Balingen

Waldbaden und Gedichte: Weilstetter Albverein veranstaltet besonderen Spaziergang mit Lyrik

02.08.2021

von Barbara Szymanski

Waldbaden und Gedichte: Weilstetter Albverein veranstaltet besonderen Spaziergang mit Lyrik

© Barbara Szymanski

Die Albvereins-Ortsgruppe Weilstetten hatte zu einem lyrischen Waldspaziergang durch das Willetal bei Roßwangen eingeladen.

Raus aus dem Auto und erst mal toben. Doch schon nach ein paar Schritten der vier Kinder in den Wald des Willetals in Roßwangen kehrte Ruhe ein beim Lyrischen Waldspaziergang, der kürzlich auf Einladung der Weilstetter Albvereins-Ortsgruppe stattfand.

Niemand hatte die Rasselbande ermahnt. Der Wald mit seinem Duft, seiner geheimnisvollen Ruhe, den Rufen von Schwarzspecht und dem stets aufgeregten Eichelhäher ließen die Augen groß werden. Fast mochten die insgesamt 35 erwachsenen Spaziergänger an beiden Tagen unter der Leitung des Revierförsters Siegfried Geiger aus Balingen glauben, nicht nur sie, sondern auch die Jüngsten übten ungewollt Waldbaden.

Das aber war nicht das Motto des Albvereins Weilstetten. Dieser hatte einmal mehr zu dieser ganz besonderen Wahrnehmung des Waldes eingeladen. Organisator Günther Vossler dazu: „Wald und Lyrik ergänzen sich. Es wird ein Lächeln auf alle Gesichter gezaubert.“

Von „Teuschland“ und der besonderen Beziehung zum Wald

Das war nicht immer so, wie der Förster, ein bekennender Lyrik-Freund, verrät. Denn zu Zeiten des römischen Kaisers Tacitus (um 58 n. Chr.) murrte dieser, dass das alte „Teutschland“ duster sei mit seinen ungeheuren und großen Wäldern. Der Römer vermutete gar, dass dieses Teutschland weiland wohl ein kontinuierlicher Wald gewesen sei. Doch es ist bekannt, dass gerade diese Teutschen eine ganz besondere Beziehung zum Wald ausgeprägt haben. Vor allem in der Romantik wurden Gemälde von ungeheurer Wucht geschaffen, Musiker komponierten eher schwülstige Liebeserklärungen und viele Dichter rühmten „ihren“ Wald, in dem sie zur Ruhe kamen, sich zurückziehen konnten.

Waldbaden und Gedichte: Weilstetter Albverein veranstaltet besonderen Spaziergang mit Lyrik

© Barbara Szymanski

Im Wald gibt es immer viel zu hören – kürzlich nicht nur das Rauschen der Blätter und Vogelgesang, sondern auch Gedichte.

„Es ist wirklich wahr, man wird ein anderer Mensch; der Alltag fällt von einem ab“, sagte Günter Vossler in die andächtige Stille hinein, nachdem das Gedicht von Joseph von Eichendorff verklungen war: „Schläft ein Lied in allen Dingen,/ die da träumen fort und fort/ und die Welt hebt an zu singen/ triffst du nur das Zauberwort.“ Goethe hat mit seinem Poem „Waldesruh“ dem Tann ein unerschütterliches Gedenkmal gesetzt, Hölderlin, Novalis, selbst Erich Kästner oder Bertold Brecht, Antoine de Saint-Exupéry, Wilhelm Hauff, oder Meister Eckart (1260-1327): „Das ewige Wort wird nur in der Stille laut.“

Förster singt öfters in der Einsamkeit des Waldes

An dieser Stelle verriet der Förster auch ein Geheimnis. „Ich rezitiere oder singe des Öfteren in der Waldeinsamkeit.“ Nicht einmal die kleinen Spaziergänger kicherten, weil sie viel zu sehr beschäftigt waren, den mitunter rätselhaften Geräuschen und Gerüchen nachzuspüren. Doch der Forstberuf sei eher ein technischer, verwaltender Beruf, brach Geiger mit der oft besungenen Försterromantik. Dieses Amt habe, ähnlich wie die Jägersprache (Bache, Aufbruch, Fähe und so weiter) eigene Ausdrücke entwickelt wie Forst, Hege, Femel, Kluppe.

Waldbaden und Gedichte: Weilstetter Albverein veranstaltet besonderen Spaziergang mit Lyrik

© Barbara Szymanski

An zwei Tagen gingen Interessierte mit Förster Siegfried Geiger auf Tour durch den Roßwanger Wald.

Und weil die Deutschen und ganz offensichtlich auch die Waldspaziergänger ihren Wald lieben, kommen sie nicht darum herum, sich Sorgen zu machen über dessen Gesundheitszustand. Trotz der berührenden Verse oder der japanischen Reimform Haiku: „Wie herrlich, herrlich: Im Düster der Bäume selbst/Die Sonnenstrahlen.“ (Basho) nahm Geiger dieses Thema auf, berichtete jedoch, dass sich das Siechtum des Waldes nicht erst seit etwa 30 Jahren breitmacht.

Wald: Wir alle leben davon

Der Humanist Philipp Melanchton habe sich schon im 15. Jahrhundert in barocker Sprache und Syntax Gedanken über das „wilde Holtze“ gemacht und festgestellt, dass sich die Wälder in einem erbärmlichen Zustand befänden. Deshalb sei es wichtig, Bäume richtig anzubauen, damit es eine dauerhafte und nachhaltige Nutzung gebe. Das Wort nachhaltig sei heute in aller Munde, so Geiger „und hat Bedeutung für die Zukunft der Menschheit“. Und wie deshalb das kürzeste Gedicht heiße? Diese Frage war an die Kinder gerichtet, welche die vier Buchstaben auf den feuchten Weg sprühen durften. Denn WALD buchstabiert sich so: Wir Alle Leben Davon.

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