WIR in Hechingen – Der Bürgermeister

Von Ralph Conzelmann

Seit zehn Jahren steht Philipp Hahn in Hechingen in der ersten kommunalpolitischen Reihe – zunächst als Erster Beigeordneter, seit 2018 als – mit überragenden 90,66 Prozent der Stimmen – gewählter Bürgermeister.

WIR in Hechingen – Der Bürgermeister

Der Hechinger Bürgermeister Philipp Hahn.

Mit dem gebürtigen Ostälbler, Jahrgang 1979, und in Tübingen studierten Politik- und Rechtswissenschaften (Magister) unterhielten wir uns – stilecht im Hechinger Rathaus natürlich.

Herr Hahn, Sie haben in der Pressestelle der Landesregierung im Staatsministerium und an der Stuttgarter Börse gearbeitet, sie leiteten das Berliner Büro des Bundestagsabgeordneten Dr. Stefan Kaufmann und sie stammen ursprünglich aus Schwäbisch Gmünd. Was verschlug Sie ausgerechnet nach Hechingen?

Philipp Hahn: Die Beigeordnetenstelle in Hechingen, die aufgrund meines Interesses und meiner Ausbildung meinem Berufswunsch entsprach, letztlich aber gerade die Stadt selbst und die Region, die Schwäbische Alb – das alles hat mich gereizt. Dass sich die Dinge dann sehr dynamisch entwickelten, war nicht vorauszusehen.

Was meinen Sie genau?

Nun: Nach dem krankheitsbedingtem Ausfall meiner Vorgängerin stand ich übergangsweise früh in der vollen Verantwortung, ehe ich offiziell zum Bürgermeister gewählt wurde. Das Amt bereitet mir große Freude – bei aller Herausforderung.

Hechingen wird stark mit der Medizintechnik in Verbindung gebracht. Wenn Gambro hustet, habe die Stadt eine Grippe, heißt es. Neulich war die Rede davon, dass Baxter, der Konzern, zu welchem Gambro gehört, Stellen abbauen will…

Gambro hat deutlich mehr als 1000 Mitarbeiter und entsprechend herrscht immer Fluktuation in deren Reihen. Sicher verfolgen wir die Umstrukturierungen, die der Baxter-Konzern vornehmen möchte, mit Sorge. Noch weiß man nichts Genaues. Und: Gambro ist nur eines von vielen Unternehmen, die wir glücklicherweise in Hechingen haben – gerade auch aus der Branche. Bentley zum Beispiel baut derzeit gewaltig und wächst enorm. Was Lars Sunnanväder, der aus Südschweden einst durch einen glücklichen Zufall bei Gambro in Hechingen landete, hier bewegt hat, ist einzigartig. Er hat mehr als ein Dutzend Firmen hier gegründet.

Liegt’s und lag es an ihm, dass sich Hechingen, Ihre Stadt, gerade in der Medizintechnik so hervortut?

Sicher ganz maßgeblich. Lars Sunnanväder ist für die Stadt eine wahrhaft prägende Persönlichkeit und seine Energie, sein Unternehmergeist, seine Intelligenz sind bewundernswert, auch noch heute, mit seinen 81 Jahren. Was wir aber nicht vergessen dürfen: Unser Ehrenbürger Norbert Roth, der als einer meiner Vorgänger von 1967 bis 1995 Bürgermeister war, holte überhaupt erst die Medizintechnik hierher. Und, so nebenbei, er hat viele andere Dinge angestoßen; zum Beispiel die Städtepartnerschaft mit Joué in Frankreich, die sich 2023 zum 50. Mal jährt und die wir am 24. Juni entsprechend groß feiern werden.

Zurück zur Industrie. Ist Hechingen ein gutes Pflaster für Unternehmen?

Ganz klar: ja. Es gibt eine große Nachfrage nach Gewerbegrundstücken. Dass wir die Gewerbesteuer im zurückliegenden Jahrzehnt von zehn auf 34 Millionen Euro steigern konnten, ist ein Indiz dafür. Wir stehen als Kommune im regelmäßigen Austausch mit den Unternehmen und versuchen, ein positives Klima zu schaffen. Die Glasfaserverkabelung in Kooperation unter anderem mit den Balinger Stadtwerken ist ein Beleg dafür. Aber auch ganz allgemein haben wir die Aufenthaltsqualität spürbar erhöht.

In welchen Bereichen?

Ich nenne beispielhaft die ausgeweitete Kinderbetreuung, die Inklusionsangebote, das Wanderparadies Hechingen, den Waldy- und den Märchenpfad oder unseren neuen Schaukelwanderweg, der komplett über Sponsoren finanziert wurde – 150.000 Euro kamen so zusammen. Wir wollen Frequenz in die Innenstadt bringen und damit auch mehr Menschen, die sich gerne hier aufhalten und leben wollen.

Das verlangt wiederum nach Wohnraum…

Das ist eine der größten Herausforderungen, natürlich nicht nur für uns, sondern für alle Kommunen. Wir haben Wohngebiete in Schlatt, Boll, Stein, Sickingen und Bechtoldsweiler geschaffen. Jetzt folgt, innerstädtisch, Killberg IV, wo wir künftig 1300 Menschen Platz zum Wohnen bieten. Fest steht aber auch: Bauen ist extrem teuer geworden. Wir benötigen bezahlbaren Wohnraum. Und Menschen, die bauen wollen und das auch können.

Da dürften Ihnen die Flüchtlingsthematik, der Ukraine-Krieg, die Lieferkettenproblematik in die Quere gekommen sein?

Wir haben bisher dennoch eine positive Einwohnerentwicklung und registrieren auf der Meldebehörde Zuzüge aus dem Raum Tübingen/Reutlingen oder von der Alb. Aber, ja: wir müssen derzeit rund 3,5 Millionen außerplanmäßig in eine neue Flüchtlingsunterkunft in der Innenstadt investieren – das Geld, das wir in die Hand nehmen, fehlt an anderer Stelle.

Blicken Sie ein wenig zurück: was hat sie in der jüngsten Vergangenheit am meisten gefreut?

Persönliches Highlight war Ende vorigen Jahres natürlich die Hochzeit mit meiner Lebensgefährtin Anke Hahn. Sie stammt aus Gruol, wir wohnen in Bechtoldsweiler. Was die Kommune anbelangt: wir haben das Hallenfreibad modernisiert, ebenso das Weiherstadion, haben Kindergärten gebaut, die Betreuungsangebote massiv ausgebaut, haben Industrieansiedlungen, neue Wohngebiete, die erwähnten Pfade, Wege, ein schönes Kulturangebot, sanieren demnächst die Zollernstraße, bauen die alte Hof-Apotheke mit fünf Millionen aus kommunalen Mitteln um, stocken unsere Verwaltung auf, haben im Tourismusbereich zugelegt, konnten gemeinsam mit der Landkreisverwaltung und mit der Unterstützung von Landrat Günther-Martin Pauli die Nachnutzung des ehemaligen Kreiskrankenhauses mit Ärzten, Therapeuten und Behörden optimal lösen und durften den neuen Obertorplatz einweihen.

Viele bringen Hechingen in enge Verbindung mit der Burg Hohenzollern. Sollte die Stadt nicht mehr von den Besuchern profitieren?

Auch hier hat sich einiges getan. Und wir profitieren ja auch. Eben auch durch Projekte wie den neuen Schaukelwanderweg, welcher unter anderem die Ober- und die Unterstadt verbindet, ziehen wir die Leute in die Innenstadt und es gibt weitere Visionen – wie ein Elektro-Shuttle-Zügle, das zwischen Burg, Domäne und Stadt verkehren kann. Ein Problem der gesamten Region sind die fehlenden Hotelbetten. Ein aussichtsreiches Vorhaben scheiterte vor kurzem in der Planungsphase. An diesem Thema müssen wir – alle gemeinsam im Kreis – unbedingt dranbleiben.

Hechingen fehlen rund 500 Einwohner bis zur 20.000er-Marke. Dann wäre man Große Kreisstadt und Sie Oberbürgermeister …

Ein charmanter Gedanke; Die Entwicklung zur Große Kreisstadt scheint nahe, ist aber nicht der Motor für die Stadtentwicklung. Wichtig ist: Hechingen ist eine lebenswerte Stadt, egal wie viele Einwohner sie hat. Ich denke, wir müssen uns auch jetzt nicht vor anderen Kommunen, nicht nur im Kreis, verstecken. Es gibt vordringlichere Aufgaben als das Streben nach einem Begriff aus dem deutschen Kommunalrecht.

Zum Beispiel?

In erster Linie die Beibehaltung unseres Industrieniveaus und Erhalt der Arbeitsplätze, insbesondere nicht nur in der Medizintechnik sondern in allen Branchen. Die Planung und Belebung weiterer Wohngebiete, das Schaffen weiterer Betreuungsangebote, die Sicherung der medizinischen Versorgung, den Schulterschluss mit den Nachbarn.

Nennen Sie uns Ihren Lieblingsplatz in Hechingen.

Vom Aussichtspunkt Kapf in Boll hat man einen weiten Blick über große Teile der Stadt. Ich fahre da gerne nach Feierabend mit dem Fahrrad hoch – früher auch joggend, aber dafür fehlt derzeit das Training (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch!