WIR in Hechingen: Was Hofkonditor Röcker sagt - unter anderem zu Osterhasen und Nikoläusen

Von Ralph Conzelmann

Lateiner vor: Nihil sine Deo. Na? Klar: nichts ohne Gott. So steht es auf dem Wappen, welches an der Fassade der Hechinger Hofkonditorei Röcker prangt – seit 1909.

WIR in Hechingen: Was Hofkonditor Röcker sagt - unter anderem zu Osterhasen und Nikoläusen

Hofkonditor Thomas Röcker vor seinem Café in der Oberstadt - links zu erkennen: das Wappen, welches vom Haus Hohenzollern verliehen wird.

Der jetzige Hofkonditor, Thomas Röcker, führt den Familienbetrieb in vierter Generation. Wieso er als Halb-Schweizer ganz Hechinger ist, was er von seiner Heimatstadt hält und warum Nüsse in der Pandemie eine wichtige Rolle gespielt haben, erzählt uns der 44-Jährige im Interview.

Herr Röcker, wie wird man Hofkonditor?

Thomas Röcker: Mein Uropa Johann Georg Röcker bekam den Titel 1909 vom Haus Hohenzollern verliehen. Seither ziert das Wappen unser Haus. Bis heute sind wir offiziell eine Hofkonditorei.

Und das bedeutet?

Wir beliefern die Burg, das dortige Restaurant, das Café, den Kiosk, backen etwa die Berliner für die Kira-von-Preußen-Stiftung oder die Kuchen und Torten, wenn der Prinz eine Party schmeißt. Wir stehen in einer Tradition, die wir gerne am Leben halten und die wir pflegen.

Werden Sie auf die Bezeichnung Hofkonditor oft angesprochen?

Eher weniger. Die meisten Hechinger wissen, was es damit auf sich hat. Hin und wieder entwickelt sich aber schon ein Gespräch darüber.

Klingt geschäftsfördernd…

(Lacht) Im normalen Tagesgeschäft merkt man das ehrlicherweise kaum. Nur des Namens wegen kaufen bestimmt wenige hier ein.

Sie betreiben ein Café klassischer Prägung. Mehr Fluch oder mehr Segen?

Manche hätten’s gerne moderner, andere wiederum sagen uns, dass wir um Himmels willen ja nichts ändern sollen. In jedem Fall haben wir eine große und treue Stammkundschaft, die genau das sucht und schätzt, was sie bei uns findet.

Und das wäre?

Wir bieten Authentizität – in unseren Produkten, in unserem Ladengeschäft, im Café, im Umgang mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit der Kundschaft. Wir sind ehrlich, regional, wir pflegen das Handwerk, wir verschließen uns aber auch nicht Neuem.

Wie sieht ihre Produktpalette aus?

In unserem Kassensystem sind rund 1000 Artikel erfasst – von der Praline über den Windbeutel bis hin zur Konfitüre. Wir stellen alles selbst her und verwenden dafür, wann immer es geht, Zutaten aus der Region.

Welches Stück Kuchen ist Ihr persönlicher Favorit?

Ganz weit oben steht sicher der Apfelkuchen. Diesen backen wir unverändert nach Uropas Rezept. Das hat vielleicht weniger mit Kreativität zu tun, aber sehr viel mit der Bodenständigkeit und Verlässlichkeit, die uns seit Jahrzehnten auszeichnet.

Ihre Branche dürfte, wie viele andere auch, vom Fachkräftemangel nicht verschont bleiben . . .

Stimmt. Umso mehr freut mich, dass wir stabil aufgestellt sind. Unsere Mitarbeiter spüren, dass wir sie behalten wollen. Neues Personal zu finden, ist schwer.

Rechnet sich so ein Betrieb in Zeiten gestiegener Material- und Energiekosten?

Klar, wir müssen von dem leben können, was wir einnehmen. Aber wir können nicht jede Kostensteigerung 1:1 an die Kundschaft weitergeben. Es ist viel Einsatz vonnöten, um verlässlich über die Runden zu kommen. Unsere Kunden wissen jedoch zu schätzen, was wir ihnen bieten. War es während der Pandemie richtig schwer, so kommen nun wieder vermehrt Leute, die uns gegenüber zum Ausdruck bringen, wie sehr ihnen der Besuch oder der Einkauf bei uns gefehlt hat. Ein Stück Torte kann fürs Seelenheil immens wichtig sein.

Ihre Mutter Christina stammt aus der Schweiz. Ihr Vater Joachim starb vor drei Jahren, seither leiten Sie den Betrieb. Die Mama hilft nach wie vor tatkräftig mit. Wie wichtig ist Ihnen Tradition?

Herzblut, Engagement und Tradition gehören neben der gegenseitigen Wertschätzung zum Unternehmenserfolg. Ich führe gerne fort, was Generationen vor mir aufgebaut haben. Die Einflüsse meiner Mutter, die übrigens selbst Konditorin ist, sind weiterhin klar sichtbar – viele Rezepte und Produkte sind unter ihrem Schweizer Einfluss entstanden.

Wie experimentierfreudig sind Sie bei Ihrem Sortiment?

Wir probieren ständig Neues aus und sind am Puls der Zeit. Häufig wird aber gerade das Traditionelle nachgefragt, wenngleich schon jeder über eine kreative mehrstöckige Hochzeitstorte staunt.

Sie beziehen regional, sagen Sie. Das bedeutet aber auch: nicht alles zu jeder Zeit...

Ganz genau. Wenn Saison ist, gibt’s Erdbeeren. Oder Quitten. Wenn nicht, dann eben nicht. Regional bedeutet bisweilen auch, mehr Aufwand zu betreiben. Ich würde nie Flüssigei aus dem Tetrapack verwenden, schlage stattdessen lieber die Eier von unserem „Hoflieferanten“ aus Gomaringen auf; auch wenn das mehr Arbeit bedeutet und viel mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Woher stammt die Schokolade?

Ein Großteil aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland. Die Nüsse haben da schon eine weitere Reise hinter sich . . ..

Nämlich?

Die kommen aus der Türkei oder aus Nord- und Südamerika. Und sie waren während der Pandemie echte Mangelware. Da war selbst über den Preis nichts zu machen. Es gab eine Zeit lang einfach keine Nüsse.

Was läuft besser: Osterhase oder Nikolaus?

Grundsätzlich ist sowohl die Zeit um Ostern als auch um Weihnachten für uns wirtschaftlich von großer Bedeutung. Dann haben wir Hochsaison, die uns durch die übrigen Monate ein Stück weit tragen muss. Doch um auf die Frage zurückzukommen: Gerade haben wir einige Tausend Osterhasen hergestellt, aber Nikoläuse sind’s jedes Jahr vermutlich eben so viele.

Nicht nur Kinder werden daran ihre Freude haben. Fühlen sich junge Menschen in Hechingen wohl?

Ich denke schon. Hechingen bietet alles, was jungen Familien ermöglicht, hier gut leben zu können. Auch unsere Kundschaft ist zum Teil sehr jung, da bin ich selbst immer mal wieder überrascht.

Was zeichnet Hechingen aus?

Die Stadt ist lebens- und liebenswürdig, sie ist sympathisch, mit den Menschen ist gut auszukommen und natürlich haben wir eine tolle Umgebung, eine wunderschöne Natur. Hechingen liegt sehr gut, wirkt vielleicht manchmal etwas verschlafen, ist aber in jedem Fall eine tolle Heimat.

Was darf sich ändern?

Es wird ja schon viel gemacht. Wir haben einen motivierten, engagierten Bürgermeister, es werden Ideen gesponnen und Konzepte umgesetzt. Wichtig ist in jedem Fall, dass jeder merkt, dass sich etwas tut.

Wie zum Beispiel beim Obertorplatz?

Sicher. Auch wenn dem Einzelhandel dieser Platz vermutlich wenig bringt. Ich wage zu bezweifeln, dass wegen des neuen Platzes bei uns jemand ein Stück Kuchen mehr kauft. Vielleicht mehr zu erwarten ist vom Marktplatz, sobald dieser neu gestaltet ist.

Hechingen ist für Sie . . .?

Heimat, Vertrautheit. Wenn ich die Burg sehe, weiß ich, dass ich zu Hause bin. Die Burg und Hechingen gehören zusammen. Schade nur, dass wir vom Burgtourismus nicht viel abbekommen. Hier ist Luft nach oben. Ein Shuttleverkehr, der die Stadt mit bedient, kann ein guter Ansatz sein.

Ihre Vision für Hechingen?

Ich bin nicht in der Rolle oder Funktion, um den Stadtplaner zu geben. Ich wünsche mir, dass man sich mit Themen auseinandersetzt, die in der Planung, Umsetzung und Nutzung Hand und Fuß haben. Dass die Leute sagen: „Das haben sie schön gemacht.“

Wo befindet sich Ihr Lieblingsplatz in Hechingen?

Das ist der Fürstengarten. Dort laufe ich mehrmals wöchentlich meine Runde.