„WPP“ in Balingen: Besucherzahl unter Erwartungen, Veranstalter ziehen dennoch positive Bilanz

Von Jasmin Alber

25 Ausstellungstage, 120 Pressefotos aus aller Herren Länder, knapp 4000 Besucher, 85 Führungen und 10 Schulklassen: Das sind einige der Zahlen der diesjährigen World-Press-Photo-Ausstellung in Balingen. Dass die Besucherzahlen unter denen des Vorjahres liegen, mag an mehreren Gründen liegen, sind die Verantwortlichen bei Stadt, Stadthalle und Volkshochschule sicher. Sie sind sich aber auch sicher, dass die Fotoschau samt des vom ZOLLERN-ALB-KURIER durchgeführten Rahmenprogramms einmal mehr ein Erfolg war. Eine Bilanz.

„WPP“ in Balingen: Besucherzahl unter Erwartungen, Veranstalter ziehen dennoch positive Bilanz

Walter Bleibel (links) und Albrecht Bohn nehmen am Montag die Fotografien von den Stellwänden ab und bereiten sie für den Transport nach Wien vor.

Eine schwäbische Stadt, fernab der Metropolen, und die besten Pressefotos aus aller Welt: Das passt, wie sich dieses Jahr erneut bei der World-Press-Photo-Ausstellung (WPP) gezeigt hat. Die Veranstalter – Stadthalle und Volkshochschule Balingen – ziehen nach dem Ende der dritten Auflage der Fotoschau ein positives Resümee.

Zum einen natürlich inhaltlich: „Die Ausstellung hat uns wieder viele Themen aufgezeigt, die uns in Zukunft näher beschäftigen werden“, lautet das persönliche Fazit von Nicole Mayer, WPP-Projektleiterin bei der Vhs. „Die Klimakrise war für mich ein dominantes Thema. Wir sehen es täglich: Wir warten alle dringend auf den Regen und er kommt nicht.“ Das führe vor Augen, mit welch vielfältigen Themen man sich auseinandersetzen müsse. Sie freut sich auch darüber, dass dieses Jahr die Kuratorin Julia Kozakiewicz vor Ort gewesen ist. „Sie hat uns noch mal den Spirit aus Amsterdam mit nach Balingen gebracht.“

Bleibende Eindrücke im Gästebuch

„Mit der Art der Ausstellung waren wir sehr zufrieden“, lautet auch das Fazit von Matthias Klein, Geschäftsführer der Stadthalle Balingen. Ihn habe hauptsächlich positive Kritik erreicht. Das Gästebuch, in dem viele Besucher ihre Eindrücke festgehalten haben, werde er noch ausführlich sichten.

In dem gelben Buch sind etliche Seiten gefüllt, auch Wortmeldungen auf Englisch und in Ukrainischer Sprache sind dort zu lesen. „Beeindruckend, alarmierend und beängstigend. Wie lange werden wir noch auf unserer Insel der Glückseligen leben?“, „Schön und wichtig, dass Balingen eine solch wichtige Ausstellung ermöglich hat und weiter (!) ermöglicht“, „Bildgewaltig. Erweckend. Wichtig. Beeindruckend und erschreckend, nachdenklich fahre ich heim. Gibt es Hoffnung?“, „Gut, dass wir durch den Mut der Fotografen die Fotos sehen und die Hintergründe dazu erfahren“ – sind nur einige der Einträge.

Es wurde aber von einzelnen Besuchern aber auch geschrieben, dass einige der Kategorien der vergangenen Jahre fehlen würden. Diese Meinung teilen auch die Macher vor Ort.

Anregung für Amsterdam: emotional positive Motive zeigen

Die WPP-Foundation müsse Kleins Meinung nach noch einige Stellschrauben des neuen Konzepts mit den Länderkategorien feinjustieren. Dass wie in den Vorjahren einige emotional positivere Bilder gezeigt werden, ist sein Wunsch, den er mit Guide Walter Bleibel teilt. Erfahrungsgemäß seien bei den Führungen die gezeigten Inhalte besser zu vermitteln gewesen, gerade auch, was die sogenannten offenen Formate angehe, berichtet er aus seiner Erfahrung der vergangenen dreieinhalb Wochen. Nicht nur aus Balingen, sondern auch von anderen Ausstellungsorten, sei in Amsterdam bereits angeregt worden, die Kategorien Natur oder Sport wieder mit aufzunehmen.

Mehrere Gründe für weniger Besucher als erwartet

Der andere Bilanzaspekt sind die Zahlen: Nach knapp drei Wochen WPP-Ausstellung in Balingen wurden am Montag wieder die Kisten gepackt, die Fotos reisen weiter nach Wien zur nächsten Ausstellung. „Wir sind insgesamt zufrieden mit der Resonanz“, fasst Nicole Mayer zusammen. Rund 4000 Besucher wurden verzeichnet.

Zunächst habe man sich etwas mehr erhofft, die Besucherzahlen höher sind als 2021, als über 5000 Personen die Ausstellung besucht hatten. „Aber wir freuen uns über jeden Einzelnen, der da war“, betont Nicole Mayer. „Die Gründe können vielfältig sein. Manche haben es auf die unerträgliche Hitze zurückgeführt, die Coronazahlen waren recht hoch, teilweise war auch sehr viel anderes Programm geboten.“

Diese Gründe hat auch Matthias Klein ausgemacht, der ergänzt, dass derzeit allgemein schwierige Umstände bei Veranstaltungen herrschten. Bei anderen Stadthallenveranstaltungen habe er die Erfahrung gemacht, dass die Leute sehr zurückhaltend seien. Viele seien, von Krisen umgeben und von wirtschaftlichen Nöten geplagt, zurückhaltend, wenn es darum gehe, für Freizeitaktivitäten Geld auszugeben. Die Vorverkaufszahlen aktuell neuer Stadthallentermine „liegen um die Hälfte unter dem Vor-Corona-Niveau“, verdeutlicht er. Diese Entwicklung habe sicherlich auch noch mit hineingespielt, dass die WPP-Besucherzahlen unter den Erwartungen geblieben sind.

Führungen vermitteln ein Mehr an Information

Dieses Jahr waren, nachdem 2021 coronabedingt darauf verzichtet wurde, wieder Führungen möglich. Silke Thiercy, Boris Retzlaff, Walter Bleibel und – in der ersten Woche – Werner Kliesch haben sich sofort dazu bereiterklärt, wieder Interessierte als Guides durch die Ausstellung zu führen, sagt Nicole Mayer. Verzeichnet wurden zirka 50 öffentliche Führungen und 35 Führungen für angemeldete Gruppen. „Die Resonanz hierzu ist immer sehr, sehr positiv, weil die Besucher noch mehr Infos, mehr Hintergründe zu den einzelnen Bildern bekommen.“ Vor Beginn der Sommerferien wurden noch zehn Schulklassen durch die Ausstellung geführt.

Zusammenarbeit der Akteure hat einwandfrei funktioniert

Bedanken möchte sich Nicole Mayer bei den Mitorganisatoren, beim Team der Stadthalle, das für alles rund um den Auf- und Abbau sowie die Personaleinteilung wieder zuständig war. „Es war wie immer ein tolles Miteinander, es hat super funktioniert, dafür möchte ich mich herzlich bedanken“, so die Projektleiterin. Die Fäden für den allgemeinen Ablauf der Ausstellung seien einmal mehr hervorragend zusammengelaufen. „Ich freue mich schon auf die Ausstellung nächstes Jahr.“

Es sei schließlich bereits durchgedrungen, dass die Stadt Balingen einen Drei-Jahres-Vertrag mit der WPP-Foundation in Amsterdam unterzeichnet habe, sodass die Ausstellung in Balingen auch die nächsten drei Jahre gesichert sei.

Im kommenden Jahr wird der Zeitraum des Termins übrigens ähnlich wie dieses Jahr gewählt werden, ergänzt Matthias Klein. Die WPP-Ausstellung findet dann parallel zur Gartenschau statt. „Es wird sicherlich ein Kombiticket geben“, blickt der Stadthallenchef voraus, der auch Synergieeffekte durch die Großveranstaltung erwartet.

ZAK-Verleger lobt die Macher im eigenen Haus

Nicole Mayers Dank gilt auch dem ZOLLERN-ALB-KURIER, „der wieder ein wunderbares Rahmenprogramm organisiert und durchgeführt“ habe.

„Hochkarätige Gäste und interessante wie zugleich passende Themen haben die Ausstellung bei den Veranstaltungen in der Zehntscheuer, im kleinen Saal oder mitten in Balingen flankiert und bereichert“, fasst Verleger Daniel Welte zusammen, der die herausragende Leistung und Organisation seines ZAK-Teams herausstellt.

„Auch freuen wir uns bereits heute darauf, 2023 die WPP-Ausstellung in Balingen wieder mit präsentieren zu dürfen und werden selbstverständlich mit Stolz, vollem Engagement und Leidenschaft wieder ein besonderes und herausragendes Rahmenprogramm auf die Beine stellen“, sichert er zu.

Geschichten, die die „WPP“ in Balingen schreibt ...

Beim lebendigen Rahmenprogramm hat sich auch die ein oder andere Geschichte zugetragen, wie sie nur die „WPP“ in Balingen schreibt. „Stern“-Legende Hans-Jürgen Burkard beispielsweise hat den Reiz der Stadt für sich entdeckt. „Das ist ja auch nicht schlecht hier, das müsste man sich mal näher anschauen“, kommentierte er nach seiner Ankunft am Balinger Bahnhof.

Die Eyachstadt ist einigen der Referenten auch nachhaltig im Gedächtnis geblieben. So wird die WPP-Ausstellung in einer Folge des Podcasts „Gate7 – Fernweh und Fotografie“ von Kai Behrmann aufgegriffen. Behrmann hat zusammen mit Moderator Thomas B. Jones den Workshop „Abenteuer Reportagefotografie“ geleitet. Im Podcast äußern sich Teilnehmer des Workshops begeistert und sprechen über die Erfahrungen in der schwäbischen Kleinstadt, die ganz im Zeichen der Fotografie stand und nicht nur die WPP-Ausstellung zu bieten hatte, sondern auch eine Ausstellung mit Werken von Hobbyfotografen in der Zehntscheuer. Beeindruckt waren vor allem auswärtige Workshop-Teilnehmer bei ihrem Besuch allemal, denn für sie war Balingen bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Ein Highlight war dieses Jahr auch der Foto Slam in der ausverkauften Zehntscheuer. (Hobby-)Fotografen aus der Region haben ihre Ansichten des Leitthemas Heimat lichtbildnerisch festgehalten. Die von einer Jury ausgewählten Finalisten buhlten am Mittwoch um die Gunst des Publikums, das über den Sieger entschied.