Wähler teilen Denkzettel aus, scheuen aber Experimente: eine Analyse der Kreistagswahl

Von Gudrun Stoll

Das starke Beben ist ausgeblieben. CDU und Freie Wähler bleiben die starke Kraft im Kreistag. Die AfD ist mit vier Leuten erstmals im Parlament dabei.

Wähler teilen Denkzettel aus, scheuen aber Experimente: eine Analyse der Kreistagswahl

Wahlbeflaggung vor dem Rathaus in Ebingen.

Das gute Abschneiden der Kreis-AfD bei der Europawahl ließ vermuten, dass die rechtspopulistische Partei auch Fuß fassen wird im Kreistag. Einzig die Frage, mit vielen Mandaten der Wähler die Partei ausstatten wird, gab Anlass für Spekulationen über deren künftiges Gewicht in der Kreispolitik.

Die Zwischenergebnisse der Auszählung ließen für längere Zeit vermuten, dass die Alternative für Deutschland, die in allen sieben Wahlbezirken mit einer Liste angetreten ist, ein zweistelliges Ergebnis einfahren könnte - dafür sprach das Burladinger Votum mit satten 16,6 Prozent.

In vier weiteren Gemeinden liegt die AfD bei einem Stimmenanteil von 10 Prozent und mehr. Als jedoch die Ergebnisse aus den beiden großen Kreisstädten und weiteren Kommunen eintrafen, relativierten sich die Werte.

Von Null auf Hundert

Das Landratsamt verkündetenerst am späten Montagnachmittag das vorläufige amtliche Endergebnis - lange ließ das Straßberger Ergebnis auf sich warten, was die Auszählung im gesamten Wahlbezirk VII Meßstetten verzögerte. Die Nachricht des Tages lautet: Die AfD als neuer Rechtsaußen erzielte einen Stimmenanteil von 7,9 Prozent und wird in der neuen Sitzungsperiode vier Kreisräte stellen.

Einen solchen Sprung von Null auf Hundert hat vor der 2013 gegründeten Partei noch keine Protestbewegung geschafft - die Republikaner waren einst mit einem Mann auch im Balinger Kreisparlament vertreten, verschwanden aber schnell in der Bedeutungslosigkeit.

Schwere Verluste müssen auch auf Kreisebene die Sozialdemokraten verkraften. Die SPD wird abgestraft für die Bundespolitik, der Kreisverband ist außerdem seines Dream-Teams Helga Zimmermann-Fütterer und Hans-Martin Haller beraubt. Die Balingerin und der Albstädter waren über Jahrzehnte eine sichere Bank für Stimmen, beide haben aus Altersgründen ihren Abschied aus der aktiven Politik eingereicht. Ihren treuesten Wählerstamm haben die Sozialdemokraten in Bitz, wo sie ein Ergebnis von 33,3 Prozent erzielten. Im kreisweiten Ergebnis rutschte die SPD aber von 17,5 auf 11,2 Prozent ab, büßte vier ihrer zehn Sitze ein. Den angestammten Platz als drittgrößte Fraktion müssen die Sozialdemokraten an die Grünen abgeben.

Die meisten Federn lassen musste die CDU. Von 40,7 auf 33,3 Prozent ist sie in der Wählergunst abgesackt, aus vormals 25 sind 19 Sitze geworden. Die CDU bleibt aber nach wie vor größte Fraktion. Ihr bestes Ergebnis mit 52,8 Prozent erzielten die Christdemokraten in Schömberg.

Ein stabiles Ergebnis eingefahren haben die Freien Wähler, die mit 23,1 Prozent zweitstärkste Kraft im Gremium bleiben und 13 Kreisräte stellen. Sie fuhren ihr bestes Ergebnis mit 61,1 Prozent in Rangendingen ein.

Der Höhenflug der Grünen kennt keine Grenzen. Von Brüssel bis nach Balingen hat die Partei ihr Ergebnis verbessert - hier auf der Alb von 8 auf 12,9 Prozent. Die Partei des Klimawandels wird mit sieben Mitgliedern (bislang fünf) die Kreispolitik mitgestalten. Das beste Ergebnis mit 34 Prozent kommt aus Hausen a.T.

Mehr als zufrieden kann auch die FDP mit ihrem Abschneiden (9,5 Prozent) sein. Waren die Liberalen im noch amtierenden Kreistag mit vier Räten vertreten, erhöht sich ihre Zahl auf fünf. In Dotternhausen befindet sich die Hochburg der Liberalen: Es gab 25,5 Prozent. Die Linken sind mittlerweile eine feste Größte und haben ihr Mandat nach 2009 und 2014 mit Erfolg verteidigt. Das beste Ergebnis mit 4,2 Prozent kam aus Schömberg.

Oberbürgermeister punkten

In Tuto wächst der Kreistag von sechs auf sieben Parteien und Gruppierungen an. Der neue Kreistag hat 55 Mitglieder. Gerade einmal sieben Frauen wurden ins Kreisparlament gewählt. Die Wahlbeteiligung war mit 54,8 Prozent erfreulich hoch.

Ein erster Blick offenbart auch Überraschungen: So haben bei der CDU unter anderem der Albstädter Finanzbürgermeister Anton Reger, Friedrich Pommerencke, Schömbergs Rathauschef Karl-Josef Sprenger und Veronika Kugele die Wiederwahl nicht geschafft. Auch Werner Jessen aus Balingen und Dotternhausens Bürgermeisterin Monique Adrian von den Freien Wählern verfehlten den Wiedereinzug. Bei der SPD wie auch bei den Liberalen setzen vorwiegend altgediente und ältere Kandidaten ihre Arbeit fort. Bei den Grünen überrascht das Ausscheiden des Kreisrates Konrad Flegr aus Bisingen, sorgen aber Ute Krause, Dr. Ulrich Kohaupt, Peter Seifert, Uwe Jetter und Hans Edelmann für frischen Wind.

Souverän den Einzug in den Kreistag geschafft haben die beiden erstmals zur Wahl angetretenen Oberbürgermeister Helmut Reitemann (Balingen) und Klaus Konzelmann (Albstadt). Dies mit Top-Ergebnissen. Auch Hechingens neuer Rathauschef Philipp Hahn und sein Meßstetter Kollege Frank Schroft bestimmen die Kreispolitik künftig über die Kreistagsschiene mit.

Die Riege der Bürgermeister komplettieren Heiko Lebherz, Thomas Miller, Oliver Schmid, Hubert Schiele, Reinhold Schäfer und Josef Ungermann.

Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Version des Artikels hatten wir berichtet, dass Manuela Heider von den Freien Wählern den Wiedereinzug ins Gremium verpasst hat. Jedoch hatte sie aus familiären und beruflichen Gründen gar nicht mehr kandidiert. Wir haben das korrigiert.

Die Ergebnisse der Kreistagswahl im Detail finden Sie im Laufe des Abends in interaktiven Grafiken auf zak.de