin will gar mitbekommen haben, dass die bereits am Vortrag als Zeugin gehörte beste Freundin der getöteten jungen Frau mitbekommen habe, dass der Angeklagte sinngemäß geäußert habe, er werde die Nichte „töten, wenn sie ihn nicht ran lasse“ und auch, dass er nicht wisse, was er mit ihr mache, wenn er sie mit dem jungen Mann im Bett erwische, den er dann am 21. Dezember auf dem Ziegelplatz erschoss.
Dass beide jungen Leute, die zum Schluss wohl ein gutes freundschaftliches Verhältnis gepflegt hatten, vor geraumer Zeit tatsächlich eine kurze intime Beziehung miteinander hatten, wurde von mehreren Zeugen bestätigt. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die junge Freundesgruppe um die beiden späteren Opfer einen guten Umgang miteinander pflegten, so äußerte ein weiterer junger Zeuge nach mehrfachem Nachbohren von Seiten der Richterbank, sei wohl der Grund für eine Eifersucht des Angeklagten.
Vermeintlicher Geldbeutel war ein Handy
Darauf, auf das intime Verhältnis der 20-Jährigen und des 23-Jährigen, habe sich wohl auch der Chatverlauf von ihm und der besten Freundin der Nichte bezogen, in dem der Satz fiel „Hat ihm jemand was gesagt?“. Tags zuvor wollte die entsprechende Zeugin dies nur als allgemeine Floskel verstanden wissen.
Anhand eines Bildes, das den Angeklagten mit der Gruppe junger Leute beim Feiern zeigt, wurden weitere Aspekte erörtert.
Das Objekt in der Hand einer der jungen Frauen, in dem der Angeklagte seinen Geldbeutel, den man ihm gestohlen habe, erkennen will, sei tatsächlich ihr damaliges Handy, sagte die Zeugin vor Gericht aus. Eingeräumt wurde auch, dass man gemeinsam Drogen konsumiert habe, die meisten der jungen Leute Cannabis, der Angeklagte auch Kokain. Die Nichte des Angeklagten habe Cannabis wegen ihrer schweren schmerzhaften Erkrankung konsumiert.
Drogen an „ganz Ebingen“ verkauft
Im Laufe der Vernehmungen kam am Freitag zudem heraus, dass der Angeklagte nicht nur Drogen „an ganz Ebingen“ verkauft, sondern auch mit Elektronikartikeln gehandelt habe, darunter Handys oder Laptops. Einen Teil der Waren habe er, so ein Zeuge, von „Amazon-Fahrern“, die die Geräte hätten mitgehen lassen. Er habe stets 1000 Euro oder mehr in bar dabei gehabt und habe, so formulierte eine Zeugin, „mit Geld um sich geworfen wie ein Bekloppter“.
Die Familie des Angeklagten wurde ebenfalls als Zeugen vernommen. Der Bruder des Angeklagten, der Vater des getöteten Mädchens, räumte ein, seine Tochter habe zum Onkel wohl ein innigeres Verhältnis gehabt als zu ihm. Er und die Schwester des Angeklagten berichteten aber von einem bisher in der Verhandlung nicht erwähnten Detail. Der Angeklagte habe während der Hochzeitsfeier seiner anderen Nichte geklagt, jemand habe ihm „Säure“, so die Bezeichnung der Zeugen, in die Schuhe geleert.
War Säure in der Kaffeemaschine?
Vermutlich dieselbe Substanz habe man ihm, um ihn zu vergiften, in die Kaffeemaschine gekippt. Diese, sowie viele Kleidung und Bettwäsche habe er daher weggeworfen. Eine Bekannte der Familie sagte aus, sie habe auf Bitten des Angeklagten dessen gesamte Wohnung gereinigt, und irgendetwas habe sie an den Händen geschmerzt dabei.
Ein letzter Zeuge berichtete an dem Tag, er habe gehört, der Angeklagte habe für den Verkauf seines Hauses 310.000 Euro bekommen sollen, habe aber nur 290.000 bekommen, was ihn sehr wütend gemacht habe. Nach Abzug der verbliebenen Bankschulden seien dem Angeklagten dann 120.000 Euro verblieben.
Angeklagter fühlte sich beobachtet
Und dass er die in einem Versteck in der Küche in bar verwahrt hatte, so der Zeuge bei der Polizei, das sei der ganzen italienischen Community in Albstadt bekannt gewesen. Dass ihm das jemand klauen wollte, davon war der Angeklagte überzeugt. Er fühlte sich nach Zeugenaussagen regelrecht beobachtet und war sicher, dass die nicht näher bezeichneten Diebe immer stets herausfinden würden, wo sein Geld versteckt wäre.
